Gestartet bin ich mit höchster Motivation in die 12. Klasse. Die Männerwelt hat mich anschließend demotiviert und zuletzt war ich so tief untern, dass ich alles aufgeben wollte und mich schon gefragt habe, was ich machen könnte, wenn ich das Gymnasium abbreche. Ich habe mich gefragt, ob mir dann ein Stein vom Herzen fallen würde, weil das, was mich kaputt macht, endlich weg sein wird. Vielleicht würde es mich im ersten Moment befreien. Aber ich müsste dann auch mit dem Eingeständnis leben, schlecht zu sein und versagt zu haben. Jetzt bin ich zwar auch schlecht und versage in der Schule, aber daran lässt sich mit maximalem Aufwand (und hoffentlich nicht nur minimal) etwas ändern.
Doch das ist leider gar nicht so einfach, denn die Selbstzweifel sind meine ständigen Begleiter. Aber ich darf sie nicht gewinnen lassen, denn ich will das Abi schaffen. Der Preis ist weitaus höher als verlorene Zeit und keine Zukunftschancen, der Preis ist mein Leben… Das wird mir immer mehr bewusst…
Also gilt es ab jetzt, keinem mehr zu vertrauen, nur noch an mich zu glauben, das Mittagessen durch Obst und lernen zu ersetzen und erst am Abend zu kochen. Die Wochenenden werden gestrichen und es gilt ab jetzt, das Gesicht zu wahren, genau wie jeder andere das Gesicht wahrt und so tut, als wäre das alles nur ein Spaziergang. Für mich ist das alles die Hölle. Es bedeutet, dass ich meine Freizeit komplett einschränke und gar keine Zeit mehr für irgendjemanden haben werde. Es bedeutet, dass meine Freunde und ich uns auseinanderleben werden, weil abends rausgehen nicht mehr drin ist. Aber anders geht es nicht…es gibt keinen anderen Weg, das Abi ist und bleibt wohl ein Kampf mit sich selbst und nur mit sich selbst.
Parallel dazu muss ich versuchen, die Stimmen zu überhören, die mich von allen Wänden als Versagerin beschimpfen. Vielleicht ist es auch nur meine eigene Stimme, mein eigenes Zweifeln, das an den Wänden des Gymnasiums abprallt und das immer wieder kommt, egal wie sehr ich es verdränge und ignoriere. Es lauert und will an die Oberfläche. Will mich umbringen. Und wenn ich nicht dagegen ankämpfe, mein Leben, wie ich es kenne aufgebe, um zu lernen und zumindest ein bisschen so gut zu sein wie die anderen, dann war’s das.
Ich kann die Tatsache nicht leugnen, dass ich bis jetzt verdammt schlechte Arbeiten geschrieben habe und vielleicht sogar Klassenschlechteste bin. Aber ich bin dabei, besser zu werden. Und dies geht nur durch knallharte Disziplin. Die negativen Gedanken zu überwinden kostet mich allerdings mehr Kraft als sich irgendeiner vorzustellen vermag. Ich weiß, dass ich eigentlich nicht dumm bin und Dinge verstehe, die keiner aus meiner Klasse versteht. Aber die zählen eben nicht für das Abi. Die sind komplett irrelevant. Und wen interessieren sie dann noch?
Mir fehlt einfach das Gefühl, dass ich in etwas richtig gut bin, weil ich Talent darin habe oder gut schreiben kann oder was auch immer. Ich sehe immer nur, dass andere in beinahe allem besser sind als ich…und auf Dauer macht einen das psychisch kaputt.
Ich muss also lernen, einfach nichts mehr an mich ranzulassen. Gar nichts mehr…ich werde kein Gefühl zeigen und die Sache knallhart durchziehen. Und nebenher schmiede ich Zukunftspläne und gebe das Lesen, das Schreiben und die anderweitige Weiterbildung nicht auf. Und vor allem gebe ich nicht den Traum einer besseren und gerechteren Welt auf…