Ich bin ja seit Mittwoch wieder zu Hause, kam aber nicht wirklich zum Schreiben. Das liegt vielleicht daran, dass ich zwei Nächte durchgemacht habe und meine Motivation diesbezüglich etwas unten ist. Außerdem ist einfach zu viel in der letzten Woche passiert und jeden Tag kommt was Neues dazu. Weniger wird es durch das Aufschieben allerdings nicht, also fange ich nun mal an.
Zusammenfassend kann man sagen, dass mir der Aufenthalt in der Klinik enorm viel gebracht hat. Mein Weg ist mir klarer geworden, ich bin nun auf dem besten Wege ein wirklich eigenständiger Mensch zu werden und ich habe vieles von und über Männer gelernt, weil ich eben auch viel mit denen zu tun hatte. Von Fr. Croft habe ich ebenso eine Menge gelernt, was sie vermutlich gar nicht so wirklich weiß. Das muss ich ihr noch mal schreiben, sagen, aufs Auge drücken…
Außerdem ist meine Wahrnehmung und mein Bild von mir sehr anders geworden. Ich bin noch verrückter in dieser Hinsicht geworden, als ich es bereits war, was aber keineswegs zu denken geben muss. Verrückt ist in dem Fall wirklich positiv! Es bedeutet ein übergesundes Selbstbewusstsein, was mir meine Umgebung in der Klinik auch bestätigt hat. Ich habe es auch wirklich ausgebebt durch meine Kriegsbemalung im Gesicht, meine durchgeknallten Outfits, mein Kind in mir und durch das Zugehen auf mir fremde Patienten, die irgendwo alleine saßen und für die ich wohl ein Phänomen war. Viele in der Klinik hatten nämlich Schwierigkeiten mit dem Zugehen auf andere Menschen, mit dem richtigen Kommunizieren, Dinge ansprechen und klären. Ich habe das aber auch ein Stück weit…besonders wenn es darum geht bei anderen Hilfe einzufordern. Damit habe ich große Probleme…
Ich war nun insgesamt zwei Monate in dieser Klinik. Zwei Monate voller Abenteuer, Schicksal und geregelten Tagesabläufen (was mir irgendwie fehlen wird, aber ich arbeite daran! ). Außerdem habe ich in diesen zwei Monaten so viele wunderbare Menschen kennen gelernt, von denen ich keinen je vergessen will!
Da wäre zum einen Fr. Croft, die mich gebissen hat, mit der ich auf Geisterhaus-Partys war und andauernd irgendwelche Kerle spontan auf wundersame Art und Weise kennen gelernt habe. Sie ist in manchen Dingen genau so verrückt wie ich. Wir sind uns also ähnlich und doch nicht. Ich habe es zumindest geschafft für den Bruchteil einer Sekunde ihre Maske zu durchbohren und ich hoffe, dass ich auch dazu beigetragen habe, dass sie nun mit ihrer Therapeutin mehr über ihre Probleme redet anstatt so zu tun, als wäre alles okay, um hinterher nach 6 Wochen festzustellen, dass sich nichts verändert hat.
Außerdem gab es da noch Dr. Hyde, die multiple Persönlichkeit auf den ich immer gerne aufgepasst habe (oder er auf mich, wenn ich eben mal schnell mitten in der Nacht sämtliche Lichtquellen im Geisterhaus vernichte…). Er ist der, der durch die Klinik im Sailor Moon Shirt geht oder mit weißem Mantel durch die Gänge geistert. Er ist einfach nur cool, lustig, tätowiert und versteht wirklich Frauen. Seine Art fehlt mir irgendwie…
Und Dominik fehlt mir auch…mit ihm kam ich echt super klar, auch wenn man ihn wirklich keine zwei Sekunden aus den Augen lassen durfte! Ich konnte mit ihm über sehr vieles reden und seine Art hatte etwas beruhigendes, ehrliches, auch wenn er immer einen auf geheimnisvoll mit seinen „Medikamenten“ gemacht hat und ständig total unauffällig gefragt hat, ob ich denn etwas gesehen hätte. Er hatte wohl auch extremes Vertrauen von mir und hat mir so einiges aus seiner Dealer-Vergangenheit erzählt…
Dann werden mir noch alle Menschen fehlen, die in den letzten zwei Monaten mit mir am Tisch 35 saßen…es wurde nämlich nie langweilig beim Warten aufs Essen, das wir immer zum Schluss bekommen haben, während die ersten schon lange gegessen hatten und bereits den Speisesaal verlassen durften. Das war immer so fies…und ich habe meistens meinen Nachtisch beim Warten auf den Hauptgang gegessen…oder vier Suppen. Ich vermisse auch irgendwie die abendliche Tasse Zucker mit Tee bzw. den schockierten Gesichtsausdruck meiner Tischgenossen, wenn ich mal wieder die halbe Dose Zucker in den Tee geleert habe, weil der immer so furchtbar nach Tee geschmeckt hat.
