( )eine Angst.

Sie war tricky, seine Angst. Suchte sich immer wieder neue Wege, neue Muster. Sie änderte ihre Taktik, tänzelte erneut zuerst spielerisch um ihn herum und schlug dann wieder mit voller Wucht aus dem Hinterhalt zu. Anschließend sah sie lachend zu ihm herüber, wie er sich um sich selbst drehte, schließlich verurteilte und letzten Endes kraft- und hilflos zu Boden ging.
Dieses Mobbing war der Angst eine große Freude, denn es machte ihn labiler und verletzlicher, als er sich ohnehin schon sah. Wie ein Sadist suchte sich also dieses große schwarze selbstzerstörerische Monster seine wundesten Punkte und traf. Jedes Mal. Voll ins Schwarze. Sie lähmte ihn bis ins Mark und erfreute sich an jedem neuen Gedankenkreislauf, den sie produzierte. Und es war so einfach, da er so ein leichtes Opfer war.

Sie redete ihm seine gefühlte Wertlosigkeit ein. Immer wieder flüsterte sie ihm leise säuselnd in sein Ohr und setzte sich nach und nach wie ein Parasit fest, wurde größer und weitete sich aus. Von ihm unbemerkt begann sie ihn zu kontrollieren und seine Gedanken in die gewohnten negativen Bahnen zu lenken.
Für ihn geschah das alles unter dem Deckmantel der Rationalität, welcher zu seiner Realität wurde. Ja, es war alles durchdacht und kaum zu widerlegen. Zumindest nicht für ihn. Und so hüllte dieser Mantel mit seinem schönen anziehenden Muster ihn über Jahre in eine Behaglichkeit, die ihm immer vertrauter wurde. Das Muster war nämlich, was er kannte. Das gab ihm Geborgenheit und Sicherheit, weil ihm eine Realität aufgezeigt wurde, die seinem jahrelang gelebten Zustand entsprach. Irgendetwas davon verlassen? Da raus gehen und sich schutzlos der Welt preisgeben und womöglich untergehen? Unmöglich! Viel zu gefährlich! Das will durchdacht sein! Das geht nicht so einfach!

Er drehte und drehte sich also im Kreis seiner eigenen Gedanken, wieder und wieder. Doch anstatt sich zu wehren, nahm er sie an, die Angst. Gab vor zu kämpfen, doch flüchtete sich umso tiefer in sie und seine Muster. Hatte Angst vor der Bestätigung seiner im Kopf stattfindenden und für ihn logischen negativen Szenarien, wenn er handeln würde. Angst zu scheitern, worauf er seinen kompletten Fokus richtete.
Daher erkannte er nicht, dass seine Angst mit ihm nur aus einem einzigen Grund spielte: Sie war schwach und stellte sich über ihn, weil sie selbst eine scheiß Angst davor hatte, dass es ihm gut gehen könnte und sie dann überflüssig sein könnte. Denn auch das war durchaus möglich und gefährlich für das Fortbestehen der Depression. Um das zu vermeiden sabotierte sie ihn anschließend umso geschickter. Denn es durfte nicht passieren, dass er Erfolg hatte!

So lebte er also mit der Angst, die ihn klein hielt und sich tonnenschwer nach und nach auf seine Seele legte. Sie umhüllte. Ihm die Kehle zuschnürte und voller Panik die Luft aus seinen Lungen presste. Warum sie das tat? Sie wollte ihn leiden sehen. Sterben sehen. Sie wollte ihm alle Gefühle nehmen und zerstören, was sich auch nur ein bisschen positiv entwickeln könnte. Denn das passte ja nicht. Das durfte nicht sein!
Und so ergoss sie sich in der absoluten Schwärze des Nichts auch über sein Herz. Sie war für ihn so real, dass sie ihn im Grunde blind für Liebe machte. Blind für all das Schöne und Positive, das parallel zur Melancholie und Schwere des menschlichen Daseins existieren konnte und nun wieder in sein Leben getreten war in der Gestalt einer Frau, die verstand. Ihn so sehr verstand und mitfühlte, dass es sie mitriss und sie regelrecht mitlitt bis an ihre eigenen Grenzen. Auch ihr Angstmuster klopfte wieder und ließ ihre Realität verschwimmen und brachte sie an den Rand ihrer Kraft. Doch dieser Rand war ihr nur zu bekannt… es hatte Jahre gedauert, sich davon zu lösen, zu handeln und das zuzulassen, was sie sich immer gewünscht hatte: leben.

 

Die Frau trifft also erneut auf ihre Dämonen, erneut auf eine düstere Parallelwelt. Doch sie weiß heute, dass beides existieren kann: Alles und nichts. Und sie weiß aus eigener Erfahrung, dass es eine Entscheidung ist, nicht mehr leiden zu wollen.
Immer.
In jeder Sekunde.

Sie zu treffen ist kann auch heute noch unglaublich viel Kraft kosten. Aber es wird besser. Sie jedoch nicht mehr zu treffen bedeutet zwangsläufig den Tod.
Immer.
Irgendwann.

Die Angst ist geduldig… aber gnadenlos.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

«      |      »

Schreibe einen Kommentar