Smartfuck

Wer mich gut kennt, der weiß, dass ich seit jeher nicht sonderlich begeistert von Smartphones bin. Ich konnte mich all dem bisher auch sehr gut entziehen und kam wunderbar ohne zurecht. Seit einigen Monaten jedoch habe ich selbst eins und möchte dazu nun ein paar Worte verfassen.

Ursprünglich hatte ich es mir ja nur für die Familie zugelegt bzw. das alte iPhone von meinem Vater übernommen, da die Familienkommunikation über so viele Kanäle nicht immer so leicht zu führen war und ich mich irgendwie dafür verantwortlich gefühlt habe, dass es keine Missverständnisse mehr gibt und alle über alles gleichermaßen Bescheid wissen.
Nun, der Effekt war aus meiner Sicht eher minimal und das Smartphone hat natürlich nicht die Ruhe reingebracht, die ich mir gewünscht hatte. Aber vermutlich stelle ich mir darunter auch etwas vor, was mit so unterschiedlichen Menschen und so vielen unterschiedlichen Möglichkeiten zu kommunizieren auch einfach nicht umsetzbar ist.
Insgesamt hat es das Smartphone zwar einfacher gemacht, anderen schnell etwas über Whatsapp mitzuteilen, aber im Grunde hat es auch mein Stresslevel deutlich erhöht, weil ich selbst nun besser erreichbar bin. Dadurch sehe ich mich in der Verpflichtung, auch auf alles schnellstmöglich zu antworten. Und ich weiß, dass es mir keiner übel nimmt, wenn ich es nicht schaffe. Aber alleine der Gedanke, dass ich noch antworten sollte und das nicht vergessen darf, beherrscht im schlimmsten Fall meinen Alltag.
Diese Problematik ist mir nicht neu und ich kannte das Gefühl bereits vor dem Smartphone. Alleine schon das Beantworten von E-Mails bzw. der Gedanke daran, dass ich nicht vergessen darf zu antwoten, hat großes Potential, mich in Stress zu versetzen. Das Smartphone mit seinen blauen Häkchen hat das alles natürlich nicht verbessert.

Und natürlich blieb es auch nicht nur bei einer App, die ich mir runtergeladen habe… Wenn ich es schon habe, so dachte ich mir, dann kann ich ja auch meine Mails darüber abrufen. Und es gibt ja auch noch Facebook. Und den Messenger. Und Instagram. Und Linkedin…

Ich dachte anfangs aber auch noch, dass ich die Nutzungsdauer ganz gut im Griff hätte, weil ich bewusst nur eine Prepaidkarte und keinen Vertrag dafür habe und das Internet daher auch nur im WLAN nutzen kann. Dennoch habe ich das Gefühl, dass es mich immer mehr beherrscht und sich durch meine ohnehin schon begrenzte Alltagszeit frisst.
Nun kann man sagen, dass ich selbst ja diejenige bin, die entscheidet, wie viel Zeit sie damit verbringt und was sie darauf installiert. Aber ich merke immer mehr: Ich kann das nicht.

Im Grunde werde ich den ganzen Tag mit Infos zugeballert, von denen 95% Schrott und Werbung ist und lasse mir davon die Zeit stehlen. Und da mich das Smartphone mittlerweile zu gut kennt, weiß es auch, was es mir zeigen muss, damit ich noch mehr Zeit damit verbringe und es eben nicht weglege: Süße Eulen, lustige Katzenvideos,…cooles nerdiges Zeug,… Für mich als Mensch mit AD(H)S, der eigentlich viel lieber kreativ tätig wäre, ist das suboptimal. Ich fühle mich mittlerweile wie ein Smombie und finde es furchtbar, dass auch ich oft zum Smartphone greife, wenn ich mit anderen zusammen bin, weil es mir keine Ruhe lässt, wenn ich nicht sofort etwas google, das mir in den Sinn kommt.
So ein Mensch will ich aber nicht sein! Ich empfinde im Grunde wirklich fast jede Minute, die ich damit verbringe, als sinnlos. Sinnlos verschwendete und eigentlich verdammt kostbare Lebenszeit!

Ja, ich gebe zu, es macht auch vieles einfacher, vor allem die Kommunikation mit anderen funktioniert schneller. (Nicht besser!) Auf Mails kann ich auch jederzeit zugreifen und antworten. Aber will ich das wirklich?
Im Urlaub war es zwar ganz praktisch, um mich in fremden Städten zurechtzufinden und schnell mal nach den nächsten Zügen zu sehen. Aber im Grunde schreibe ich mir ja vorher ohnehin alles raus und informiere mich und weiß auch, wie man ohne überlebt (und fühle mich mir etwas Handschriftlichem auch besser).
Und ja, ich mag es zwar, gelegentlich auf Instagram etwas online zu teilen und zu sehen, was die anderen so machen. Aber ist es mir das wirklich wert, wenn das von dutzender nach mir schreiender Werbung eingerahmt wird?

Unterm Strich überwiegen leider die schlechten Gefühle und ich muss sagen, dass mich das alles deutlich mehr stresst als dass es mir mein Leben erleichtert. Ich bin gefühlt viel abgelenkter als früher, verliere mich in sinnlosem Scheiß, der mich nicht im Leben weiterbringt und gebe auch gefühlt mehr bzw. schneller Geld aus.

Ich habe auch versucht, es bewusst in einen Faraday-Käfig zu sperren, aber auch das funktionierte nicht wirklich, denn es ist ja nach wie vor da. Und die Apps auch. Und die Menschen, die auf eine Antwort warten, ebenfalls…
(Das klingt jetzt so, als würde man mich ständig mit Nachrichten überhäufen, was natürlich nicht der Fall ist. Die meisten Leute haben meine Nummer gar nicht und der Rest lässt mich weitestgehend auch in Frieden. Aber mein Stresslevel sinkt dennoch nicht mehr wirklich…)

Ich überlege also, alle Apps bis auf die wirklich wichtigen (E-Rezept und Versicherung) zu löschen und es in Zukunft einfach nicht mehr für Kommunikation zu nutzen. Wer mich erreichen will, kann das auch auf anderem Wege. Handylos und abgeschnitten von der Außenwelt bin ich durch mein einfaches Klapphandy ja nicht.
Testweise werde ich das Smartphone über Weihnachten und Neujahr einfach nicht mit nach Hamburg nehmen. Und dann wird sich zeigen, ob es mir dadurch vielleicht wieder etwas besser geht und mein Zeitmanagement wieder etwas besser wird.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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