Für mich können Veränderungen ja oft eine relativ große Herausforderung darstellen. Wenn Supermärkte abbrennen, Schuhe kaputt gehen, Dinge aus dem Sortiment genommen werden, Bushaltestellen auftauchen und wieder verschwinden, Pläne sich ändern, Menschen spontan anrufen und etwas von mir wollen,… bringt mich das schon mal an meine Grenzen. Das ist besonders dann der Fall, wenn noch ein paar andere Sachen dazu kommen. Auf Dauer entzieht mir das deutlich die Energie.
Natürlich gibt es auch Bereiche, die ich spontan verdammt gut hinbekomme und wo andere wiederum scheitern (z.B. Zugfahren… da finde ich innerhalb von Sekunden Alternativpläne, falls ich irgendwo stecken bleibe)
Außerdem weiß ich, dass meine heutige geringe Toleranz gegenüber Veränderungen nicht immer so gering war und dass die große böse Spontanität, die manchmal mit der Wucht einer Atombombe in mein Leben, einschlägt nicht immer so tragisch ist, wie ich es in dem Moment empfinde… aber jede Veränderung bedeutet nun mal Stress für mich und meine Strukturen…
Von außen ist wahrscheinlich für die meisten kaum nachvollziehbar, wo da eigentlich das Problem liegt und wie mich eine Kleinigkeit dazu bringen kann, das rationale Denken zu vergessen, und warum ich um diese Kleinigkeit dann auch noch so ein „Drama veranstalte“.
Da mein Umfeld natürlich von außen nicht sehen kann, was in mir vor geht, kann es schon mal zu folgenden Aktionen kommen:
Ich, 31, eigentlich voll im Leben stehend, sollte einen Brief an meinen Arzt in der Uniklinik einwerfen. Das muss ich 3-4 Mal im Jahr machen. Zu diesem Brief gehören immer eine von mir erstellte Medikamentenliste, eine Überweisung vom Hausarzt und natürlich auch ein Umschlag, die richtige Adresse und eine Briefmarke.
Das klingt jetzt vermutlich extrem banal, aber das alles rechtzeitig zustande zu bringen, bevor mir die Medis ausgehen, ist echt eine Leistung für einen Menschen mit AD(H)S!
Mir hilft bei der Organisation meine eigens erstellte Tabellenkalkulation, in der ich festhalte, wann mir welche Pillen ausgehen. Außerdem erinnert mich mein Kalender rechtzeitig daran. Die Tatsache, dass ich bei meinem Hausarzt die Überweisung online vorbestellen kann und mit meiner Telefonphobie nicht anrufen muss, ist zusätzlich eine große Motivation für mich! Den Briefumschlag hatte ich auch noch, die Adresse habe ich mir seit den letzten paar Suchaktionen jetzt auch mal rot markiert und die Briefmarken hatte ich eigentlich auch noch, … aber …
…das Porto hat sich ja zum Jahreswechsel von 80 auf 85 ct erhöht.
Das bedeutete also, dass mir 5ct fehlten…
Vom letzten Portowechesel hatte ich noch im Kopf, dass es diese Zusatzmarken nur als 10er-Bogen zu kaufen gibt. Ich hätte aber nur sechs Stück gebraucht, weil ich nur sechs 80er-Marken übrig hatte… Und schon steckte ich fest… denn wenn ich jetzt mehr kaufen würde, als ich brauche, hätte ich ja welche übrig, da es nicht aufgeht… und was sollte ich dann mit denen machen?!
Um mir dieses Ungleichgewicht zu ersparen, dachte ich kurz über den Automaten vor der Post nach, der ja das Wechselgeld in Briefmarken ausgibt. Ich hätte ja sechs neue 85er-Marken kaufen und die jeweils mit 90 ct bezahlen können, dann hätte ich das Wechselgeld als 5-ct-Marken zurückbekommen. Aber… wollte ich das wirklich sechs mal machen?! Eine Funktion, die es mir ermöglicht, den Wert der Marken selbst zu bestimmen, habe ich jedenfalls nicht gefunden und 5-ct-Marken wurden mir in der Auswahl nicht angezeigt… dafür aber welche mit 1 ct… (wer braucht denn bitte 1-ct-Briefmarken???)
(Edit: Eigentlich hätte ich 5 davon kaufen und aufkleben sollen… um der Post zu signalisieren, wie sinnlos diese Marke ist… das fiel mir in dem Moment natürlich nicht ein…)
Vielleicht war mein Kopf aber schon zu vernebelt, um den Automaten zu bedienen… jedenfalls versuchte ich mich im Geiste schon darauf einzustellen, doch in den sauren Apfel beißen und den blöden 10er-Bogen kaufen zu müssen…
Letzten Endes kapitulierte ich vor dem Automaten und ging in die Post, wo ich dann so krass darauf fixiert war, dass es keine andere Möglichkeit mehr außer dieser gab, dass folgender Dialog zustande kam:
Ich: Hallo, ich hätte gerne 5-ct-Briefmarken.
Postfrau: Wie viele?
Ich: 5 ct.
Postfrau: Ja, aber wie viele?
Ich: 5 ct?!
Postfrau: WIE VIELE?!?!
Bis ich verstanden habe, dass sie die Anzahl der Briefmarken meinte, weil es ja doch möglich war, einzelne Marken zu kaufen anstatt einen 10er-Bogen, verging etwas Zeit und wir wurden im Verlaufe unseres Wortwechsels beide immer verzweifelter, was im Nachhinein schon echt lustig ist…
Ich versuchte das dann aufzulösen, indem ich meinte, dass ich eben dachte, dass es die nur als 10er-Bogen gibt.
Postfrau (lächelnd, immer noch total freundlich): Ja, das kann ich Ihnen auch geben!
Ich: NEIN! Das ist perfekt so… ich will nur sechs!
Oh man… sie muss mich echt für irre gehalten und sich gefragt haben, wie doof man sein kann… dabei war ich das gar nicht. Mich hat es nur absolut aus dem Tritt gebracht, dass etwas anders verlief, als ich es mir gedacht habe.
Ich hoffe mal, das Porto bleibt erst mal so…