Unsere Beziehung begann vor etwa 20 Jahren, in der ersten schweren und dunklen Zeit meines Lebens. Du warst für mich da, als es niemand sein konnte. Du hast dir alles angehört, nicht geurteilt, mich immerzu gelassen, wie ich war. Du hast sogar akzeptiert, dass ich dich zerrissen und verbrannt und rituell die Toilette runtergespült habe; hast meine Wut und meinen Frust abbekommen und bist dennoch nicht von meiner Seite gewichen.
Mit dir habe ich einen Neuanfang gewagt und weitergekämpft und das hat uns näher zusammen gebracht. Am intensivsten war diese Nähe am 7.5.2007. Da gab es nur dich und mich, das Blatt und den Stift und die Inspiration. Den Rest um uns herum haben wir ausgeblendet und ich empfand mit dir das erste Mal die Gewissheit, etwas Wunderbares geschaffen zu haben.
Du hast mir immerzu so viel Kraft gegeben, all den Mobbingmist erneut durchzustehen und diesmal nicht einzuknicken und zu zerbrechen.
Du hast mich durch Höhen und Tiefen begleitet, mich das Geschehene und Ungeschehene verarbeiten und nicht vergessen lassen.
Später hast du mich dann an dich gezogen, als ich lieber spanisch lernen sollte, mich verzweifeln, aber auch erkennen lassen, wie depressiv ich eigentlich all die Jahre gewesen bin. Du hast mich Todeswünsche formulieren und spüren lassen, dass ich wirklich Hilfe brauche.
Ich habe mit dir analysiert, versucht die Welt und mich zu verstehen und bin so vielem näher gekommen.
Und nie hast du mir etwas eingeredet oder mich dominiert. Nie hast du mich verurteilt. Nie hast du etwas von mir verlangt oder mich auch nur den Hauch einer Erwartung spüren lassen.
Über Jahre hinweg warst du still und dennoch immer da; hast in den Phasen, in denen ich durch Abwesenheit geglänzt habe, geduldig gewartet, bis ich mich dir wieder gewidmet habe.
Wir haben in all diesen Jahren zusammen so vieles erlebt, du und ich…
Und dennoch habe ich keinen Namen für dich, keine Form. Aber für mich bist du eindeutig ein „du“.
Du bist jedes Wort, das ich je geschrieben habe.
Du bist mein Buch und all jene, die ich angefangen und (noch) nicht beendet habe.
Du bist all jene Texte, die ich je duch einen Computerabsturz oder Festplattencrash verloren habe.
Du bist jeder Brief an ehemalige Freunde, Partner und Dates.
Du bist jeder Abschiedsbrief.
Du bist jede angefangene Mail, die ich bei genauerer Überlegung dann doch nicht abschicken wollte.
Du bist ein Gedicht, das ich damals betrunken in der Nacht auf einem Kneipenklo geschrieben habe.
Du bist das erste, das ich aufgesucht habe, als ich mich verwirrt in einem Krankenhaus wiederfand und die Infusionsnadeln rausgerissen habe, weil ich zu dir wollte.
Du wirst immer mein Gegenstück sein, ohne das ich einfach nicht vollständig bin.
Und darum will ich dich wieder mit Liebe füttern. Ich will dich nicht mehr unterdrücken und da reinquetschen wo du gerade irgendwie Platz hast. Weil wir beide wissen, dass dabei nur Halbgares rauskommt und du das nicht verdient hast.
Ich will endlich der Mensch sein, der ich auch bin. Denn vollständig bin ich nur mit dir.
Danke… danke, dass ich durch dich überleben werde. Dass ich den Sinn mit dir fühle, immer wieder aufs Neue. Dass ich mit dir weinen und lachen kann. Dass wir uns gefunden haben und immer wieder zueinander finden werden.