Heute habe ich mich endlich mal wieder meinem Buch „Oberstufendepression“ gewidmet, wenn auch bei weitem nicht so umfassend, wie ich es gerne tun würde. Aber ich bin zumindest etwas weiter gekommen und stehe nun vor der großen Frage, wie ich es denn nun enden lasse.
Um zu verstehen, warum diese Frage so bedeutend ist und worum es überhaupt geht, beschreibe ich hier kurz den Rahmen:
Es ist aus der Sicht eines Mannes geschrieben, der Hans heißt. Hans tut eigentlich nichts, hat reich geerbt, zockt den ganzen Tag, liest aber auch Bücher und ist kein Honk, auch wenn er sich oft so verhält. Seine Beziehungen enden alle auf die gleiche Art und Weise: Er lernt auf irgendeiner Party oder in einer Kneipe eine Frau kennen, behandelt sie dann aber nicht wirklich nett und gefühlvoll, weshalb regelmäßig eine bei ihm in der Küche ausrastet und Gläser nach ihm wirft. Dann ist es vorbei und er geht zu seinem einzigen richtigen Freund, der einen Spieleladen besitzt, und kauft sich ein neues Game. Dort begegnet er dann Mandy, 18, voller Selbstzweifel und mitten in der Oberstufendepression; d.h. sie scheitert gerade total am Abitur und setzt das mit dem Scheitern ihres Lebens gleich.
Die beiden finden irgendwie auf eine freundschaftliche und zugleich liebevolle Art zusammen und Hans Einstellung beginnt sich zu verändern. Er wird zu einer Art Manager für Mandy, der ihr beim Lernen hilft, sie motiviert und das Umfeld schafft, das ich mir damals gewünscht habe, als ich selbst am Abi gescheitert bin…
Deshalb habe ich mir diese Geschichte auch vor neun Jahren ausgedacht. So mittendrin in meiner ganz persönlichen Oberstufendepression. Ich weiß, ich hätte wohl lieber Spanisch lernen sollen. Oder zum Sportunterricht gehen… Aber die Story war damals quasi mein Ventil und ein Versuch, meine Verzweiflung und mich selbst aus der Sicht eines anderen zu sehen.
Letztes Jahr hatte ich daran dann ernsthaft weitergeschrieben, als ich in Slowenien mit den Philosophen und Abiturienten und eben total schlauen Menschen war, von denen vermutlich keiner so ernsthaft diszipliniert und hart an seinen Texten gearbeitet hat wie ich, die unstudierte und abiturlose mit dem Bestreben dieses Defizit irgendwie anders auszugleichen…
Mittlerweile habe ich jedenfalls für diese Geschichte viele Szenarien ausformuliert, die ich jetzt alle mal aus meinem 55 Seiten langen Hauptdokument rausgezogen und als einzelne Kapiteltexte abgespeichert habe. Vermutlich macht das ein echter Autor anders und denkt sich erst einmal eine Storyline für das Buch aus. Ich bin das eben nicht. Ich fange einfach an und irgendwelche Charaktere ergeben sich dann, die alle irgendwie irgendetwas tun.
Momentan tut aber keiner etwas, da keiner weiß, wo er steht, was sein Sinn ist und wohin das ganze führen soll. Und sie alle sehen mich nun erwartungsvoll an, weil es nun gilt zu entscheiden wie es mal enden könnte… und ich weiß es einfach nicht…!
Soll Mandy nun mithilfe von Hans das Abi schaffen und meinen damaligen(?) Traum vom Studium des kreativen Schreibens verwirklichen? Was sagt das eigentlich über unser Schulsystem und unsere Gesellschaft aus, dass sie es nicht alleine schafft und die Anforderungen sie so lähmen, dass sie eine Art Manager und psychologische Unterstützung braucht, um das Abi zu bestehen?!
Es wäre zumindest ein Happy End. Eins, das ich nicht hatte…
Oder soll Mandy dann doch scheitern und abbrechen? Soll sie Therapie machen und anschließend etwas ganz anderes? Das wäre zumindest autobiografisch…und sie könnte ja dann genauso wie ich so einen klasse Job finden und dort auch ohne Abi und Studium geschätzt werden.. Aber ist sie damit wirklich glücklich?
