Hallo Pfanne!

Die Pfanne steht stellvertretend für alle Zwänge, die sich in mir befinden. Sie ist ein schönes Beispiel dafür, wie schwer ich mir das Leben manchmal mache…

Als ich 2016 in diese Wohnung gezogen bin, habe ich mir eine Pfanne in Marmoroptik aus Alu mit Keramikbeschichtung gekauft, die etwas von einem Wok hat. Für mich war sie einfach perfekt, hatte die richtige Größe und ist bis heute in Gebrauch. Andere Pfannen benutze ich selten bis nie, weshalb sie auch dementsprechend aussieht. Es geht noch, aber so langsam nähert sich ihre Zeit dem Ende und das weiß ich und das weiß sie. Da ich sie fast täglich sehe, sagt sie mir das auch immer wieder: „Hey du… wird langsam mal Zeit, dass wir uns trennen, meinst du nicht auch?“
„Hallo Pfanne… ähm… nein… nicht jetzt, ich muss kochen!“
Diese Pfanne lässt sich so kaum aus meinem Kopf verbannen und ich schiebe es auf und auf und auf, mir eine neue zu besorgen. Das Aufschieben entfernt sie jedoch nicht. Diese Aufgabe bleibt einfach unerledigt „oh hold“ und pikst mich gerne immer wieder mal.

Vor ein paar Tagen jedoch habe ich mir gedacht, dass ich ja mal einen Schritt weitergehen und zumindest mal gucken könnte, wo ich die überhaupt herhabe. Ich war mich sehr sicher, dass sie aus der Haushaltswarenabteilung eines Supermarkts war und hatte schon Angst, dass es sie nicht mehr geben könnte, weil sie nicht mehr in den Regalen zu finden war. Nach intensivem Googeln habe ich aber herausgefunden, dass ich sie doch in einem Möbelhaus gekauft habe. Dort war sie online zu finden, was mich unglaublich gefreut hat, da ich mich sehr schwer auf Neues einstellen kann, besonders wenn sich das alte so verdammt gut bewährt hat. Andere Menschen gehen vielleicht einfach in einen Laden und kaufen sich dann irgendeine Pfanne. Ich will aber genau diese Pfanne. Und ich weiß, dass ich mit 100%er Wahrscheinlichkeit ansonsten mit extremem Enthusiasmus stundenlang online nach etwas gesucht hätte, das dieser Pfanne entspricht. Das ist nämlich immer so. Ich vergleiche dann Eigenschaften, Preise und Anbieter. Ich will es „richtig“ machen. Ich will es perfekt. Das bedeutet auch, dass ich es oft nicht gleich kaufe, wenn ich was finde, sondern erst einmal eine Nacht drüber schlafe. Das mache ich dann so lange, bis ich mir sicher bin. Natürlich kommt es auch vor, dass es gleich „Klick“ macht und sich richtig anfühlt und ich es einfach kaufe. (Sidenote: Mein jetziges Bett ist das Resultat von monatelanger Suche… wovon ich die meiste Zeit lieber auf der Matratze geschlafen, als „irgendetwas“ gekauft hätte… dafür liebe ich aber jetzt mein Bett!)

Nun gut, ich habe diese Pfanne ja gefunden, also ist mit das erspart geblieben.

Es geht aber noch weiter…

Das Möbelhaus ist nicht gerade ums Eck und ich muss fast 4 km hinlaufen. Sicherlich könnte ich auch ein Stück mit dem Bus fahren, aber das schenkt sich nicht wahnsinnig viel und zeitlich macht es keinen Unterschied. Also brauche ich am besten noch ein paar andere Dinge auf meiner Liste, die ich im Zuge dieser „Aktion“ auch noch kaufen könnte, damit sich der Weg überhaupt lohnt. Ein Geschenk zum Beispiel. Es wäre auch cool, mehr Schüsseln zu haben. Eine Tischdecke, die genauer passt, wäre auch toll. Und ach ja, meine Bananenbäume würden sich auch über größere Töpfe freuen… undundund…
Ich plane somit das ganze als „Event“, bei dem ich auch noch andere Sachen erledigen kann und verbinde alles, um Zeit zu sparen. Einkaufen muss ich ja auch noch… aber dann muss ich zur Bank… und damit ja noch mehr laufen… und ich muss das alles ja auch noch tragen… wobei mir hier aber Observer helfen kann. Und wenn wir dann zu viel Kram haben und ich damit nicht durch andere Läden will, kann einer draußen warten, während der andere einkauft. Alles geplant. Ich wäre auf alles vorbereitet!

