Wo liegt die Grenze?

Heute morgen bin ich aufgewacht mit der Frage, welches Verhalten eigentlich das richtige ist im Umgang mit Geld und Konsum…

Ich merke einfach immer wieder, dass ich mich bei diesem Thema richtig extrem von vielen unterscheide. Meine Ansichten sind da wirklich so komplett anders. Mir geht es zum Beispiel einfach nicht in meinen Kopf, warum ich meine Erfüllung im Besitz von Dingen und teuren Reisen sehen sollte. Oder im Konsumieren.
Wenn mir also jemand davon erzählt und wie es ihn glücklich macht oder glücklich machen würde, wenn er/sie etwas Bestimmtes denn hätte oder tun könnte, dann weiß ich oft gar nicht, was ich dazu sagen soll. Mich macht es irgendwie traurig, wenn die Person davon überzeugt ist etwas im Außen zu brauchen, um inneren Frieden und Glück zu finden. Ich fühle mich dann so machtlos, weil in mir einfach so eine ganz andere Sicht auf dieses Thema steckt und ich nicht weiß, wie ich diese verständlich machen soll ohne mein Gegenüber vor den Kopf zu stoßen. In Wahrheit denke ich nämlich, dass viele dieser Wünsche nur eine Art Kompensation sein könnten und diese die eigentliche Unzufriedenheit dahinter nicht angeht.

Aber wer bin ich denn schon, dass ich annehme zu wissen, was richtig ist oder was hinter dem Wunsch einer anderen Person steckt?

Ich kann da nur für mich sprechen… Und ich fühle mich da manchmal wie ein Alien von einem anderen Stern. Zumindest gibt es nur sehr sehr wenige Menschen, die da wie ich denken und bei denen diese Sichtweise vor allem primär nichts mit Verzicht und Frust zu tun hat, sondern mit einer inneren Einstellung und einigen rationalen Entscheidungen. Und mit der Akzeptanz dessen, was nun mal ist.

Daher fühle ich mich zum Beispiel mit meinem Lohn, der unter dem anderer liegt, definitiv nicht arm. Auch wenn einige schon meinten, dass sie dafür nicht mal morgens aufstehen würden und meine Leistung deutlich unterbezahlt sei. Vielleicht mag das in ihrer Weltsicht der Fall sein, aber ich sehe das definitiv nicht so. Denn auch wenn ich jeden Cent zähle und eine so akribische Buchhaltung führe (die echt jenseits dessen liegt, was man sich vorstellen kann) hat in meinem Augen nichts von meinem bescheidenen Lebensstil etwas mit Verzicht zu tun. Mir gibt es einfach Sicherheit über meine Ausgaben auf den Cent genau Bescheid zu wissen und ich will einfach das beste aus dem wenigen herausholen, das mir zur Verfügung steht. Und das gelingt mir auch sehr gut.

Natürlich muss ich mir da aber auch folgende Frage stellen: Würde sich das alles denn ändern, wenn ich mehr verdienen würde? Irgendetwas würde sich definitiv ändern… aber ich glaube nicht, dass deshalb meine Sichtweise verloren geht. Ich würde mir auch mit mehr Geld nicht etwas Neues kaufen, obwohl das alte noch funktioniert. Es sei denn, es handelt sich um eine enorme Arbeitserleichterung. (Aber das ist jetzt auch kein Unterschied zu meinem jetzigen Lebensstil….) Ansonsten würde ich wohl noch mehr Geld für Lebensmittel ausgeben, also wirklich mal alles auf dem Wochenmarkt einkaufen. Oder eben (noch) mehr bio und regional. Ich würde insgesamt vielleicht etwas fahriger mit dem Geld umgehen, aber niemals über meine Verhältnisse leben. Mehr Urlaub oder Wellness würde ich deshalb auch nicht machen. Vielleicht würde ich mir eine Jahreskarte vom Hallenbad leisten. Vielleicht öfter mal einfach spontan mit dem ICE irgendwo hinfahren. Aber ich würde wie jetzt vieles davon auf die Seite legen, um mir irgendwann etwas Schönes leisten zu können. Oder eben für den Fall, dass was kaputt geht. (Und auch da besteht kein Unterschied zu jetzt…) Und vor allem würde ich teilen. (Was ich jetzt auch schon mache…)
Demzufolge würde sich echt nicht viel ändern… Ich kann also durchaus hinter meiner Aussage stehen:  Ich will das verdammte Geld gar nicht!
Ich will nur gut leben und das mache ich ja bereits. Für mich liegt einfach der wahre Luxus in meiner Bescheidenheit und ich weiß das, was ich habe, einfach zu schätzen. Ich lebe in einer schönen Wohnung und kann gut und gesund kochen und essen und mir gelegentlich etwas leisten. Das ist nicht selbstverständlich. Warum jedoch ist das so außergewöhnlich?

Ich verstehe zum Beispiel  nicht, warum jemand Lotto spielt oder sich selbst seine finanziellen Grenzen immer und immer wieder schmerzlich bewusst macht, sie übersteigt und seinen Fokus auf seine Wünsche richtet anstatt darauf was er/sei eben zur Verfügung hat.

Ich verstehe nicht, warum so viele über ihre eigentlichen Verhältnisse leben und sich immer mehr in Schulden stürzen, anstatt endlich mal zu verzichten bis man wieder stabil ist und wirklich Geld übrig hat. Und warum das normal sein soll. Auf Pump kaufen ist normal. Sich materielle Wünsche zu erfüllen und sein Glück darin zu suchen ist normal. Sich etwas Luxus zu gönnen ist normal…
Aber worin besteht der Sinn in dieser kurzen Bedürfnisbefriedigung? Was haben die Dinge denn noch für einen Wert? Ist es wirklich gut und richtig, so danach zu streben?
Und da wir nun mal im Kapitalismus leben: Was davon ist wirklich meine eigene Entscheidung und mein Wille und ab wann bin ich Sklave einer Ideologie, die mir quasi vorgibt so zu leben? Und wie lässt sich das überhaupt noch unterscheiden? Wo liegt die Grenze?

 

Dazu ein Zitat von Erich Fromm, welches aus einem Interview von 1980(!) stammt und für mich aktueller ist denn je:

„Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, dass man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muss für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Dass Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, dass Glück das “Billigste” ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen einer Gesellschaft, die sich für alles bezahlen lässt, noch nicht aufgegangen. Deshalb meinen sie, die Reichsten müssten auch die Glücklichsten sein.“
[Erich Fromm, 1980]

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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