Soll sie das nun ewig verfolgen oder soll sie ihr Scheitern bewältigen? Und wenn ja, wie!? Und woher soll ich wissen, wie es möglich ist, wo ich doch selbst immer noch damit zu kämpfen habe? Obwohl mir wirklich jeder bestätigt, dass ich auch ohne Abitur und Studium ein wertvoller Mensch und nicht blöd bin…
Einerseits hätte ich mir damals nichts sehnlicher als einen Hans gewünscht, der mir wirklich hilft…und auch für Mandy wünsche ich mir, dass sie ihre Träume leben kann.
Andererseits muss sie eigentlich scheitern… und ich muss einen Weg finden damit umzugehen.
Aus jetziger Sicht ist irgendwie jedes Ende unbefriedigend…
Aber es sollte irgendwann mal eins finden…
Denn ich will den Mist in meinem Kopf mit all den Selbstzweifeln und Komplexen endlich loswerden.
Ich will mich nicht mehr so kastriert fühlen neben Menschen, die in ihrem Lebenslauf ein Studium stehen haben.
Und ich will nicht mehr das Gefühl haben, mich ständig beweisen und mehr machen zu müssen, als alle anderen, um mir durch Leistung eine Daseinsberechtigung zu verschaffen…
das ist deine geschichte, du musst ein ende dafür finden.
doch du wirst mit fast jeden ende nicht zufrieden sein. wenn du es mit dem studium abschließt wird du sogar eventuell eifersüchtig auf deine figur.
wissen ist nichts wenn man es nicht anwenden kann. ein buch wie man stahlboote baut hilft nichts auf einer einsamen insel wo es nur palmen gibt.
all das, was dir bisher passiert ist, und damit meine ich auch das keine studium, hat dich zu der person gemacht, die du jetzt bist. wundervoll!
…..die frage ist: warum reicht dir das nicht? Und wenn du das weißt, weißt du auch wie du das buch enden lassen musst
Ja, das stimmt schon. Und eigentlich bin ich auch froh so zu sein. Wer weiß, ob ich auch so befreit schreiben würde, wie ich es jetzt mache? Ich frage mich halt immer nur, ob das gut so ist…und zweifle daher immer wieder.
Das ist eine sehr gute Frage! Sollte ich herausfinden, warum mir das nicht reicht, weiß ich mit aller Wahrscheinlichkeit nicht nur, wie ich das Buch enden lasse, sondern auch um einiges mehr über mich…
Die Frage hat vermutlich auch mit meinem Selbstwertgefühl zu tun. Menschen mit Studium erheben sich ja nicht über mich. Ich stelle sie vielmehr auf ein Podest…
> … auch ohne Abi und Studium geschätzt werden..
> Aber ist sie damit wirklich glücklich?
Hm. Die Frage ist doch hier: Bist Du damit wirklich glücklich? Aus diesem Text schieße ich: nein. Nicht tief im Herzen.
Es fällt mir schwer nachzuvollziehen, was Dich am Abitur so beeindruckt. Es ist – wie auch ein Studium – ein Beweis für ganz bestimmte Fähigkeiten. Welche? Durchhaltevermögen, die Fähigkeit, sich in endlicher Zeit in unbekannte Gebiete einzuarbeiten, … aber auch Ellenbogen, Blenden, Eindruck schinden.
Das Abitur formt ganz bestimmte Menschen heran, angepasst an die Erwartungen einer über Jahrhunderte entwickelte Leistungsgesellschaft (blödes Schlagwort). Und nicht alles an diesen Menschen willst Du sein. Und eine Menge Eigenschaften bildet das Abitur gar nicht aus (Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit, Leidenschaft, …). Na, jedenfalls nicht im Kern. Wenn man diese Eigenschaften hat, dann hat man sie am Abitur vorbei gelernt 😉
Falls Mandy scheitert, sollte sie vielleicht diejenigen ihrer Vorzüge (an)erkennen, die manch ein Abiturient nicht hat. Welche könnten das sein?
Danke, das ist ein sehr interessanter Gedankenimpuls!
Im Grunde kann das Buch wirklich auf mindestens vier verschiedene Arten enden…ich bin geneigt das auch zu tun. Vielleicht tut mir das ja gut und löst etwas in mir?
Es wird jedenfalls mal wieder ein Buch, das vermutlich keiner, der die Kunst des Schreibens studiert hat, je so schreiben würde… das ist zumindest ein Vorteil, den ich in meiner „Unwissenheit“ sehe: Ich kann (neue) Wege gehen außerhalb eines Pfades, der mich gewiss geformt hätte, wenn ich es geschafft hätte „kreatives Schreiben“ zu studieren.