„Waaas, du hast kein Smartphone!?“ 

„Ja, ich habe wirklich kein Smartphone!“
Die Reaktionen darauf, dass ich nur mit einem Klapphandy unterwegs bin und nicht wie ein moderner, „normaler“ Mensch mit einem Smartphone, sind sehr unterschiedlich und reichen von Bewunderung über Ungläubigkeit bis hin zu Mitleid und Unverständnis. Noch vor einer Weile empfand ich sie als überwiegend negativ und habe mich auch etwas angegriffen gefühlt, wenn mir einer im größten Akt der Solidarität sein altes Smartphone andrehen wollte. Ich kam mir einfach unverstanden vor, wenn mein Gegenüber einfach nicht begreifen wollte, dass ich das ernst meine und wirklich keins möchte. Nicht mal geschenkt.

Mittlerweile bin ich da lockerer geworden und zudem ist bei den meisten angekommen, dass ich das wirklich aus Überzeugung mache und daran auch nichts ändern werde. Einigen wenigen fühle ich mit „meiner Art zu leben“ wohl sogar etwas auf den Zahn, weil ihnen plötzlich die eigene Gefangenheit in dem System des Smartphones bewusst wird. Sie geben mir dann zwar recht, wenn ich mich davon fern halte, schaffen es aber selbst nicht diesen Weg zu gehen und sich davon zu lösen. Zumindest nicht vollständig. Vermutlich wollen es auch nicht wirklich, da es ja schon sehr praktisch ist… oder weil sie es sich nicht mehr vorstellen können, wie es ohne ist? Der Mensch ist und bleibt eben ein Gewohnheitstier…

Da nun aber die Gründe für mein smartphoneloses Leben meist nur für mich von Anfang an auf der Hand liegen, möchte ich meine Gedanken dazu mal zusammenfassen bzw. endlich mal meine Geschichte aufschreiben, wie es eigentlich dazu kam…

 

Der ursprüngliche Grund, warum ich keins besitze, hat zwar nicht mehr so viel mit meinen heutigen Gründen zu tun bzw. fällt das nicht mehr so ins Gewicht, aber dennoch ist er entscheidend. Eigentlich hat es ganz banal etwas mit Ungeschicklichkeit zu tun.
Ich bin nämlich zu den Anfängen des Smartphonehypes noch weitaus ungeschickter mit Technik umgegangen als heute. Mein erstes und letztes Smartphone (2011) hat wahrhaftig 10 Minuten reibungslos funktioniert. Dann ist es in Buttermilch ertrunken, die es damals nicht in diesen Plastikfläschchen gab, sondern in Joghurtbechern. Und da ist eben der Aludeckel in meiner Tasche eingerissen. (Haha, man könnte es auch ein „einschneidendes“ schicksalhaftes Ereignis nennen!)
Aber auch später, wenn andere mir ihr Smartphone in die Hand gegeben haben, habe ich es reflexartig fast jedes Mal fallen gelassen. Das habe ich dann als Zeichen gedeutet und zum Anlass genommen, bei den weitaus stabileren und günstigeren Klapphandys zu bleiben. Und da die wie auch ihr Akku wirklich ewig halten, sah ich anfangs einfach keinen Grund, mir ein viel zu teures störungs- und schlaganfälliges, zerbrechliches Smartphone zu besorgen.
Bisher bin ich zum Glück auch immer wieder zu einem sogenannten „Dumbphone“ gekommen. Mein letztes hat sogar sechs Jahre durchgehalten! Dann wurde es das Opfer meiner Ungeschicklichkeit. Es ist mir in aufgeklapptem Zustand aus der Hand geglitten.

Ansonsten ist aber mein Geschick mittlerweile besser geworden. Ich kann sogar mit den technischen Aspekten eines Smartphones meist besser umgehen als ihre Besitzer (wenn ich es denn wirklich will).

 

Mit der Zeit jedoch hat sich der ausschlaggebende Grund für mein jetziges smartphoneloses Leben gewandelt…
Durch meine Entscheidung habe ich nämlich die ganzen ersten Jahre dieses Trends aus einer anderen Perspektive sehen können und immer mehr festgestellt, wie sehr mir die gesellschaftliche Entwicklung missfällt…

Was ich bei meinen Mitmenschen beobachten konnte, war eine nach und nach entstandene enorme Abhängigkeit von einem einzigen Gerät, das in den Augen ihrer Besitzer wohl eine enorme Zeitersparnis durch diverse Apps bedeutet und weil eben auf einmal alles in einem Gerät steckt: Internet, Telefon, Shopping, Filme/Serien, Games, Musik, Bücher, Kamera, Textverarbeitung, Dating, soziale Kontakte/Kommunikation,… Doch gleichzeitig nehmen sie sich aber auch keine Zeit mehr oder zumindest anders und viel weniger „bewusst“ als früher. Ich habe das Gefühl, dass sie durch diesen ungefilterten und permanent vorhandenen Überfluss von allem Möglichen verlernen auch offline sinnvoll und produktiv damit umzugehen, falls es bei ihnen denn überhaupt noch ein „offline“ gibt. Wenn alles in einem Gerät steckt, das immer an ist, ist nun mal die ständige Versuchung zur Ablenkung von dem, was gerade eigentlich wichtig sein sollte, ebenso immer aktiv. 

