Das Überleben meiner Depression

Ich kann rückblickend nicht genau sagen, wie das alles anfing, denn es fing früher an, als ich noch zu Anfang dachte. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr kommt mir mein ganzes Leben wie eine gewaltige Depression voller Traurigkeit vor. Es hat sich langsam in meine Seele geschlichen und ist zu einem Teil von mir geworden.
So kommt es, dass ich mich heute zwar an Kleinigkeiten erfreuen kann, aber meine Grundstimmung negativ bleibt und sich einfach festgesetzt hat, wie jahrzehnte lang plattgedrückter Kaugummi auf nacktem Asphalt. Und das bin ich letztendlich auch. Nackt. Nackt und erdrückt von einem vor sich hinmodernden Kaugummi, der mir mit rauchiger Lungenkrebsstimme droht: „Dir muss es schlecht gehen, es war immer so, ist so und wird sich nie ändern!“
Für mich klingen seine hervorgehusteten Aussagen wahr. Wahrscheinlich habe ich wirklich verdient, dass es mir schlecht gehen soll…? Seine Argumente sind immer so treffend und ich weiß einfach nicht (mehr?), wie man nicht nur das schlechte sehen kann. Das schlechte durchquert doch mein Leben von Anfang bis zum Ende?!
Mein Arbeitskollege MR hat das alles zuerst in Worte gefasst und es als eine Art „Motto“ beschrieben,: „Mir darf’s nicht gut gehen“. Ein Beispiel: Ich komme (mit meiner Ungeschicklichkeit) aus Versehen an eine Lampe im Studio, sodass sie nicht mehr am angestammten Platz steht, was eine Todsünde sein kann, da es bei so was auf jeden Millimeter ankommt. Der Kaugummi sagt: „Ha, siehste! Du bist total unfähig und ungeeignet! Der Job passt doch gar nicht zu dir!“
Ich kann sehr gut mit MR über meine Psyche reden und er liest das hier ja auch. Sehen tut er vieles anders als ich, aber das mag ich, denn er unterstützt mich in meinem Motto nicht und fragt lieber mit seinem schwarzen Humor: „Na, heute schon versagt?“

Ich selbst gebe aber nach wie vor viel, viiiiieeeel zu oft dem Kaugummi Recht, obwohl ich doch weiß, dass er nicht immer recht haben kann. Doch diese Einstellung zu ändern ist verdammt schwierig. Denn habe ich Erfolg, war es Zufall. Habe ich was falsch gemacht, bin ICH die Versagerin auf ganzer Linie. Und was der Kaugummi mir ins Ohr flüstert, klingt doch alles so wahr…ach…zu wahr…

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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8 Kommentare        

Kenne ich, nur ist es bei mir kein Kaugummi, sondern mein virtuelles, freies Ich. Aber deckt sich, mit den gefühlen.

Unser Problem ist, das wir gut sind, es uns nicht eingestehen. Das wir gemacht sind fürs Leben, aber immer daran zweifeln. Das wir viel, viel mehr können, als wir uns eingestehen. Falsche Bescheidenheit en Masse. Aber dafür leben wir…

Schön – und vor allem: richtig! – formuliert!!

Glückliche Melancholie

Ich finde es toll das du auf der Arbeit jemanden hast mit dem du darüber reden kannst.Kommt ja eher selten vor.Ich verstehe das du dich wie eine Versagerin fühlst,ich kenne das ja selbst.Aber das ist eine unnötige und sinnlose Abstemplung von dir selbst.Soetwas brauchst du nicht.Wenn du willst kratze ich den Kaugummi vom Asphalt ab und shcmeiße ihn für dich in den Müll.Halt dich auf den Beinen,dein Blog ist der hammer.

Ja, dass das eine Seltenheit ist, weiß ich…
Und danke, wenn du ihn abbekommst?! Ich kratze ja erst an der Oberfläche mit meiner Therapie. : /

Und ebenso bedanke ich mich für das Lob. Das kann ich nur zurück geben! Ich mag deine Texte! <3

hallo, habe gerade deinen Artikel gelesen. Ich glaube, man kann gar nicht ansatzweise richtig nachvollziehen, wie es dir wirklich geht. Denn eine Depression zu haben, ist wirklich schlimm. Du musst wirklich viel und hart an dir ttrainieren, um deine negativen Gedanken um zu wandeln. Auch ich bin mal durch so ein ähnliches Tal gegangen, bin von einem Fettnäpchen ins nächste. Aber es gibt einige Techniken, wiwe man es schaffen kann und zwar auf Dauer. Es ist kein Zufall, wenn du mal glücklich bist sondern die ersten Ansätze auf dem Weg dahin. Das erkläre ich auch in meinen Beratungen immer.

Ja, da hast du wohl recht. Keiner kann einem in den Kopf blicken und das fühlen, was man selbst fühlt…
Und das Trainieren versuche ich ja, aber das Dunkle kommt immer wieder und ich frage mich so oft, warum der Kampf dagegen nur so hart ist…zu welchem Preis?

liebe Journey, ich weiss dass du einen ganz starken Willen hast. Ich weiss, dass du es schaffst. Wenn du magst, kannst du mir ja auch gerne mal per email schreiben, vielleicht kann ich dir ein paar Tipps noch geben. Zumindest kann ich es versuchen.
Halte durch, es lohnt sich immer für etwas zu kämpfen, denn merke dir: es gibt immer einen Weg!!

Liebe Angela,
ich danke dir für deinen lieben Kommentar! Ich wünschte nur, das alles wäre auch so einfach…
Wege sind nicht das Problem. Eher ist es das Ziel, das mich immer wieder zweifeln lässt…denn was wird geschehen, wenn ich es erreicht habe? Momentan sehe ich es so, dass es nichts gibt, das mich glücklich machen könnte. Der Schatten meiner Psyche liegt einfach über so vielem…

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