Zum Johari-Window aus meinem letzten Beitrag gibt es online auch eine Seite, auf der man aus 56 Begriffen sechs Eigenschaften aussuchen soll, die zu einem passen. Dann schickt man den Link an Freunde, Familie und Bekannte, die das ebenfalls für einen ausfüllen. Anschließend kann man abgleichen, wo es Überscheidungen gibt und z.B. reflektieren, warum andere einem Begriffe zuordnen, die man sich selbst nicht zuschreibt.
Ursprünglich wollte ich darüber dann bloggen und das hier ausführlicher reflektieren, aber als ich auf Facebook angefragt habe, was die anderen so über mich denken, hat außer Observer keiner den Bogen ausgefüllt. Ihn habe ich aber auch direkt via Mail gebeten, was wohl vernünftiger ist.
Da meinen Blog auch nur wirklich interessierte Menschen lesen und ich daher meinen Lesern etwas mehr zutraue als der Facebooktimeline, verlinke ich die Seite hier noch mal, falls mir jemand von euch ein paar Begriffe zuzuordnen möchte:
Johari-Fenster von Lui auf Lebensgunst.de
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir dazu unter diesem Beitrag einen Kommentar mit euren Gedanken dazu hinterlassen würdet oder anderweitig eine Nachricht schreibt wie z.B. über das Kontaktformular.
Ich selbst habe mich extrem schwer damit getan aus der ellenlangen Liste die Adjektive herauszufinden, die mich am besten beschreiben. Letztendlich habe ich mich für anpassungsfähig, bescheiden, liebevoll, logisch, nachdenklich und schlau entschieden und möchte im Folgenden meine Gedanken dazu erläutern.
anpassungsfähig: Das werden vielleicht einige, die mich kennen, wohl verneinen und mir eher eine Anpassungsstörung zuschreiben. Aber ich bin das durchaus bis zu einem gewissen Grad. Leider bin ich es nicht bewusst, sondern unbewusst. Ich habe daher manchmal schon so meine Schwierigkeiten mich von anderen abzugrenzen und meine Wünsche zu erkennen, zu äußern und diese dann auch durchzusetzen.
Zur Zeit versuche ich aber bewusster, darauf mehr zu achten, auch wenn mein Umfeld den Rückzug nicht unbedingt supertoll findet. Für mich liegt die Kunst darin, nicht einzuknicken und bei mir zu bleiben, denn ich finde eine Anpassungsfähigkeit ist nicht unbedingt immer nur positiv.
bescheiden: Das bin ich mit meiner sparsamen und genügsamen Art definitiv und es ist auch das, was Observer über mich angegeben hat. Ich bin es sowohl im positiven, was das Materielle angeht, als auch im negativen, was meine Talente angeht.
Ergo: Es ist gut und fühlt sich klasse an, wenn man aus Überzeugung und nicht aus Verzicht mit wenigen Dingen zurecht kommt. Wäre ich hingegen etwas weniger bescheiden, was mich angeht, würde sich mein Buch bestimmt besser verkaufen…
liebevoll: Ja, ich halte mich für liebevoll, auch wenn ich es manchmal auf meine spezielle Art und Weise bin. Das wurde mir auch schon von anderen bestätigt, unabhängig vom Johari-Window.
logisch: Ich versuche fast alles mit Logik zu lösen, liebe Zahlen und Listen und Tabellenkalkulationen. Die Grenzen erkenne ich im Zwischenmenschlichen, da mir dort nicht immer alles so logisch erscheint und in dem Zwang, alles mit Logik lösen zu wollen, was nicht immer die idealste Lösung ist.
nachdenklich: Ich glaube meine Texte sprechen hier für sich… ich denke über alles und nichts nach… sehr oft und seeeeeehr ausgiebig.
schlau: Bei diesem Begriff war ich mir unsicher. In mir war jedenfalls eine sehr laute Stimme, die meinte: „Hey, du bist eigentlich total doof und da „intelligent“ auszuwählen ist ja mal sehr gewagt und arrogant von dir. Da gibt es weitaus intelligentere Menschen als dich!“ Aber da ich mich dann doch nicht ganz so blöd gefühlt habe, wie mir die Stimme weismachen wollte, habe ich mich für „schau“ entschieden. Was es aber auch nicht so ganz trifft, da schlau auch negativ sein kann.
Observer sieht mich zudem als: großzügig, organisiert, still, tapfer und verlässlich.
großzügig: Ja, das bin ich auch, vor allem was das materielle/finanzielle angeht. Da gebe ich sehr viel, aber nie mehr, als ich fähig bin zu geben. Ich denke er empfindet durch seine Situation diese Großzügigkeit natürlich noch einmal anders.
organisiert: Ich selbst sehe mich durch meinen enormen Anspruch nur als mäßig organisiert. Dass nicht nur er das anders sieht, weiß ich. Im Vergleich zu anderen bin ich wohl auch organisierter… aber vor mir selbst empfinde ich eben nicht so. Immerhin fühle ich mich nicht mehr als total unorganisiert, sondern kann mittlerweile auch mal drüber stehen, wenn ich nicht weiß, was ich morgen koche (sofern ich nicht anderweitigen Stress habe).
