Sie reden von Abschreckung und Verteidigung.
Sie reden von einer bisherigen Vernachlässigung des Militärs und wie dringend wir unabhängiger von Amerika werden müssen.
Sie reden von Aufrüstung für den Frieden.
Von partnerschaftlichen Verbünden im Kriegsfall.
Sie reden von Sicherheiten, von der Garantie auf Unversehrtheit.
Von Schutz und Zusammenhalt gegen Gewalt.
Vom Ausweiten der Atommacht.
Der Pilz wird zum Schirm.
Sie reden davon, dass man jetzt Stärke zeigen muss.
Wir sind Europa!
Wir sind eins!
Ja, wir sind ein ernst zunehmender Gegner!
Eine Atommacht.
Eine Wirtschaftsmacht.
Kriegstauglich, jederzeit, für Frieden, Demokratie und Sicherheit!
Im Kern ist das ja auch verständlich, durchaus, angesichts dieser Zeiten von so unberechenbaren Machthabern.
Sie reden auch von den Gefahren für die Demokratie.
Von rechten Parteien und dem Ende von allem, wofür wir einst gekämpft haben.
Ja, ich weiß, selbstverständlich ist unsere Freiheit und Demokratie nicht. Das sieht man an allen Ländern, in denen sie (noch) keine Chance hat. Aber ist sie denn wirklich etwas, das jederzeit mit Gewalt verteidigt werden muss? Sollte sie nicht lieber… selbstverständlich werden?
Und so frage ich mich: Sollten diese Zeiten, in denen wir leben und (re)agieren wirklich als „Standard“ gelten und erstrebenswert sein?
Als würde das Aufrüsten nun den Frieden schaffen und die Demokratie erhalten.
Als würde ein Dagegenhalten die Sicherheit schaffen, die wir wirklich brauchen.
Wer redet eigentlich wirklich von Frieden in seiner Definition?
Wer redet von der Sinnlosigkeit, sich machtgeilen Menschen hinzugeben, anzupassen, für sie zu kämpfen, zu zerstören und zu sterben?
Wer stellt eigentlich infrage, wie diese Welt „funktioniert“?
Wer erkennt, dass sie es eigentlich nicht tut und dass das bei weitem kein „Funktionieren“, sondern ein (hilfloses?) Laufenlassen ist?
Wer erkennt die Unlogik in meinem obenstehenden Satz „Kriegstauglich, jederzeit, für Frieden, Demokratie und Sicherheit!“?
Wer wagt es, all das zu äußern, während alles um einen herum Krieg führt; im großen (Länder, Kontinente), wie im kleinen (Beziehungen)?
Wer glaubt eigentlich noch an eine Welt, in der WIRKLICH Frieden existiert und Demokratie kein inflationär verwendeter Modebegriff ist?
Mein Wunsch für die Menschheit von morgen?
Dass wir eines schönen Tages wirklich ehrlich sagen können:
„Ja, wir hätten mit all unseren Kriegen, dem Drang nach Geld und Macht fast alles zerstört. Unsere wirtschaftlichen Interessen standen Jahrhunderte über dem Planeten mit all seinen Lebewesen und über uns Menschen. Heute sind wir weiser.“
Ja, vielleicht kommen wir ja eines Tages an diesen Punkt. So in 500 – 1000 Jahren… falls wir dann noch als Menschheit existieren.
Ja, ich wünsche es uns. Ehrlich!
Aber ich sehe auch, dass das ein langer und harter Weg sein wird.
Heute wird das nichts mehr.
Heute muss ich die Welt leider tolerieren, wie sie ist.
Heute muss ich es ertragen, dem Wahnsinn machtlos zuzusehen und nichts anderes tun zu können, als zu versuchen, positiv zu bleiben und in meiner kleinen Welt nach meinem Empfinden zu handeln.
Doch mein einziger Beitrag zur Demokratie ist und bleibt es, eine Partei zu wählen, die mir am wenigsten katastrophal erscheint und zu hoffen, dass es nicht zum 3. Weltkrieg kommt. Was mich aber wirklich bewegt und Millionen, Milliarden andere Menschen auf der Welt, ist allerdings irrelevant. Den Kern unserer Gedanken und Handlungen erörtert niemand, der Macht hat. Dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Mehrheit auf der Welt keine Lust auf Krieg hat, ist egal.
Ja, wer fragt auch schon ein dummes konsumierendes Volk, das keine Ahnung hat von den komplexen (v.a. wirtschaftlichen) Zusammenhängen, die es zwingend zu beachten gilt? Wer ist ehrlich daran interessiert, was die Menschen wirklich bewegt? Wer nimmt uns die Angst, anstatt für sie zu sorgen?
Ich frage mich oft: Was daran ist jetzt eigentlich demokratisch?
Ja, ich weiß, das ist in meinem Land ein Jammern auf hohem Niveau.
Wir leben ja gut. So gut, dass wir überhaupt jammern können.
Doch undankbare Luxusprobleme sind halt auch Probleme.
Vor allem, wenn sie mit Angst zusammenhängen.