Aber eigentlich… habe ich gar keine Lust. Ich will nicht so weit laufen. Eigentlich will ich gar nicht das Haus verlassen… Und überhaupt habe ich diesen Monat auch schon zu viel Geld ausgegeben. Aber ich brauche das Geschenk für einen Geburtstag. Und die Pfanne sagt mir nachher wieder „Hallo“. Andererseits… muss die alte dann ja wieder in den Keller zu den Sachen für den Wertstoffhof, zu dem ich niemals kommen werde. Denn das schaffe ich definitiv nicht alleine und müsste dann jemanden fragen, ob er oder sie mich fährt. Und dann muss das ja auch noch funktionieren und ich muss das organisieren. Die Person könnte ich ja auch noch fragen, ob sie mit mir zum Möbelhaus fährt. Aber wahrscheinlich haben sie genau an diesem Tag die Pfanne gar nicht da, wegen der ich da überhaupt hinwollte. Das bedeutet, ich habe einen Menschen völlig umsonst in der Gegend rumfahren, Zeit und Sprit verbrauchen lassen!
In diesem Moment endet dann mein Leben. (Nein, natürlich nicht…aber man könnte meinen, dass es passiert, wenn man diesen Beitrag liest…)
Hmm… lassen wir das lieber. Ich will ja eh nicht so viel Geld ausgeben und mir auch nichts zahlen lassen (z.B. von meiner Mum, die es mir immer und immer wieder anbietet, was ich aber nicht annehme, da ich 31 bin und das ja wohl selbst hinbekommen sollte).
Naja, die Pfanne tut’s ja noch. Und das Geschenk finde ich vielleicht auch woanders… und Schüsseln habe ich auch noch… und wer weiß, ob ich den Tisch behalte, wenn ich eines Tages mit Observer zusammenziehe…

„Warum bestellst du meinen Nachfolger eigentlich nicht online?!“ fragt mich meine kluge Pfanne, während ich mich im Kreis drehe aus Zetteln und Listen und Plänen und versuche möglichst effizient keinem auf den Sack zu gehen und Situationen zu vermeiden, die mich aufregen.
„Weil das schlecht für die Umwelt ist!“
Die Pfanne schüttelt den Griff und wünscht sich so langsam, einfach nur entsorgt zu werden… Hätte sie wirklich eine Seele, so würde sie wohl lieber selbst zum Wertstoffhof ihrem endgültigen Ende entgegen kriechen, als noch länger mit mir zusammenzusein…

 

Tja, das ist mein Kopf…

Und da ein Mensch ja nicht nur eine Pfanne besitzt, sondern noch andere Dinge, könnt ihr euch in etwa vorstellen, wie gelegentlich mein Alltag aussehen kann. Ihr wollt nicht wissen, was los war, als ich meine Töpfe ersetzen musste, sie bei MediaMarkt bestellt habe und die Bestellung nicht stornieren konnte, weil ich es bereut habe, aber keinen Account angelegt hatte, um das tun zu können…
Heute mag ich meine Töpfe.

 

Hier noch mal meine Zwänge/Ängste im Überblick:

  • mich an etwas Neues/Anderes gewöhnen
  • andere um Hilfe bitten
  • sinnlos einkaufen ohne Liste und Plan
  • unbedacht Geld ausgeben und später Probleme bekommen

Das interessante ist, dass sehr vieles davon mir selbst noch nie passiert ist oder dass es niemals so schlimm war, wie es sich mein Kopf ausgemalt hat… und dennoch kann ich es nicht abstellen und die Pfanne Pfanne sein lassen…

mich an etwas Neues/Anderes gewöhnen:
Eigentlich ist ja alles am Anfang neu… Das war auch meine Pfanne für mich. Hätte ich eine andere gefunden, wäre das nun jene, von der ich mich nun hätte trennen müssen… und es wäre genau so ein Drama…

andere um Hilfe bitten:
Fällt mir richtig krass extrem schwer… andere können das vielleicht easy ohne schlechtes Gewissen und lassen sich herumfahren, weshalb ich eines für zehn habe und dabei noch nicht einmal gefragt habe… Ich weiß, dass manches nicht ohne Hilfe geht (besonders, wenn man selbst nicht Auto fährt), aber die Schuldgefühle dabei sind es mir nicht Wert und ich seh zu, dass ich alleine klar komme. Ich kann das der Person nämlich niemals zurückgeben und will das auch gar nicht. Lieber mache ich also alles alleine und belaste meine Beziehungen nicht auch noch damit.
Auch wenn ich weiß, dass das andere um Längen lockerer sehen und mir vielleicht sogar gerne helfen und sich in der Regel sogar dafür bedanken, dass ich überhaupt frage und sie sich nützlich machen können… ich kann es einfach nicht.

sinnlos einkaufen ohne Liste und Plan:
Für mich als Einkaufsphobikerin ein Ding der Unmöglichkeit! In meiner Vorstellung endet das nämlich damit, dass ich was vergesse, was kaufe, das ich nicht brauche (was mich dann zusätzlich stresst, weil ich nicht weiß, was ich damit machen soll) oder es einfach sein lasse. Andere Menschen tun sich da leichter. Die kaufen erst und denken dann oder haben das einfach im Griff. Da mich aber bereits geschenktes Obst meiner Mum in tiefe Depressionen stürzt, wenn ich nicht weiß, was ich damit machen soll und ein voller Kühlschrank ohne Plan unglaubliche Ängste in mir hervorrufen kann, denke ich erst und kaufe dann meist das, was ich brauche. Oder eben gar nichts.

