Wir müssen kämpfen!
Kämpfen für unsere Beziehungen
Von denen wir annehmen, dass sie sonst den Bach runtergehen
Wenn wir uns nicht bemühen
Kämpfen gegen die anderen
Von denen wir annehmen, dass sie uns von der Klippe werfen
Wenn wir nicht aufpassen
Kämpfen gegen Veränderungen
Von denen wir annehmen, dass wir darin untergehen
Wenn wir nicht an altem festhalten
Kämpfen gegen dieses und jenes
Gegen jedes und jeden
Gegen sie, gegen ihn gegen es, gegen uns!
Gegen neues, das uns unbekannt ist
Gegen altes, das uns aber auch nur schaden will
Und überhaupt ist das ganze Leben ein Kampf!
…
Den ich JETZT unterbreche.
Cut.
Stop.
Aus.
Wer sagt mir das alles?
Wer macht mich schuldig, misstrauisch und aggressiv gegenüber anderen?
Ich.
Nur ich.
Und nur ich alleine sehe, was ich sehen will.
Wenn ich das Leben als Kampf sehe, sehe ich darin eine Anstrengung, von der ich im schlechtesten Fall sogar annehme, dass sie sich nicht ändern lässt oder nur ändern lässt mit utopischen Zielen, die ich jedoch auch nicht selbst in der Hand habe.
Ja, der Mensch sieht, was er sehen will. Er kann sogar sehen, dass alle anderen schuld sind, um sich selbst zu schützen. Er kann seinen Lebensinhalt komplett in diese Art von Abwehrstrategien stecken, um sich nicht mit sich selbst ernsthaft auseinanderzusetzen.
Im Grunde tut mir dieser Mensch ehrlich Leid.
Was sehe ich heute?
Niemand ist Schuld. Nicht die Mobber meiner Kindheit und Jugend, nicht meine Eltern, nicht mal meine Ex-Freunde, Liebschaften und Dates,…einfach niemand. Ja, nicht mal ich, (auch wenn ich das lange Zeit dachte und meinte, ich müsste mich selbst bestrafen und leiden).
Mich haben all diese Menschen und natürlich noch viele mehr geprägt und auch das ein oder andere schlechte Muster mit auf den Weg gegeben…Aber sind sie deshalb schuld, wenn ich heute nicht glücklich bin? Mit Sicherheit wäre das ein oder andere Beziehungsproblem, das ich mit Menschen allgemein habe, nicht vorhanden, aber was ändert es, wenn ich mich aufrege und die Menschen für etwas verachte, wofür sie nicht mal was können, da sie ja auch in ihren eigenen Mustern feststecken?
Meine Mobber hatten z.B. alle schwierige Familien und haben sich selbst besser gefühlt, in dem sie meinen Selbstwert systematisch zerstört haben. Das rechtfertigt nicht, was sie getan haben, aber macht es „erklärbar“.
Meine Eltern sind ein Thema für sich. Sie wollten mir bestimmt nie was Böses und haben so gehandelt, wie sie es eben für richtig gehalten haben. Dass der Familienzusammenhalt irgendwie immer sehr schräg war, hat nur leider dazu beigetragen, dass mir heute Beziehungen sehr schwer gelingen. Ich habe mal das Ganze für mich analysiert. In meiner Tendenz zum Alleinsein bzw. Dinge mit mir selbst auszumachen, ähnle ich wohl meinem Vater. Ich hau oft eher ab, als mich mit jemandem auseinanderzusetzen bzw. fühle mich von anderen (vor allem mit ihrer Zuneigung für mich) schnell bedroht. Meine Mutter ist hingegen eine eher dominante Frau und kann mit ihrer Liebe und den gut gemeinten Ratschlägen auch ziemlich erdrücken. Keine gute Mischung für ein Kind und nur mein persönlicher Eindruck, aber bestimmt auch irgendwie erklärbar…
Meine Ex-Freunde, Liebschaften und Dates…habe ich vermutlich schon oft genug hier im Blog auseinander genommen bzw. Beziehungen allgemein. Mit der Analyse bin ich jedoch noch lange nicht fertig, was soviel heißt wie: Ich finde keine Antworten. Aber ich suche weiter. Nach der Person, die mich da weiterbringt.
