Was ist schon empirisch!? Und: Pro Individuum!

Das Wörtchen „empirisch“ habe ich das erste Mal in einem Hörbuch gehört und es hat mir sofort gut gefallen, da ich Fremdwörter mag und auch oft benutze.
Empirisch habe ich bis jetzt allerdings erst zwei Mal in meinem anderen Blog verwendet. Und beide Male – aus welchem Grund auch immer – in folgendem Zusammenhang: Das Leben ist nicht empirisch.

Eigenartig, dass ich diese Aussage im Zusammenhang mit dem Leben gemacht habe. Das ist auch schon eine Weile her…aber ich glaube, ich weiß ungefähr, was ich damals damit gemeint haben muss. Ich führe ja ein Tagebuch, was ich immer wieder gerne zur Hand nehme.
Damals jedenfalls ist sozusagen meine Welt im Ungleichgewicht gewesen und ich habe alles negativ gesehen. Also werde ich das Leben als etwas Unberechenbares gesehen haben, das sich auch wissenschaftlich nicht festlegen lässt und für das es kein Rezept gibt. Naja, Leben ist relativ. Besonders aus psychologischer Sicht…. Man kann ja Leben und eigentlich tot sein…aber davon ein anderes Mal….

Wie auch immer, „empirisch“ fiel heute im Pädagogik-Unterricht im Zusammenhang mit qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden, beruhend auf „empirischem Wissen“.
Als Beispiel für eine quantitative Forschungsmethode hatten wir hierbei einen Test: 50 Kinder sehen Gewalt im Fernsehen, 50 sehen sich die Sendung mit der Maus an. Wer wendet (in Zahlen gesehen) am Ende mehr Gewalt an? Das Ziel dieser Art von Datenerhebung ist ein messbares Ergebnis mit möglichst vielen Leuten. Allerdings kann das auch ziemlich daneben gehen und verfälscht werden. In Gemeinschaftskunde zum Beispiel werten wir gerade Diagramme aus. Und je nach dem wie es gezeichnet ist, kommt ein anderes Bild zustande. Alles Technik… Und wenn es in einer Werbung heißt, dass doppelt so viele Frauen mit dem Produkt zufrieden sind, so hat man eben vier befragt und zwei gefällt’s, während es vorher nur eine war. Eine Steigerung um 100 %. Wow!

Diese Experimente verändern die „Wirklichkeit“ in hohem Maße. Bzw. es wird uns mal wieder etwas suggeriert, bei dem wir eigentlich gar nicht mitgeredet haben und nun denken, dass das was da steht oder was wir sehen, richtig ist. Muss ja so sein, sonst käm’s ja nicht im TV.

Darum mag ich auch so dunkle Themen wie Alkoholismus, Depressionen und Suizid. Da kann nämlich keiner etwas festlegen, weil keiner in den Kopf der anderen sehen kann, die Dunkelziffer viel höher ist und über Suizid nicht viel gesprochen wird. Ein Tabuthema. Eigentlich auch schade…das macht die Unterdrückung der Seele nämlich auch nicht geringer.

Bei qualitativen Wissenschaften allerdings wird es erst richtig interessant. Denn das ist auch eher das, was ich mache. Die Menschen einzeln befragen, mir ihre Lebensgeschichten anhören und mich nicht auf irgendwelches „empirisch-wissenschaftliches“ Wissen berufen, das im Grunde genommen fast nur verzerrt.

Ich habe momentan sowieso meinen Narren an den Medien und der Unterhaltung im Fernsehen gefressen, wie man so schön sagt. Und wären die Menschen wirklich so doof, wie man es im Fernsehen sehen kann, so wäre das ganze ziemlich traurig und der Untergang der Kultur und des Individuums nicht sehr weit entfernt. Wenn man ein Jahr kein Fern mehr sieht, fällt das einem erst wirklich auf. Immerhin ist mein Kopf frei von solchem Müll und das lässt mich klarer denken. Meiner Meinung zumindest nach. Wenn Schillerstraße und GZSZ für andere DAS Leben widerspiegelt, dann muss man sich wirklich über die Einseitigkeit in den Köpfen der Menschen Gedanken machen. Haben diese Personen kein Leben? Wissen sie nicht, dass sie auch gewissermaßen Schauspieler sind?

