Montag: Saalfeld

Am Montag stellte ich mich gleich der schwierigsten Aufgabe des ganzen Urlaubs: Ich machte mich auf die Suche nach meinen Wurzeln, die nämlich in Thüringen liegen. Ich selbst bin durch und durch Schwarzwälderin, aber mein Urgroßvater, sowie die Generationen vor ihm stammten alle aus dieser Ecke. Und ich wusste, dass dort auch noch Verwandte von mir leben. Allerdings hatte ich nie Kontakt zu ihnen außer auf ein-zwei Beerdigungen, von denen die letzte auch schon eine ganze Weile her ist…
Wie bin ich also vorgegangen? Ich habe einfach ganz doof mal nach meinem Nachnamen und dem Ort gesucht und bin auf einen Optiker gestoßen. Meine Mutter meinte dann, dass einer in der Familie wirklich Optiker sei und so hatte ich mein erstes Ziel.

In Saalfeld angekommen war ich zunächst sehr überrascht von dem Altersdurchschnitt. Ich muss zugeben, noch nie in so einer überalternden Stadt gewesen zu sein. Vielleicht war es auch Zufall, dass gerade keine jüngeren Menschen als 60 unterwegs waren, aber die Tatsache, dass alleine in der ersten Straße, die ich entlanglief, drei Bestatter waren, unterstrich meine Vermutung, dass die Stadt ausstarb. Es passt auch dazu, dass wohl die letzte meines Namens bin. Die anderen wenigen Frauen in meiner Familie hatten längst einen anderen Namen, ebenso wie ihre Kinder.

Ich orientierte mich mithilfe meines Smartphones und ich muss zugeben, dass es in diesem Fall schon sehr praktisch war. Es half mir auch, möglichst schnell Änderungen bei meinen Zugverbindungen zu checken.
Weit hatte ich es jedenfalls nicht bis zu dem Optiker und er war auch leicht zu finden. Doch ich stellte fest, dass dort nun eine Optikerin war, die zudem auch noch einen anderen Namen hatte. Auf Google Maps stand davon nichts und ich wurde nun doch etwas nervös. Damit hatte ich nicht gerechnet. Angeblich gab es aber noch zwei Töchter. Vielleicht hatte eine von den beiden ja den Laden übernommen, geheiratet und ihren Namen mitsamt dem Firmennamen geändert? Eine Zeitlang schlich ich umher, legte mir einen Text zurecht und traute mich letzten Endes dann rein. Ich war mit meinem verrückten Plan immerhin bis hierhin gekommen und es wäre albern, nun einfach wieder wegzufahren. Im Laden versuchte ich der Frau zu erklären, wer ich war und warum ich hier war. Die Mine der Frau wechselte von Skepsis zu Bahnhof und während ihre Augen immer größer wurden, verhaspelte ich mich und fragte dann so etwas wie: „Ähm, sind wir verwandt?“
Dann fand auch sie ihre Sprache wieder: „Neeeeein, aber die Familie D. wohnt auch in diesem Haus.“ Anschließend ging sie extra mit mir vor die Tür und zeigte mir den Eingang, die Klingelschilder und meinte, dass dort einer wohnt mit seiner Frau und die Tochter wohnt darüber, heißt aber anders.

Ich bedankte mich mehrmals bei der vollkommen fremden Frau und dachte mir: Okaaaay… du klingelst da jetzt einfach, sagst, wer du bist und hoffst, dass die Person dich in irgendeinen Zusammenhang bringen kann. Und ja, das tat ich dann auch. „Halloooo, ich bin Lui D. aus V. Wir sind verwandt und ich bin spontan in Saalfeld!“

Im Nachhinein ist das schon sehr strange von mir gewesen und ich weiß nicht, ob ich so begeistert gewesen wäre, wenn an meiner Haustür eine entfernte Verwandte geklingelt hätte, aber der Mann ließ mich sofort rein. Unser Verwandtheitsgrad ist etwas sehr weit. Er ist von meinem Urgroßonkel väterlicherseits der Enkel. Und er hat sich tatsächlich total gefreut mich zu sehen, konnte sich aber auch nur dunkel an mich erinnern. Ich mich leider gar nicht so wirklich an ihn.
Ich konnte ihm die ein oder andere Frage zur Familiengeschichte stellen und auch einer weiteren Verwandten, die wir ebenso spontan angerufen haben. Sie konnte sich total an mich erinnern und hat ein unglaubliches Wissen zur Familiengeschichte. Der besagte Augenoptiker war übrigens der Bruder des Mannes und lebt leider nicht mehr. Das Haus, in dem wir uns befanden und in dem auch die Augenoptikerin drin ist, wurde gebaut von ihrem Großvater, also meinem Urgroßonkel. Mein Ururgroßvater hatte übrigens zwölf Kinder… angeblich sollen es sogar 13 gewesen sein aber über den 13. spricht keiner, weil da irgendetwas mit der Saalfelder Kasse vorgefallen sein soll und er abgeschoben wurde.
Ich habe daraufhin online etwas weiter recherchiert und wirklich viel Stammbaumrechrche betrieben, aber das ist nochmal ein extra Eintrag wert.

Nachdem ich den Vormittag jedenfalls bei meinem entfernten Verwandten verbracht hatte, bin ich zu dem anderen Ort, den ich mir ausgesucht hatte bzw. ergab der sich. Ich wollte nämlich unbedingt mal in den Park sehen und bin dann zur Ruine.

 

Danach machte ich nicht mehr viel und reiste beflügelt von diesem Erlebnis zurück nach Erfurt, wo ich mir etwas Innenstadt und ein Eis gönnte, das zwar sehr teuer, aber auch sehr sehr lecker war. So lecker, dass eine Wespe auch davon kosten wollte und partout nicht von meiner Seite gewichen ist. Ich wollte aber nicht weg von meinem Platz, weil der im Schatten war und ich von dort aus einem Klavierspieler lauschen konnte, der mit seinem fahrbaren Instrument in der Nähe spielte. Am Ende konnte ich die Wespe mit etwas Eis auf meinen Löffel lotsen und habe diesen vorsichtig neben mich legen können. Sie hat mir dafür meine Waffel gelassen. Win-Win. : )

Journey 2023

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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