Tres: Die Freizeit

Das ganze Abi ist ein Kampf in jeder Minute. Alles ist mit Arbeit verbunden. Mit sehr viel Arbeit sogar. So viel Arbeit, dass ich zu nichts mehr komme. Seltsamerweise macht mir das nichts mehr aus. Früher hatte ich Angst davor, keine Freizeit zu haben. Heute komme ich damit gut zurecht, denn zu dem, was ich wirklich will und was mir gut tut, komme ich immer noch und wenn ich Lust habe, kann ich immer noch irgendwo am Wochenende hingehen. Aber ich habe gar keine Lust rauszugehen. Das eine (der Wille zu lernen) scheint hierbei das andere (keine Lust, etwas zu unternehmen) zu beeinflussen.
Mir macht es auch nichts aus, jedes Wochenende dasselbe zu sagen: Ich lerne. Alle anderen gehen auf einen Geburtstag, machen was mit ihrem Freund, erholen sich, …und ich bleibe eben daheim. Ich bin aber eine der wenigen, die so denkt, der Rest braucht das Wochenende. Ich versuche die Zeit sinnvoll zu nutzen. Ich widerstehe also der Versuchung, einfach mal rauszugehen. Und das freiwillig und nicht aus Zwang. Psychologen würden sagen, dass das Über-ich stärker als das Es ist. Das Es will sich besaufen, hat aber wenige Chancen. Es ist alles eben nicht mehr wie früher. Das Nest ist anders und die wirklich tollen Gespräche führe ich wieder per Handy mit Sky, mit Maze in der Stadt, mit Tati in der Schule oder mit meinem neuen Brieffreund, der mit mir dem Schrecken der Digitalisierung entgegensieht.

Nur das Schreiben leidet etwas unter meiner neuen Zeiteinteilung, aber ich bin auch nicht in der Stimmung, mich mitzuteilen. Das bedeutet nicht, dass es mir schlecht geht, sondern eher, dass es nichts zu verarbeiten gibt. Mein Terminkalender ist wieder aktuell, wenn ich schreiben möchte, dann nehme ich mir die Zeit und Dr.D. meint, ich sei therapiert. Ich habe nur noch 2 oder 3 Sitzungen bei ihm. Davon ist die nächste im Januar. Ich finde es gut so. Mir geht es auch gut, solange ich nicht über mein Leben nachdenke. Und solange ich nicht verliebt bin. Für sowas habe ich keine Zeit. „Ich will nicht mehr auf irgendeinen Kerl warten!“ habe ich vor ein paar Wochen zu meiner Mum gesagt. Sie hat mir nur gratuliert und gemeint, sie habe 40 Jahre gebraucht, um das zu erkennen…
Navi habe ich einfach viel zu viel Zeit geschenkt, die ich nicht hatte. Und nun gilt es, nach und nach meine Defizite aufzuholen. Und da wäre ich ja verrückt, wenn ich mich in eine Beziehung stürzen würde. Außerdem bin ich immer noch der Meinung, dass ich besser ohne dran bin. Die Zeit mit jemandem zusammen zu verbringen kann zwar ganz nett sein, aber ich denke, dass ich allein besser dran bin. Ich habe meine Ziele und die werde ich nicht infrage stellen oder gar ändern. Nie wieder. Für keinen Kerl der Welt.

Was also die Wochenenden und das Leben an sich angeht, mögen die anderen zwar ihren Spaß haben, aber ich habe mich. Und das ist wichtig, weil ich mich nämlich verloren habe in all der Zeit. Weil ich mich verändert habe in all der Zeit. Leben bedeutet Veränderung, das hat mal ein Elektriker zu mir gesagt.

Mehr brauche ich also nicht. Nur mich, meine Freunde, interessante Gesprächspartner und Elektriker.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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