Von der höheren Macht im ganz kleinen Alltag…

Ich rege mich echt selten auf und bin eine Person, die für ihre Verhältnisse echt viel wegsteckt. Aber das folgende muss ich jetzt einfach loswerden, weil ich gerade so krass mit meinen Problemen konfrontiert werde, die ich ansonsten recht gut umschiffen kann…

In meinem Beitrag zu Matt Haigs Psychigramm hatte ich ja bereits bei den Dingen, die mich stressen, geschrieben, dass hier der einzige Laden, der morgens um 7 aufmacht, abgebrannt ist. Den Wert könnte ich jetzt locker noch steigern…

Warum?

Ich bin ja ein Mensch, der Routinen braucht und die Sicherheit, dass diverse Dinge einfach funktionieren und dass ich mich darauf verlassen kann, nicht immer spontan und auch noch in Stresssituationen umdenken zu müssen, weil mir das mit meinem ADS nicht immer leicht fällt. Alles, was automatisch abläuft und bereits eingespielt ist, ist somit für mich eine Erleichterung und je mehr „wegbricht“, desto schwieriger fällt mir der Alltag.
Was mir allerdings noch nach Jahren schwerfällt, ist das einkaufen. Je nach aktueller Stimmung (Stresslevel) und Motivation (eigener Antrieb/Wille, der nicht immer gegeben ist) habe ich gelegentlich Schweißausbrücke beim Gedanken daran, einen Supermarkt zu besuchen. Dem wirke ich entgegen, indem ich versuche eine der ersten im Laden zu sein und meine Angst somit zu „entkoppeln“ nach dem Motto: Wenn das funktioniert, ist alles gut.
Ich fühle mich einfach besser, wenn die anderen entweder wie ich, nicht da oder einfach noch nicht so wirklich wach sind. Das gibt mir auch die Sicherheit, womöglich alles von meiner Liste zu bekommen und die Ruhe, die ich brauche, falls das nicht der Fall sein sollte.

Wenn also ein Laden abbrennt, der zu einer für mich perfekten Zeit öffnet und in den ich morgens vor der Arbeit sogar noch einkaufen gehen kann in einer Zeit, in der ich gerade versuche, wieder im Alltag klar zu kommen, dann ist das für mich eine unglaubliche zusätzliche Belastung, die sich vermutlich kein normaler Mensch vorstellen kann. Natürlich kann dafür keiner was, außer vielleicht die Kids, die nicht mit Feuer umgehen können und die in der Wohnung drüber gewohnt haben bzw. eigentlich die Eltern, welche die Erziehung dieser wohl aufgegeben haben…
Deshalb dachte ich mir: Okay, shit happens, plane ich halt (wieder) mein Leben um! Muss ich halt anders gucken, wo und wie ich einkaufen gehe. Muss ich mich halt mehr bewegen. Muss ich halt früher im Homeoffice anfangen, lernen mich zwischendurch loszureißen und einkaufen gehen. Geht alles schon irgendwie… zum Glück gibt es ja den gleichen Laden nochmal ein Kaff weiter und mit der Busfahrt hin und zurück brauche ich nicht länger als wenn ich in die Stadt und zurück laufen würde.

Der Plan sah für mich dann so aus, dass ich entweder freitags oder samstags um 0645 ein paar Minuten zur Haltestelle laufen, den Bus um 0654 nehmen, zwei Minuten fahren, aussteigen, ein bis zwei Minuten laufen und um kurz vor Ladenöffnung mit dem Einkaufswagen davor stehen würde. Ich hatte dann gechillt Zeit, bis der Bus um 0724 wieder zurück fuhr. Alles perfekt getimt, alles easy. Hat bisher super funktioniert!

Bis ich heute vor einem komplett neuen Busfahrplan stand, der nicht nur meinen Bus am Samstag gestrichen hat, sondern auch den folgenden (den ich auch noch bereit war zu nehmen, weil der zurück später gefahren ist und ich ein paar Minuten länger Zeit zum Einkaufen in einem etwas volleren Laden hatte). Der erste am Samstag fährt jetzt also um 0806 Uhr. Na gut, die zehn Minuten Unterschied schaffe ich auch noch… Allerdings fährt der erste Bus zurück erst wieder um 0848 Uhr, was eindeutig zu spät für mich ist.  In der Zeit kann ich auch die Straße entlang nach Hause laufen, was jetzt mit Einkäufen semitoll wäre…

Der einzige Bus, den ich jetzt also noch nehmen kann, um diesen Laden zu einer annähernd für mich perfekten Zeit zu erreichen ohne über zwei Kilometer laufen zu müssen, wäre einer unter der Woche um 0714 Uhr. Da fährt der Bus zurück nämlich um 0738, was so ein Mittelding ist… aber das wäre halt unter der Woche… und der fährt dann nicht in den Schulferien… und…

Fuck.

Was könnte ich jetzt also tun?

Ich kann jemandem die Schuld geben. (Scheiß Kinder!! Scheiß Stadt!! Scheiß Saftladen hier!!  Scheißverein!!!)

Ich kann mich aufregen, dass sich eine höhere Macht gegen mich verschworen hat, um mir den Alltag zur Hölle zu machen.

Ich kann es als Zeichen dafür sehen, dass ich dringend mehr an meinen Zwangsstörungen arbeiten sollte…

Ich kann meine Busfahrkarte in die Tonne kicken, mich unabhängig machen und einfach stur laufen und leiden.

Ich kann später einkaufen gehen und mich meiner Angst stellen… was ich aber definitiv nicht schaffe… (Ich kenne mich…: Ich würde bis zu dem Zeitpunkt Panik schieben, an dem ich losgehen müsste, der Tag wäre komplett verloren und ich würde es dennoch bis auf den letzten Drücker aufschieben und dann auch noch den Bus verpassen…) Soweit bin ich einfach nicht…

Ich kann jemanden fragen, ob er mit mir in diesen Laden früh morgens um sieben einkaufen geht und mich fährt oder eben später, was allerdings zwei Dinge wären, mit denen ich immense Probleme habe und was für mich daher nicht infrage kommt.

Ich kann auf alles verzichten, was ich nur in diesem Laden bekomme, und mein Leben weiterhin um meine Vermeidungstaktiken herum gestalten.

Ich kann lernen, mich im Homeoffice von der Arbeit loszureißen und den Bus um 0715 Uhr nehmen, was ich wohl auch machen werde und wovon ich wohl erst mal am meisten habe.

Ja… man kann so was auch zum Anlass nehmen, an sich zu arbeiten…

…wenn man es denn kann…

Aber man, scheiße ist das alles trotzdem! ; )

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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