Das Klimathema und der Kapitalismus

In den letzten Monaten habe ich mich ja verstärkt mit diversen Umwelt- und Energiesparthemen im Zusammenhang mit dem Klimawandel beschäftigt, ein paar Bücher dazu gelesen, einige Beiträge angehört, mich umgesehen und mein eigenes Verhalten (noch mehr) hinterfragt. Ich habe besonders in den vergangenen Tagen viel dazu geschrieben und versucht, da einen roten Faden reinzubringen, aber es ist mir nicht wirklich gelungen.

Eigentlich wollte ich nochmal ausführlicher über Energiesparen und einen ressourcenschonenden Umgang im Alltag bloggen, aber ich habe gemerkt, dass das ganze Klimathema einfach zu umfassend und zu komplex ist. Mit ein paar Tipps ist es einfach nicht getan, wenn ich nicht vorher die ganzen Zusammenhänge aufschlüssele. Zumindest ein bisschen… aber „ein bisschen“? Geht das überhaupt?! Wo soll ich denn da bitte anfangen?!

Mir liegt das Klimathema mehr denn je sehr am Herzen, aber ich will kein Moralapostel sein oder mich als „tolles Vorbild“ hinstellen. Auch wenn ich denke, dass ich das ein oder andere schon ganz gut mache, bin ich selbst alles andere als perfekt. Ich bin auch keine radikale Revolutionärin und mein geringer Beitrag, den ich durch mein Handeln bzw. durch das Unterlassen bestimmter Handlungen zum Klimaschutz leiste – indem ich z.B. meinen Fleischkonsum reduziere, nicht Auto fahre (und mich auch nicht rumkutschieren lasse außer von Bus und Bahn), Onlinebestellungen und allgemein Konsum so gut es eben geht vermeide und auf meinen Wasser- und Stromverbrauch achte – ist nichts im Vergleich zum großen Ganzen, an dem sich was ändern muss: Das gesamte (Wirtschafts)system!

Wer mich kennt und weiß, wie ich lebe und wie meine Einstellung zu Geld ist, der weiß auch, dass ich kein Fan von diesem Wirtschaftssystem bin, das zum größten Teil ausbeutet und tötet, um zu überleben. Ja, das klingt radikal und krass, aber ich sehe es so, auch wenn der Tod nicht vor meiner Haustür stattfindet.
Aber ich kann es eben nicht mehr hören, dass der Kapitalismus ja so viel Gutes gebracht haben soll, der Mensch von Natur aus gierig ist und dass wir NICHTS ändern können, weil dann ALLES zusammenbricht und die fucking Welt untergeht. Dass sie schon längst dabei ist, unterzugehen, ist wohl noch nicht offensichtlich genug. Dass wir konsumieren, ist wichtiger. Dass das Teil des Problems ist, wird nicht erwähnt. Und das macht mich einfach wütend! Nicht nur auf die Tatsache/Aussage, dass „die Welt nun mal so funktioniert“ oder auf meine Unfähigkeit, in solchen Momenten etwas dazu zu sagen… nein… vor allem bin ich wütend, weil ich das Gefühl habe, dass ich da etwas dagegenhalten und beweisen müsste, dass auch ein anderes System funktionieren könnte. Ich will das nämlich gar nicht. Ich will niemanden „überzeugen“ müssen und andere als meine „Gegner“ sehen.