unbedacht Geld ausgeben und später Probleme bekommen:
Das existiert nicht in meiner Welt. Fehlkäufe sind sehr selten bei mir und ich plane mein Budget regelrecht. Mein Geld vermehrt sich dadurch trotz Minigehalt von selbst. Ich bin aber auch bescheiden und ich bin es gerne und aus Überzeugung. Dennoch ist es nicht ganz frei von Ängsten… Mich ängstigt z.B. der Gedanke, mir einen Standard angewöhnen zu können, den ich nicht halten kann. Früher konnte ich auch nur sehr schwer dabei zusehen, wie andere sich durch ihre Ausgaben in Probleme manövrieren. Da kann ich mich mittlerweile besser abgrenzen, vermeide es aber dennoch in meiner Welt. Schulden gibt es einfach nicht bei mir.

 

 

So, das war mal wieder sehr viel Output von mir und Input für jene, die das bis zum Ende gelesen haben und ich habe noch keine konkreten Lösungen, aber es war notwendig, das alles mal in Worte zu fassen.
Das ist vermutlich auch ein Ziel meiner nächsten Therapie: Zwänge auflösen ohne unterzugehen. Weil die Pfanne loszulassen sich nämlich genau so anfühlt…

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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2 Kommentare        

Andere Menschen gehen vielleicht einfach in einen Laden und kaufen sich dann irgendeine Pfanne.

Absurder Gedanke.

USB-Audiointerface, MP3-Player (ja, sowas gibts noch), Handy, Schuhe, Brille, … – alles Dinge, die ich lieber halb kaputt und mit allen nötigen Workarounds weiterverwende, als sie neu zu kaufen – weil es sie nicht in perfekt gibt. In Zeiten von Online-Revisionen hat jedes Produkt irgendeinen Nachteil, der mich vom Kauf abhält. Gefühlt ist es so immer eine Wahl zwischen schlecht und weniger schlecht. Ist manchmal sehr frustrierend. Und da die Auswahl so groß ist und auch die Zahl der Revisionen, ist es sehr ermüdend. Ein Freund nennt es immer den "Terror der Multioptionalität".

Andererseits ist dein Verhalten sehr nachhaltig und erstrebenswert! Ich finde es cool, Dinge länger zu gebrauchen, als es in unserer schnelllebigen Wegwerfgesellschaft "üblich" ist. Natürlich sollte Nachhaltigkeit nicht aus Zwängen resultieren. Doch vielleicht kannst du ja aus deiner Not heraus deine Ansichten zu einer alten Pfanne ändern. Schärf mal deine Ohren, sie sagt nämlich eigentlich: „Hey du … ist doch schön, wie gut wir beide die Ressourcen schonen, meinst du nicht auch?“

Bei sprechenden Dingen muss man lernen, richtig hinzuhören 🙂

USB-Audiointerface, MP3-Player (ja, sowas gibts noch), Handy, Schuhe, Brille, … – alles Dinge, die ich lieber halb kaputt und mit allen nötigen Workarounds weiterverwende, als sie neu zu kaufen – weil es sie nicht in perfekt gibt.

Das kann ich so gut nachvollziehen! Ich bin da ganz genau so…
Mein MP3-Player ist seit langem tot und bevor ich finde, was ich suche, baue ich mir wohl selbst einen. Da ich aber nicht auf Musik verzichten kann, zweckentfremde ich mein uraltes Tablet dafür. Auch mein Handy ist ein Klapphandy aus zweiter Hand. Ich besitze aktuell zwei paar flache tragbare Schuhe, von denen ein Paar Moonboots für den Winter sind. Mein Macbook hat keinen Akku mehr und läuft am Strom (natürlich mit abschaltbarer Steckdose… ; ) ). Auf der Tastatur, die kaputt war und die ich selbst ersetzt habe, bis sie dann doch wieder gesponnen hat und ich sie intern ausstecken musste, liegt eine Bluetoothtastatur von meinem Chef, die bei uns auf der Arbeit nicht genutzt wurde. Unter meinem Drucker, der bei Reinigungen ausläuft, liegt eine Plastikmatte. Mein Wasserkocher muss nach Gebrauch immer umgedreht werden,…usw. : )

Ich hänge zugegebenermaßen auch etwas an meinem alten Kram und reize alles aus bis zum geht nicht mehr.
Neu finde ich selten besser und genauso wie dich ermüdet mich der "Terror der Multioptionalität"…

 

Bei sprechenden Dingen muss man lernen, richtig hinzuhören 🙂

Das hast du schön formuliert. : ) Bisher habe ich auch keine neue Pfanne gekauft… es steht aber auf meiner Magnettafel "für irgendwann". So lange tut sie ihren Dienst eigentlich ganz gut…

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