Ich habe in den letzten Jahren auf persönlicher Ebene viel erreicht und ich weiß, dass ich das, was mir im Weg ist, was mich blockiert und mich auch im Umgang mit Menschen immer wieder scheitern lässt, nur selbst ändern kann. Und das will ich.
Dafür muss ich nicht kämpfen. Ich sollte nur bereit sein, ehrlich an mir selbst zu arbeiten, damit eine Beziehung gelingt. Und selbst dann gehören zu einer Beziehung in der Regel zwei. Also ist da immer noch diese andere Person, in die ich nicht reinblicken kann. Für die ich jedoch nicht „mitdenken“ sollte. Der ich einfach vertrauen sollte. Das geht am leichtesten, wenn auch diese Person an sich arbeitet, ihre Schwächen und Muster erkennt und sich mitteilen kann.
Soweit die Theorie. In der Praxis habe ich keine Ahnung, was das eigentlich für eine Person sein soll und ob sie existiert oder ob sie wie ich vor einem Kontakt jeglicher Art viel zu viel nachdenkt, dadurch nicht handelt und demnach an mir vorbei geht…
Das hat was von Wahrheit und tiefen Einsichten auf dem Weg zu sich selbst, aber der wirkliche Zugang bleibt oberflächlichen Menschen meist verschlossen.
In der oberflächlichen und sich schnell veränderten Welt in der wir leben, bleibt den Menschen in ihrer Entwicklung keine Zeit für „Tiefe“ und sie bleiben in pubertären und oberflächlichen Verhaltensmuster hängen. Sie werden zu sehr von dieser Art Welt geprägt. Stabile und wirklich ECHTE Beziehungen zu anderen Menschen sind durch ständig veränderte Stimmungslagen und Verhaltungsmuster gar nicht möglich. Es fehlt das „innere Gleichgewicht/die innere Stärke“ mit der Verantwortung und der Problematik, die eine wirklich ECHTE Beziehung inkl. „LIEBE“ mit sich bringt umzugehen zu können.
Vielleicht geht es weniger darum, aus falschen Entscheidungen bzw. Fehlern zu lernen, als vielmehr, sich selbst durch Erfahrungen des Scheiterns besser kennenzulernen, die Grundfesten dessen, was man Charakter nennt, zu hinterfragen. Das Scheitern wäre dann ein Anlass, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, sich zu ändern und neu aufzustellen. Wenn Fehler und Scheitern eine Chance sind, dann deshalb, weil man eben gerade nicht schnell aus ihnen lernen kann, sondern weil sie zur tieferen Beschäftigung mit sich selbst führen…
Hallo Siegfried,
ich danke dir sehr für deinen ergänzenden Kommentar!
Wir Menschen haben wohl leider die Tendenz sehr an unseren Verhaltensmustern zu hängen, weil es das ist, was wir kennen, was wir gewohnt sind, was immer schon war und was uns dadurch auch etwas „Sicherheit“ gibt. Aber die wenigsten sind in der Lage zu erkennen, wie schädlich diese Muster für unser Glück sind oder welche das überhaupt sein sollen. Sie dann zu ändern ist gewiss kein Kinderspiel und erfordert, wie du es so schön beschrieben hast, die Bereitschaft zur tieferen Beschäftigung mit sich selbst. Es ist daher wirklich weniger ein „Lernen“ und eher ein „Kennenlernen“ von sich selbst und damit wohl auch eine Arbeit, die einen ein Leben lang begleiten wird…
Das ist hier schon alles ziemlich gut formuliert! Und doch:
> Niemand ist Schuld.