Angst, dass statt stetigem Wachstum ein Verzicht drohen könnte.
Angst davor, dass im goldenen Arschlöffel, den wir uns seit Jahrzehnten reinschieben, ein Kratzer sein könnte.
Angst festzustellen, dass uns als Mensch im Kern weniger unterscheidet, als wir nach außen präsentieren wollen.
Angst zu teilen mit Fremden, Migranten, Verbrechern und Nichtsnutzen.
Angst vor Putin.
Angst vor Trump.
Angst vor rechts.
Angst vor links.
Angst vor biogrüner Ideologie.
Angst vor Freiheits-, nein… Gewohnheitsverlust.
Angst den eigenen Lebensstandard zu verlieren.
Angst abgehängt zu werden auf dem großen Spielfeld der Wirtschaft.
„Ja aber die Welt ist nun mal so!“
„Ja, aber Putin muss man die Stirn bieten und darf keine Schwäche zeigen!“
„Ja, aber die Wirtschaft!“
Als würde zirkulierendes, fließendes Geld wirklich zu einer „funktionierenden“ Wirtschaft, Sicherheit und Wohlstand führen. Dauerhaft und ohne Quittung.
Als würde uns all das glücklicher und zufriedener machen.
Als würde allein unser Besitz uns schützen.
Als würde es alles wiedergutmachen, wenn wir nur unsere Gegner in Zaum halten, damit sie wirtschaftlich nicht zu groß werden, nicht zu sehr mitspielen.
Und dabei… war es nie gut.
Und es wird auch nie besser werden, solange wir die „funktionierende“ Wirtschaft preisen wie einen Gott.
Solange wir Macht und Geld über das Leben stellen.
Solange wir in Kriegstauglichkeit investieren anstatt in Bildung.
In Tod anstatt Leben.
Waffen über Menschen.
Ja, investieren ist wirtschaftlich.
Geld geben (Zinsen) und im gleichen Atemzug anderen zu nehmen (Dispo) ist wirtschaftlich.
Begierden in Menschen zu pflanzen ist wirtschaftlich.
Sie auszubeuten ist wirtschaftlich.
Die Reichen machen lassen und sie ja nicht zu vergraulen ist wirtschaftlich.
Die Umwelt zu schützen, anstatt sie zu zerstören ist es nicht. Schränkt nur ein. Kostet nur.
Frieden ist auch nicht wirtschaftlich. Waffenproduktion und Wiederaufbau steigern das BIP.
War sells.
Tja, und am wenigsten wirtschaftlich sind zufriedene Menschen. Denn sie kaufen nicht. Sie gefährden nur die „funktionierende“ Wirtschaft. Bescheidenheit ist nun mal nicht lukrativ. Klingt scheiße nach Verzicht. Und das will keiner.
„Ja aber die Welt ist nun mal so!“
Ja, das sehe ich ja auch ein. Wir können niemals ohne Wirtschaft existieren. Wir haben uns nun mal so entwickelt.
Shit happens. Kein zurück.
Fuck Werbung. Fuck Konsum. Fuck Wirtschaft!
Und dennoch wünsche ich mir als vollkommen naive Person ohne Ahnung eine nicht wirtschaftsorientierte Welt. Eine friedlichere, bewusstere, klügere Welt, auch wenn ich sie mir – wie alle anderen auch – nicht vorstellen kann.
Doch bedeutet das etwa, dass es sie nicht geben kann, nie geben wird? Ist denn eine „unwirtschaftliche Welt“ ein Widerspruch?
Aber vielleicht braucht es einfach nur eine „andere Wirtschaft“? Etwas, das sich (noch) jenseits unserer Vorstellungskraft befindet?
Meine Hoffnung? KI denkt es sich aus. Erfasst die ganze Komplexität des Themas. Spielt alle Szenarien durch. Entzieht uns alle Waffen, entsorgt den Atommüll inklusive der Bomben sinnvoll. Schenkt uns Sicherheiten und was wir wirklich brauchen und liefert uns einen Weg, wie es gehen kann. Ja, ohne uns zu vernichten, ohne uns zu versklaven.
Aber dann sollten wir sie auch damit füttern… mit Ideen zu Utopien und den guten Seiten der Menschen, die ebenfalls in uns existieren. Wir sind eben nicht alles konsum- und machtgeile Arschgeigen. Wir Menschen sind auch nicht so dumm, wie man uns macht. Jedenfalls nicht von Natur aus.
Und wer weiß, vielleicht wird Wirtschaftspsychologie eines Tages zu einer Lehre, die so veraltet ist wie die Vorstellung, dass die Verbrennung von Hexen einen tieferen Sinn hat.
Spock: „Der Mensch ist also bereit zu töten?“
Kirk: „So war es um 1881.“
Spock: „Da nimmt es mich wunder, dass die Menschheit überhaupt überleben konnte.“
Kirk: „Wir haben inzwischen die Neigung zur Gewalttätigkeit überwunden.“
[Star Trek Raumschiff Enterprise, Staffel 3, Folge 6]
Mehr dazu: MDR Wissen: Warum können wir nicht in Frieden leben? [06.03.2024]