Dangerous Mood

„Das wird dir noch Leid tun!“ ist das Letzte, was mir meine innere Stimme ins Ohr brüllt. Ich habe ihr gerade gesagt, dass sie verschwinden soll. Anfangs baute sie mich noch auf. Aber in letzter Zeit weiß sie das, was ich mache gar nicht mehr zu schätzen. Sie drängt mich zur Entscheidung. Und nicht nur zu irgendeiner, sondern zu der, bei der sie am besten weg kommt. Ich vielleicht auch?
Ich drehe mich um, versuche einzuschlafen, niemanden zu hören, mir nichts einreden zu lassen…

Der nächste Morgen ist eigenartig. Ich bin nicht alleine im Bett. Neben mir liege ich. Ich richte mich langsam auf und blicke in mein schadenfrohes Gesicht. Auf eine Person, die ich bin und nicht bin.

Mein zweites Ich steht auf und mir wird klar, dass ich jetzt die Stimme im Kopf bin und nicht kontrollieren kann was „ich“ mache. Und mir wird Angst und Bange, da diese Person jetzt mein Leben führt.

„Was hast du vor?“ frage ich sie. „Ein bisschen Spaß…“ kommt es zurück. Aus meinem Mund. Mit meiner Stimme. Ich sehe mich. Wie ich mich bewege, zum Spiegel laufe und die Haare kämme. Ich weiß nicht, was ich denken oder sagen soll. Ich stelle mich daneben, doch ich sehe mich nicht im Spiegel. Ich sehe mich auch so nicht. Ich bin nicht da, nur ein Gedanke. Ich bin ich, die aus ihrem Körper ausgeschlossen wurde. War ich zu schwach? Hat das Böse nun Besitz von mir ergriffen? Oder bin ich am Ende auch noch selbst daran Schuld…weil mir Zweifel eingeredet wurden. Weil ich zu viel über beide Seiten der Medaille nachgedacht habe…

„Ich…ich will meinen Körper zurück!“ Sie, die ich ist, sieht skeptisch in den Spiegel. Sie sieht mich auch nicht. Aber ich weiß, sie hört mich. Wie ich sie immer gehört habe. Tag für Tag. Nacht für Nacht. Gedanke für Gedanke. „Forget it! Jetzt bin ich dran. Und dir wird Leid tun, dass du nicht auf mich gehört hast…“

Ich bin machtlos. Ich bin nicht so wie sie. Mir gehen die Argumente aus. Ich habe keine. Ich kann ihr nichts vermiesen, da ich nicht so wie sie bin. Sie hat mir immer alles vermiest. Sie wusste immer alles besser. Ich schweige, denke, suche verzweifelt nach der Lösung, wie ich diese Person los werde. Aber eigentlich sollte ich ja mit ihr zusammenarbeiten. Ab und zu klappt das auch. Aber da wir unterschiedliche Vorstellungen haben, geraten wir uns oft in die Haare. Und genau so oft hat sie am Ende Recht. Und sie kann so gut argumentieren, dass ich ihr gerne Recht gebe. Nur…ich frage mich, wie sie jetzt ohne mich kann, wo ich doch nüchtern gesehen nicht ohne sie kann. Ich denke, ich werde schweigen. Sie ihr Ding machen lassen. Sie verlieren sehen. Denn es gibt immer zwei Seiten. Und mein zweites ich ist so intelligent, dass es merkt, wenn es verloren hat. Und dann bin ich wieder dran…hoffe ich mal…

„Ich weiß, was du denkst“ sagt sie. „Aber, was willst du denn noch hier? Deinen Körper hab ich, genauso wie den ganzen Rest. Niemand wird den Unterschied merken, weil du relativ wenig vom Ganzen bist. ICH bin das Meiste vom Ganzen! Was willst du hier noch leben? Hab doch Spaß ein Geist zu sein, ein Gedanke, ein Bruchteil Seele! Komm mir mit was Besserem und ich gebe dir den Körper wieder.“

Ich schweige. Was soll ich denn auch noch dazu denken? Aber auf einmal weiß ich, was ich will. Ich will hier nicht versauen. Ich will Leben und erleben, berühren und spüren. Und ich muss dem ein Ende setzten, bevor sie da rausgeht, an diesem einen Tag, und mir nimmt, was uns beiden gehört. Ich beginne also wie wild auf mich mit Worten einzuschlagen.“Ich will nicht, dass du dass alleine machst. Wir sind ein Team und ich mag dich. Du bist ein Teil von mir, ein großer. Ich mag vielleicht klein und schwach sein. Und ich bin vielleicht nur durch dich erst richtig stark…du bist mein Denken!“
„Und?“ fragt sie mich.
„Und was?“ frage ich zurück.
„Und weiter? Ist das alles, was du zu sagen hast?! Ich habe genauso wie du eine Chance verdient!“
„Jain. Ich gebe dir hierbei Recht. Aber du bist doch bereits ich. DU hast doch die Kontrolle. Lass mir doch das bisschen Leben, das bisschen Leid…“
„Welches Leben denn? Du weißt ja nicht mal, was du willst ohne mich!“
„Das weiß ich schon, nur du hast genauso Recht wie ich. Und du redest mir vieles ein, was mir dann auch glaubwürdig erschient.“
„Also soll ich mich ganz verpissen?!“
„Nein! Das will ich nicht…ich mag doch, wie es ist, auch wenn es nicht gut ist. Aber ich mag nicht mit dir streiten. Und ich verstehe nicht, wozu du meinen Körper brauchst, du hast doch meinen Geist…meine Seele…mein Vertrauen!“

Ich wache auf und ich bin ich. Ich höre keine Stimme, doch ich weiß sie ist da. Sie ist ich. Und wir haben uns gegenseitig unter Kontrolle. Das bisschen Prozent gute Seele, die ich besitze, gleicht sich wieder mit dem Negativen aus, hält es in der Wirklichkeit. Genauso wie sie es mit mir macht. Und keines kann ohne den anderen überleben. Denn beides bildet das Ganze.

Posted by Journey

Kategorie: (Kurz)geschichten

Autor: Journey

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