> …
> Aber sind sie deshalb schuld, wenn ich heute nicht glücklich bin?
Ja, sind sie! Schuld im Sinne, dass sie durch unsensibles, gemeines und gnadenloses Handeln und Taktieren die Verantwortung für viele Wunden tragen, die das Leben erschweren.
Und nein, sind sie nicht! Denn sie leben in ihren eigenen Zwängen, denen sie weder freiwillig noch bewusst ausgeliefert sind.
Ich unterscheide hier zwischen Schuld und Verantwortung. Die Verantwortung für unsere Taten haben wir alle. Das ist eine Grundlage des menschlichen Zusammenlebens. Aber Schuld? Das Wort Schuld ist mir zu hart, ich würde es kaum jemandem für irgendetwas zuschreiben, nicht einmal einem vorsätzlich handelnden Attentäter.
Dies nur mit meinen Worten, was Du eigentlich schon sehr treffend dargelegt hast 🙂
Hallo Pit,
man weiß manche Dinge doch oft besser und handelt dennoch anders, weil man es nicht anders kann und einen die Muster quasi lähmen und eben jenes andere Handeln unterbinden.
Ein Beispiel zu meinem Verhaltensmuster: Ich weiß, dass ich dazu tendiere, eher vor Beziehungen wegzulaufen und mich zu distanzieren und nehme ab einem Punkt vieles so wahr, damit ich wieder zu dem Schluss komme, dass ich alleine besser dran bin. Was mich dann von der Person distanziert. Ich bin zwar jetzt in der Lage zu erkennen, dass diese Fehlersuche am anderen und der ganzen Beziehung gerade ein „Rückfall“ darstellt und dennoch fällt es mir noch schwer, da umzudenken und mir zu glauben, wenn ich mir sage: „Hey, das ist ein Muster! Es gibt objektiv gesehen absolut keinen Grund, jetzt alles so negativ zu sehen!“
Ich weiß nicht, ob das jetzt ein gutes Beispiel ist, aber ich bin mir auch unsicher, ob ein Mobber in dem Moment des Mobbens so weit denkt und seine Gedanken analysiert wie ich. Sonst würde er glaube ich nicht mobben…oder? Und mit 13/14 ist man da auch nicht so weit,…
In wie fern kann man dann hier von „Verantwortung“ sprechen? Weiß er im Moment wirklich nicht, was er einem Menschen damit antut und dass man das eigentlich nicht macht? Ich frage mich, was ein Mobber überhaupt denkt… Oder wie er heute dazu steht, was er damals getan hat. Ob ihm das wirklich bewusst werden kann…
Im Grunde genommen ist es mir ein Rätsel….
Aber ich glaube jedenfalls daran, dass es ihm bewusst werden kann und somit auch an ein Szenario wie am Ende vom Spiel mit dem Tod, als Patrick und Nikos sich auf dem Gang begegnen!
Du hast ganz Recht: Einen Verantwortlichen für eine miese Situation zu finden, ist müßig und hilft nicht weiter, keinen Schritt. Weiter hilft nur zu fragen: Was kann ich selbst jetzt tun? Denn man selber ist der einzige Mensch, den man überhaupt ändern kann (auch wenn selbst das schwer, mühsam und langwierig ist).
Nein, das hilft wirklich nicht weiter. Es verursacht in erster Linie eine negative (oft auch hasserfüllte) Stimmung dem anderen gegenüber, schürt Feindbilder und kostet damit viel Zeit und Energie. Man wird Fehler nie vermeiden können…die wird es immer geben. Aber darauf rumzureiten bringt keinen weiter. Wichtig ist, wie du schon beschrieben hast, sich zu fragen, wie man diese Situation ändern kann! In erster Linie fängt man da bei sich an, dann kann man auch definieren, was man sich von anderen in Zukunft wünscht.