Der Tisch war einfach immer toll, egal wer da saß… : )
Aber wie geht es nun weiter?
Mit meiner Therapeutin habe ich ausgearbeitet was mir gut tut und was nicht und mal aufgeschrieben woran ich merke, dass es stimmungsmäßig wieder bergab geht…
▬ Hektik, Stress, Überforderung
▬ Ich „muss“ alles sofort, auf der Stelle erledigen (Druck)
▬ Die Geduld geht aus
▬ Ich fange mehrere Sachen auf einmal an und verliere den Überblick für das wichtige
▬ Ich komme nicht mehr zur Ruhe
▬ Die Erfolge bleiben aus (=> Selbstwert sinkt)
▬ Ich sehe nur noch das Negative
▬ Ich resigniere und nehme letztendlich nichts mehr in die Hand
▬ Ich ziehe mich zurück und habe keine Zeit mehr für andere
Und was tut mir also gut?
○ Ein strukturierter Tagesablauf (also mein Terminkalender, wenn ich ihn denn richtig führe)
○ Bewegung!
○ Kindische Sachen (schaukeln, Seifenblasen,…siehe hier)
○ Mit Leuten etwas unternehmen
○ Musik hören (und singen)
○ Schreiben natürlich
○ Lesen
○ Meine Stammkneipe
○ Kleidungsstil ausleben (Ist zwar oberflächlich, aber es stimmt wirklich…ich fühle mich dadurch besser. Das habe ich aber vorher schon gemerkt…wisst ihr noch? Das Experiment, bei dem ich meinen Stil in einen Karton verbannt habe, um mehr Zeit zum Lernen zu haben?)
○ Eins nach dem anderen erledigen (Hilfe hierzu: eine To-Do-Liste/ein Plan, Prioritäten setzen)
○ GEDULD!!! (habe ich nämlich nicht immer)
○ Einsehen, dass Umwege okay sind und ich einen Plan B(erufsleben) haben darf, falls A(bitur) (noch) nicht funktioniert.
Was ich besonders in der Klinik gemerkt habe ist, dass mir der Anfang von etwas extrem schwer fällt. Und das komische ist wirklich, dass der nicht mal etwas Schlimmes ist. Es ist ja nicht so, dass ich jedes Mal merke, dass der Anfang zum Scheitern verurteilt ist und dass sowieso nichts Gutes dabei herauskommt…im Gegenteil! Also stellt sich mir da wirklich die Frage, woher diese Einstellung zum Anfangen von etwas kommt…ich hatte das bisher überall. Lernen fiel mir dadurch schwer, Termine wahrnehmen ebenfalls…und ich weiß nicht mal, woher es kommt und warum mein Kopf einfach nicht merkt, dass ein Anfang kein Weltuntergang ist…
Der nächste Anfang wird sein: ein FSJ suchen! Und ich merke wieder mal, wie schwer es mir fällt, einfach mal damit anzufangen…aber ich will mich darum kümmern…HEUTE! >__<
Hey, das klingt, als hättest du echt sehr viele wichtige Einsichten erlangt:)
Das ist voll gut …
das Festhalten an solchen Dingen nach der Klinik is halt leider für die meisten Leute ziemlich schwer, aber wenn man es echt will, schafft mans auch:)
Hast du eigentlich jetzt noch weiter ambulante Therapie?
Achja, und: Ich find das mit dem Kleidungsstil überhaupt nicht oberflächlich! Das hat m.M.n. sehr viel mit Selbstverwirklichung zu tun und das, finde ich, gehört zu den wichtigsten Dingen
überhaupt … 🙂
Oh ja, so ist es! : )
Und ja, es ist nicht einfach…besonders das mit dem Terminplaner…aber der Rest, den ich mir vorgenommen habe, der klappt ganz gut. Meine Wohnung ist sauber, die Medikamente werden wieder
richtig eingenommen und vor allem: Ich koche! : D
Nur das Anfangen von Dingen fällt mir immer noch extrem schwer…
Wie das mit meiner Therapie weitergeht weiß ich noch nicht so recht…von Dr.D. habe ich mich jedenfalls verabschiedet und bei Dr. Mit kann ich noch zweimal sein…wie es weitergeht hängt davon
ab, wo ich in Zukunft versichert sein werde…momentan bin ich ja noch privat über meinen Vater versichert…
Und danke, ich werde mir das mit dem Kleidungsstil merken! : )