Ich gebe zu, das ist nicht immer so leicht, vor allem, weil ich mich mit meinen Ansichten oft alleine fühle. Ich weiß aber auch, dass ich bei diesem Thema sehr sensibel reagiere und auch leicht fanatisch werden kann.
In meiner kleinen Bubble suche ich mir auch die Fakten, die meine These „Kapitalismus und Konsum haben den Klimawandel am meisten vorangetrieben, aber dass alles so bleibt, wie es ist, ist wichtiger, als der Planet“ stützt. Und sowohl Bücher von Finanzheinis, die auf die Wirtschaft und das ewige Wachstum ein Loblied singen, als auch irgendwelche Werbeanzeigen im Internet von Finanzcoaches („tu nix und sieh deinem Geld beim Wachsen zu!“) triggern mich extrem negativ. Genauso wie die Banken, die natürlich daran interessiert sind, dass das Geld fließt und die Menschen sich verschulden. Einem Menschen, der offensichtlich nicht mit Geld umgehen kann, einen Kredit aufzuschwatzen, um einen Kredit von einem Kredit abzulösen und ihm eine „Finanzreserve“ in Aussicht stellen, die ihn einen weiteren Kredit abschließen lässt? Für mich klingt das absolut krank, ist aber deren daily business.
Genauso negativ triggern mich aber auch Aussagen wie „Der Mensch ist nun mal so und will immer mehr. Er ist gierig und bedürfnisorientiert. Ein Hedonist.“ Ja, es mag sein, dass diese Neigungen bei einigen sehr stark ausgeprägt sein können. Dass jeder von uns etwas davon in sich trägt, sehe ich auch absolut ein. Aber ich sehe nicht ein, dass mit dieser menschlichen Schwäche Geld gemacht und der Planet ausgebeutet wird, um Jobs zu schaffen/am Laufen zu halten, die Geld ausschütten, damit der Konsumfluss kreislauffähig und das System so, wie es ist, erhalten bleibt. Ich sehe nicht ein, dass es so sein muss, dass der Mensch manipuliert wird, damit alles so bleibt wie es ist. Ich sehe unseren jetzigen Weg nicht als einzig möglichen.
Und klar, auch in mir steckt ein Konsument. Aber ich bin mir dessen bewusst und strebe danach, den Besitz nicht zum Hauptbestandteil meines Lebens werden zu lassen. So suche ich mein Glück auch nicht im Anhäufen von Kram. Ich weiß einfach, dass Besitz und Geld nicht glücklich machen; sowohl aus eigener Erfahrung, als auch durch genügend Negativbeispiele in meinem Umfeld.
Ja, es lässt einen ruhiger schlafen und eröffnet mehr Möglichkeiten. Aber es kann uns auch von uns selbst entfernen bis zum absoluten Wahnsinn.
Dennoch glaube ich daran, dass das nicht die alleinige Natur des Menschen sein kann! In jedem von uns steckt auch das Böse und sogar ein Mörder, wenn die Umstände sich sehr, sehr ungünstig entwickeln. Und der Kapitalismus hat sich in meinen Augen sehr, sehr ungünstig entwickelt… und indirekt sind wir alle zu Mördern geworden…

Früher war es auch geil, Hexen zu verbrennen und jene zu ermorden, die gewisse Dinge infrage stellen, anders aussehen, anders denken. Heute ist das zumindest in den meisten Ländern unvorstellbar. Dunkle Vergangenheit.
Ich glaube, ich würde mir einfach wünschen in einer Welt zu leben, in der es heißt: „Früher war es geil zu konsumieren und uns darüber zu definieren und das über alles zu stellen. Dafür wären wir alle fast draufgegangen. Gut, dass wir heute klüger sind!“

 

Nun, das war nicht ganz das, über das ich ursprünglich bloggen wollte. Aber da hatte ich auch noch nicht das Buch „Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen – Was wir gewinnen, wenn wir weniger konsumieren“ von James B. MacKinnon gelesen, das mir so sehr aus der Seele gesprochen und viele meiner bisher nie so konkret ausformulierten Annahmen bestätigt hat. Es hat sich wie ein Stückchen Heimat gelesen in dieser Welt, in der ich mich oft einsam fühle…
Zurzeit lese ich „Wie wollen wir leben? Wege aus dem Wachstumswahn“ von Tim Jackson, das mich ebenso erwärmt.
Das Buch, das ich danach lesen werde, ist dann etwas härtere Kost. „Herrschaft der Dinge – Die Geschichte des Konsums vom 15. Jahrhundert bis heute“ von Frank Trentmann hat über 1100 Seiten, aber ich will einfach besser verstehen, warum alles so ist wie es ist… Ich weiß, dass es mich nicht in einem Gespräch mit einem radikal überzeugten Banker weiterbringen wird, aber es wird gewiss etwas anderes mit mir machen…


Weiterführende Links:

Buchkritik zum Buch „Der Tag an dem wir aufhören zu shoppen“ von MacKinnon auf Spektrum.de 

Buchkritik zum Buch „Wie wollen wir leben?“ von Tim Jackson auf Spektrum.de

Beitrag zum Buch „Herrschaft der Dinge“ von Frank Trentmann auf deutschlandfunkkultur.de

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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