Organisation ist aber auch für mein ADS und mich elementar zum Überleben. Es hat schon seinen Grund, warum ich manchmal schon zwanghaft daran festhalte…
still: Das war ich irgendwie schon immer, was mir auch sehr oft bestätigt wurde. Von außen kann man das wohl auch eher beurteilen, denn in mir ist es überhaupt nicht still…
tapfer: Ich lebe noch. Das sah nicht immer so aus (Stichwort: Mobbing, Depressionen, Selbstverachtung, Klinik, 10 Jahre Therapie, …). Sich emotional auf sich alleine gestellt zu fühlen und trotz der Steine im Weg weiterzumachen schafft man vermutlich nur, wenn man tapfer ist…
verlässlich: Das können andere wohl besser beurteilen… was sind da eigentlich die Kriterien?
Bei meinem letzten Johari-Window-Beitrag hatte Observer auch so einige Fragen gestellt. Ganz interessant und passend zu diesem Beitrag finde ich folgenden Abschnitt:
Wie sieht es eigentlich mit den Werten selbst aus? Kann man sich sicher sein, dass die Definition diverser Wertebegriffe von verschiedenen Personen gleichermaßen interpretiert wird? Wie sieht es mit der „Färbung“ von Wahrnehmungen aus, z.B. die persönliche Stimmungslage, der Beziehungsstatus zu einer anderen Person, eigene Wertmaßstäbe, Vorurteile, negative/positive Erfahrungen, Projektionen eigener Gefühle u.v.m. haben sehr wahrscheinlich einen großen Einfluss auf alles, was wir uns selbst und anderen tagtäglich „spiegeln“.
Beim Ausfüllen des Johari-Windows habe ich festgestellt, wie unklar viele Begriffe doch sein können. Ich habe daher manches nachschlagen müssen, weil mir z.B die Unterschiede zwischen „liebevoll“und „fürsorglich“ sowie „schlau“ und „intelligent“ bei näherer Betrachtung dann doch nicht mehr so klar waren.
Was ich damit sagen will: Nur weil ich selbst davon ausgehe, dass ein Begriff eine Bedeutung hat, muss das nicht allgemein gelten, da wir Menschen unterschiedlich interpretieren können, auch wenn die Definition im Wörterbuch eigentlich eine identische Ausgangslage schaffen sollte. Da hat Sprache definitiv ihre Grenzen.
Nehmen wir zum Beispiel den Begriff „nett“… Auf Wortbedeutung.info steht:
Wortbedeutung/Definition: lieb, liebenswürdig, angenehm
Begriffsursprung: Spätmittelalterlich über das Niederrheinische und Niederländische aus dem französischen net = makellos, klar, fein, …, das seinerseits vom lateinischen nitidus = glänzend, schillernd, stattlich, schmuck herstammt.
Meine Erfahrung mit dem Wort im Alltag ist hingegen eine ganz andere. Jemanden als „nett“ zu bezeichnen ist beinahe schon eine Beleidigung ganz nach dem Motto: Nett ist die kleine Schwester von scheiße.
Noch ein Punkt, den man beim Ausfüllen den Johari-Windows bedenken sollte:
Eine Eigenschaft, die man sich oder jemandem anderen gerade zuschreibt, muss nicht unbedingt für die Persönlichkeit im Ganzen und für immer gelten. In den Kommentaren zu meinem letzten Beitrag haben Observer und ich uns auch Gedanken darüber gemacht, in wie weit das Johari-Window daher nur eine Momentaufnahme sein kann.
Ich nehme ihn zum Beispiel als nervös wahr. Das würde in seiner Lage aber vermutlich jeder ausstrahlen. Er muss damit aber keine dauerhaft nervöse Persönlichkeit sein. Wirklich interessant wird es, wenn der Zustand wegfällt, der in meinen Augen seine Nervosität auslöst. Sucht er sich einen neuen „nervösen Zustand“? Wenn ja, werde ich ihn auch weiterhin so wahrnehmen.
Zum Thema Identität habe ich übrigens im Blog schon ein paar seeeehr ausführliche Beiträge verfasst, da mich das Thema schon sehr lange begleitet…
Ein Beitrag ist von 2019 Wer bin ich eigentlich?, ein anderer ist mein „Über-mich-Text“ Wer bin ich?, der auch noch mal ein paar Gedankenimpulse enthält. : )