Somit sehe ich also die Abhängigkeit von etwas, das einfach kein menschliches Grundbedürfnis per se ist. Doch wir Menschen machen es zu Wissen, zum Planer und Verwalter unseres Lebens, zur Steuerung unseres Haushalts, zur fast einzigen Kommunikationsmethode… ohne dass wir uns über die Konsequenzen und dem Verlust von so vielem wirklich bewusst sind. Und das empfinde ich als sehr beängstigend.
Ich persönlich will nicht etwas so krass Teil meiner Welt werden lassen, will mich nicht abhängig von einem Gerät machen und wie hypnotisiert nichts mehr wirklich um mich herum bewusst und frei wahrnehmen können. Ich will auch nicht die für mich unabsehbaren psychischen Folgen einer Sucht spüren müssen ohne es zu merken bis ich mitten drin stecke. (Falls ich es selbst dann und denn jemals überhaupt merke…) Außerdem kenne ich mich und weiß, dass ich nun mal suchtanfällig für diese Art von Verhaltenssucht bin. Und ich will so nicht sein! 

Für mich ist es von außen gesehen auch enorm traurig mitanzusehen, wie so viele Menschen einfach nur noch in ihr Smartphone starren oder es bei sich tragen, als wäre es ein verlängerter Teil ihres Körpers, ihrer selbst. Was haben diese Menschen denn davor getan, wenn Stille entstand? Was haben sie gemacht, als sie im Bus saßen, gewartet haben, Mittagspause hatten? Gibt es eigentlich noch welche, die ein Buch aus Papier lesen? Einfach nur ihre Umgebung beobachten? Über sich und ihr Leben nachdenken oder sich zumindest ohne ständige Ablenkung damit ernsthaft beschäftigen können? Mit dem nackten Sein ohne Schild vor und zwischen sich? Mit Sicherheit gibt es sie… Aber gefühlt nimmt es ab. Oder zumindest die Intensität nimmt ab…

 

Womit wir zum nächsten Punkt kommen: Das Sozialverhalten hat sich in meinen Augen geändert. Und zwar massiv. Ich mache vor allem das Smartphone verantwortlich für diese Veränderung. Es kommt mir oft so vor, als würden ihre Besitzer durch den Blick hinein vor einem direkten Kontakt mit ihren Mitmenschen fliehen oder sich herauswinden durch schwammig formulierte und auf vielerlei Arten auslegbare Textnachrichten.
Reale Kontakte und das Klären von Konflikten von Angesicht zu Angesicht können zwar beängstigend sein (das gebe ich zu), aber sie führen nun mal zu etwas ganz anderem als das alleinige chatten. Dabei können zwar genauso Emotionen entstehen, aber neben dem Fehlen so vieler zusätzlicher Ebenen wie Mimik und Gestik gibt es soziale Bereiche, die dadurch eben nicht bedient werden. Aus meiner Sicht verkümmern diese nach und nach wie z.B die Empathie oder die Fähigkeit wirklich bewusst da zu sein im Hier und Jetzt.

Diese Flucht vor direkten Auseinandersetzungen und konkreten (ehrlichen) Aussagen führt meiner Meinung nach auch zu mehr negativen Gedanken über andere, zu Missverständnissen und letztendlich zu einem Misstrauen, das sich durch unser weiteres Verhalten fortpflanzt. Und erschreckenderweise wird dieser Umgang miteinander ja bereits zur Normalität.
„Man macht das halt so, alles soweit unklar?“
Wenn sich alle so verhalten ist es also okay?
Ich habe das Gefühl, dass wir immer verschlossener werden und auch den Mut verlieren, klar und ehrlich unsere Bedürfnisse zu äußern. Doch warum sollten wir denn überhaupt noch offen sein und auf jemanden zugehen, wenn sich andere ebenso vor uns verschließen oder uns durch ihr Verhalten signalisieren, dass sie eigentlich nicht an einem Kontakt interessiert sind (konkret aber nichts davon äußern)? Und warum sollte sich auch jemand, dessen Nachrichten ignoriert werden, denn auch anderen Menschen gegenüber anders verhalten?
Wir  gehen uns und den Konflikten mit anderen somit lieber aus dem Weg. Wir lesen unsere Nachrichten, antworten aber nicht. Vergessen es oft auch einfach. Oder wir öffnen sie nicht einmal und geben unserem Gegenüber das Gefühl, dass er uns nicht wichtig genug ist. Damit entgehen wir der direkten Auseinandersetzung und sehen auch nicht die Konsequenzen. 

