Rot II

Die Türen schließen sich. Mit zitternder Hand drückst du die Nummer drei, drehst dich um. Siehst dich im Spiegel, dessen zerbrochener Riss dein Gesicht schneidet. Der Aufzug setzt sich in Bewegung, deine Augen werden leer, bis du nichts mehr siehst. Es bleibt nur der Schein der Deckenlampe nur ein Schleier aus rot, schwarz und weiß. Du kannst dich gerade noch so an den Wänden halten, dann merkst du, du kannst nicht mehr. Du kannst dich nicht mehr halten, alles dreht sich, zieht sich zusammen. Du drückst auf ‚Erdgeschoss‘, zu spät. Du haust auf die eins, der Aufzug hält, öffnet sich. Und dann rennst du los, rennst nur noch, flüchtest die Treppen runter, stehst verwirrt und verheult auf der Straße. Alles scheint so weit weg. Du scheinst nicht mehr da, rennst durch die Menge. Richtung Bahnhof. Zugfahren. Wegfahren. Einfach weggerissen werden, irgendwo aussteigen, weglaufen. Doch dann stehst du vor dem Bahnhof und merkst, dass deine Karte erst ab 14 Uhr gilt. Was nun? Wen anrufen? Du kennst viele Leute, aber keiner hat Verständnis. Sie alle kennen dich nicht. Keine Familie, keine Freunde, keinen Halt. Und stumm stehst du da, sitzt in deinem Leben fest, während sich alles um dich herum bewegt…weit weg bewegt…

Ich war vorhin bei Dr.D. Er war nicht begeistert, dass ich heute und gestern nicht in der Schule war. Und er hatte den Ernst der Lage erst gegen Ende begriffen, als ich angefangen habe zu heulen, was sonst gar nicht meine Art ist. Aber nun ist alles egal. Ich heule beim Aufstehen, im Bus, am Bahnhof, im Aufzug, beim Psychologen…ich habe definitiv nichts mehr im Griff.
Und ich rede mir das nicht ein! Das alles ist nicht einfach nur eine Phase, die man mit ein paar Verhaltensänderungen wieder umkehren kann. Zumindest nicht dauerhaft, weil das alles immer wieder kommt und mich zerstört bis in den kleinen Finger. Mich holt einfach alles wieder ein. Das nie gut genug sein, das wertlos sein. Ich fühle mich wie 10 %, während alle anderen 100 % sind. Aber das versteht keiner…
Ich habe zu Dr.D. gemeint, dass ich das Abi für den Rest des Schuljahres aussetzen möchte und endlich gesund werden möchte. Also habe ich ihm das mit der Klinik vorgeschlagen, da nichts mehr geht und ich nicht erst seit gestern depressiv bin. Er meinte, er ruft mal in B.D. an und sagt mir dann Bescheid. Nachher um 16 Uhr werde ich noch einmal hingehen. Ich hoffe nur, das wird was. Denn es kann nicht sein, dass man erst eingewiesen wird, wenn man eine Gefahr für sich selbst oder für andere darstellt. Und ich will es nicht so weit kommen lassen…ich will einfach nur ein neues Leben…

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

«      |      »

Schreibe einen Kommentar