Ich habe ja noch die Hoffnung, dass zumindest ein paar Menschen wirklich nachdenken und nicht so blöd sind. Und wäre diese Hoffnung – egal bei wem – verloren, so wären wir es alle auch. Dann würden alle mit dem Strom schwimmen. Beziehungen befürworten, bei denen der Kerl alles tut, von Stuttgart nach Berlin trampt nur um seiner Angebeteten Rosen zu übergeben, weil er ja so ein Idiot gewesen sei. Und genau diese Frauen sind dann sauer auf ihren armen Kerl, weil er das nicht macht. Fernsehen zeugt mehr Schein-Wirklichkeit und Leid als Realität. Und das sollte irgendjemand einmal ändern…oder zumindest einsehen. Realität ist etwas anderes. Realität ist eine Dokumentation. Oder die Nachrichten. Dinge, die man wissen sollte und nicht irgendein Schwachsinn ohne Funken Menschlichkeit.

Jedenfalls, zu den zusammenhängenden Geschichten, bzw. dem Qualitativen: Ich finde, dass das eine viel besser Lösung ist, als irgendwelche Statistiken. Bei richtigen Zahlen, Einwohnerzahlen oder sonst irgendwas kann ich das ja verstehen. Aber bei Befragungen finde ich es viel interessanter ein Interview in der Zeitung zu lesen oder zumindest eine Befragung, bei der einzelne Leute kurz zu etwas Stellung nehmen. Aber eine Grafik mit einem laschen Text sagt nicht viel Wissenswertes aus. Sagt die Meinung an sich von jedem einzelnen Individuum nicht aus.

„Revolution!“ wie es meine Freunde mit Herz und Verstand nennen. Kampf gegen die Masse. Pro Individuum!

Posted by Journey

Kategorie: Lerntagebuch

Autor: Journey

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3 Kommentare        

Der Begriff des Empirischen ist nicht allein für die Wissenschaft reserviert, sondern meint in seiner allgemeinen Bedeutung ‚Erfahrung‘. Die Zuordnung zu statistischen Verfahren ist deshalb nicht ganz richtig, denn qualitative Forschung nimmt in denmeisten Fällen eine (beobachtete, erfragte etc) Erfahrung als Ausgangspunkt der Forschung, um sie dann qualitativ auszuwerten. Meine Meinung: das Leben ist empirisch (wenn man empirirsch in seiner allgemeinen Bedeutung liest und nicht wissenschaftlich normiert). Leben lässt sich empirisch wissenschaftlich beschreiben, aber vor allem heißt Leben Erfahrungen machen und daraus lernen – oder auch nicht.

Ich denke allerdings, dass Erfahrung relativ ist. Es gibt nicht DIE Erfahrung oder ein Rezept für DAS Leben. Denn die Erfahrungen im Leben untereinander lassen sich nicht vergleichen. Ein Arbeitsloser kann zum Beispiel mehr erlebt haben als ein Manager. Daher kann das Leben auch nicht empirisch sein, weil so oder so jeder etwas anderes erlebt. Leben ist nicht festgelegt. Es steht jedem frei, was er damit macht. Wo das letztendlich endet weiß man nicht. Der Manager kann ja schließlich auch arbeitslos werden.

Aber (!) das Leben kann vielleicht in dem Zusammenhang empirisch sein, wenn man auf das, was man bereits erlebt/gehört hat und nachvollziehen kann, zurückgreifen kann und das auch macht. Wir machen ja normalerweise auch nicht immer die selben Fehler und fassen permanent die heiße Herdplatte an.

Je nach dem aus welchem Blickwinkel man es betrachtet kann es also empirisch sein oder auch nicht.

Erfahrung ist relativ: ja, sehe ich auch so. Und genau deshalb ist aus meiner Sicht das Leben eines jeden Einzelnen empirisch im Sinne von Erfahrung(en) machen. Damit meine ich nicht eine (!) genormte Erfahrung (wie auch immer man sich das vorstellen mag), sondern eben ‚Erfahrungen machen‘ generell oder an sich.

Wäre das Leben nicht empirisch, und ich lasse mal offen, was es darüber hinaus/daneben/darunter/ dazwischen etc. (?) noch sein kann, dann wäre es nicht möglich, auch nur einen Satz zu schreiben, geschweige denn zu denken – es sei denn, man argumentiert mit einer extremen Position des Rationalismus.

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