Und gleichzeitig entsteht durch die Gewissheit, dass wir alle ja eigentlich ständig verfügbar sind, eine Art Kontrollzwang und wir wollen wissen, wann wer wo online war, ob er/sie die Nachricht schon gelesen hat,… Durch diesen enorm großen Interpretationsspielraum kommt es auch automatisch zu den skurrilsten Vorstellungen darüber, warum er/sie nicht antwortet.

Hinzu kommt noch, dass mit Tinder, Lovoo und anderen Fickapps „Datingapps“ die Oberflächlichkeit und das „flüchtige Vielleicht“ ihren absoluten Höhepunkt erreicht haben. Ein Bild, ein Wisch und weg. Genauso wie die Art der Kommunikation bzw. des abrupten grundlosen Abbruchs von Kommunikation (Ghosting) auf diesen Plattformen, die ich von anderen so mitbekomme. 

Für mich führt das Smartphone also zu einer Welt, welche die Menschen nach und nach immer mehr voneinander entfernen wird, weil sie durch die oberflächliche Art zu kommunizieren zu einem Kontakt von vielen werden. Fern. Austauschbar. Und ich habe die Befürchtung, dass das ganze mit jeder Generation immer krasser werden wird...

Doch sehe all das vielleicht nur ich so und übertreibe daher? Bringt es der Menschheit vielleicht wirklich mehr Erleichterung und Zeitersparnis als ich sehen kann? Vielleicht ist die soziale Entfremdung voneinander ja gar nicht wirklich vorhanden und ich dramatisiere das alles unnötig?
Denn natürlich ist man sich nach wie vor nahe, pflegt Kontakte vie
lleicht sogar leichter mit als ohne Smartphone. Dass das möglich ist und nicht jeder automatisch ein Smombie geworden ist, bestreite ich ja auch nicht… aber dennoch bin ich davon überzeugt, dass die Existenz des Smartphones einen großen Einfluss auf das reale Leben hat und darauf, wie wir miteinander umgehen und dass die Entwicklungstendenz was die Masse der User angeht nicht gut ist. 

Nun mag man einwenden, dass ich doch selbst keines besitze und ich vielleicht anders denken würde, wenn ich eines hätte und diese Lebenserleichterung erleben würde. Das bekomme ich auch immer wieder zu hören. Sogar das Argument, dass ich dann ja besser erreichbar wäre, höre ich oft. Ich will aber keins und schon gar nicht, um für jemanden leichter erreichbar zu sein oder in einer Whatsapp-Gruppe zu sein. Vielleicht denke ich da wirklich altmodisch, aber ich kann telefonieren und SMS schreiben, kann auf alles andere wie Facebook und E-Mail von einem Rechner aus zugreifen und wenn ich jemanden wirklich sehen will oder er mich kann ich ihn auch persönlich sehen, wenn ich das will, egal wo er wohnt. Warum sollte ich also noch erreichbarer sein? 

 

Wer bis hierhin gelesen durchgehalten hat, dem wird wohl nicht entgangen sein, dass ich unterm Strich das Smartphone als überwiegend negativ bewerte. Und dabei bin ich noch nicht mal auf den wissenschaftlichen Aspekt eingegangen wir z.B. Manfred Spitzer in seinem Buch über die Smartphone-Epidemie. In den Medien wird er zwar oft belächelt oder als verbohrt dargestellt, aber die Wahrheit in vieler seiner Aussagen lässt sich für mich nun mal nicht leugnen… und er ist vor allem einer der wenigen, der das überhaupt skeptisch sieht und sich dagegen auflehnt. Und ich finde, man darf all das Negative einfach nicht außer Acht lassen! Besonders weil es so massiv eine komplette Gesellschaftsstruktur verändert hat.

 

Dass ich kein Smartphone besitze hat also weder was mit Geldmangel zu tun noch mit fehlenden technischen Verständnis. Es ist wie erklärt fast schon eine ethische Entscheidung bei der ich bleiben will.

Leider kann ich keinen dazu bewegen, das Smartphone einfach mal wegzulegen oder auszulassen und sich mit dem entstandenen Gefühl der nackten Leere und der Angst oder des Unbehagens auseinanderzusetzen, die mit Sicherheit eintreten werden. Aber ich will zumindest durch meinen klaren Standpunkt Einfluss nehmen und vielleicht den ein oder anderen mal dazu bewegen, dass er/sie sich ertappt fühlt und nachdenkt, wenn er/sie sieht, dass man auch ohne Whatsapp und Co. überleben kann. 

Kann man nämlich, wenn man wirklich will. Ich lebe ja auch noch, genauso wie ein paar andere Menschen, die sich bewusst gegen ein Smartphone entschieden haben.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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