Ich lösche dich aus meinem Leben. Also von Facebook. Lese deine Nachrichten zwar, antworte aber nur sporadisch oder nichtssagend oder was von dem ich denke, dass du es hören willst. Und irgendwann…tja, da antworte ich dann gar nicht mehr. Jaja, wir hatten mal ein Date ausgemacht. Wollte ich wohl doch nicht. Oh, du lädst mich ein? Ich sage „vielleicht mal“, bemühe mich aber doch nicht um eine Zeit und einen Ort. Sage dann ab. Aber natürlich erst, wenn du mich fragst, wie es denn nun aussieht. Und natürlich schlage ich keinen Alternativtermin vor. Will ich ja auch nicht wirklich. Aber das weiß ich ja nicht. Vielleicht blockiere ich dich aber lieber auch gleich. Erspart mir den Ärger, mich wirklich mit dir auseinanderzusetzen.
Ich bin leider das, was viele Menschen heute so sind. Und du kannst mich nicht einschätzen. Ich dich doch auch nicht. Du lässt dir nicht in die Karten gucken, bist damit unehrlich. Warum sollte ich mich anders verhalten? Woher sollte ich wissen, dass es nicht klar ist, dass ich eigentlich nicht mit dir schreiben will? Vielleicht ist mir das selbst nicht klar? Vielleicht will ich dir (im besten Fall) nicht wehtun und trage den Konflikt lieber mit mir aus als mit dir? Vielleicht ignoriere ich auch alles, weil das als Desinteressebekundung ausreichen sollte? Oder weil ich mir absolut sicher bin, dass ich mir unsicher bin…und eigentlich gar nicht weiß, was ich will…
Dies spiegelt leider den typischen Menschen heutzutage wider in einer Zeit, in der man seine zukünftigen Dates anhand eines Bildes über einen Wischer auf dem Smartphone auswählt, sie anschreibt, vergisst, ihnen Hoffnungen macht ohne darüber nachzudenken, sie auf dem Trockenen sitzen lässt, sich warm hält,… dafür sorgt, dass das letzte bisschen Vertrauen in das Gute in ihnen kaputt geht.
Diese kurzen Gedanken dazu zeigen in etwa das meiste auf, das ich zwar zum Teil verstehen kann, aber selbst nicht einfach so hinnehmen und akzeptieren will. Ich (also Journey/Lui) würde nämlich am liebsten die Welt verändern und zu einem besseren ehrlicheren Ort machen ohne all die Missverständnisse und Spielchen, die man so spielt, weil sie ja jeder spielt…
Und dabei bin ich alles andere als perfekt. Ich habe auch schon auf unschöne Weise Menschen aus meinem Leben gekickt, die das so auf diese Art nicht verdient haben. Und etwas in mir bereut es zutiefst, dass ich nicht ehrlich sein konnte, Ausflüchte gesucht habe, auf Abstand bin…ganz einfach, weil ich mich nicht getraut habe, mit der Person in einen möglichen Konflikt zu gehen oder weil ich mir selbst nicht darüber im Klaren war, was ich will. Oder weil die Person mir nicht wichtig genug war in dem Moment, weil ich einfach andere Prioritäten hatte. Im Grunde genommen ist all dieses Verhalten aber feige und was noch viel wichtiger ist: Es ist unfair und unehrlich, weil mein Gegenüber nichts von all dem weiß, was wirklich in mir vorgeht…er sieht nur, dass ich nicht antworte, denkt sich seinen Teil, wird verletzt von meinem Verhalten. Und damit schädige ich weitaus mehr seiner Psyche als ein ehrliches: „Du, ich habe einfach kein Interesse mehr.“
An dieser Stelle tut es mir sehr sehr Leid, dass ich vor über einem Jahr einen Bekannten einfach so auf Facebook gelöscht habe. Sicherlich haben wir uns beide auseinandergelebt bzw. in unterschiedliche Richtungen entwickelt…aber das sollte kein Grund sein, jemanden, der einen nach wie vor mag und mit dem man eine schöne Zeit hatte, einfach so vor den Kopf zu stoßen. Ich bin ihm letzte Woche dann im Real Life begegnet, was eine ganz neue Erfahrung für mich war, denn wir haben darüber auch real von Angesicht zu Angesicht gesprochen (so gut es eben ging, denn eigentlich bin ich nach wie vor konfliktscheu). Ich bin dann zwar wieder mehr oder weniger aus dem Gespräch weggelaufen, aber es wurde mir auch mit der Zeit unangenehm, weil wir uns in einer Kneipe befanden und er schon ziemlich viel getrunken hatte, mein Vater daneben saß und ich nüchtern war, da ich ja keinen Alkohol mehr trinke. Und naja, dass ich auf den Bus musste traf sich also leider gut…
Aber das wirft in mir die noch unbeantwortete Frage aller Fragen auf:
Warum sind wir Menschen – warum bin ich – eigentlich so?
Menschlichkeit definiert sich durch das Handeln und Verhalten von Menschen. Und ich finde das eigentlich inkorrekte und egoistische aber leider moderne (Wegwerf-)Verhalten sollte nicht den Begriff von Menschlichkeit prägen. Ich finde, wir Menschen sollten beginnen, an uns zu arbeiten und uns dem zu stellen, wovor wir uns drücken, weil das wichtig für uns und unser Gegenüber ist.
Ich meine…immerhin versuche ich wirklich ein guter Mensch zu sein und dazu zählt für mich Ehrlichkeit und das Erklären vieler Dinge, um Missverständnisse zu vermeiden. Das ist zwar manchmal hart, aber weitaus fairer, als sich gar nicht mehr zu melden…
04.01.2019, 23:56
***: Gutes neues Jahr noch11.01.2019, 23:45
Lui: Hallo ***, es hat nun eine Weile gedauert, bis ich deine Nachricht geöffnet und mich nun doch dazu durchgerungen habe, dir zu antworten. Es ist nämlich nicht meine Art, gar nichts mehr zu schreiben…ich mag dieses Verhalten gar nicht, auch wenn ich leider selbst dazu neige, Konflikten so aus dem Weg zu gehen. Aber eigentlich bin ich der Meinung, dass es kein guter Weg ist jemanden zu löschen aus der Freundesliste, nicht mehr zu antworten und vielleicht auch zu blockieren,… alles zu verdrängen… So sollte man nicht mit Menschen umgehen, auch wenn es heutzutage standard geworden zu sein scheint.
Was ich sagen will ist halt auch nichts so Schönes für dich und vielleicht ziehe ich es durch meine lange Erklärung auch etwas in die Länge, aber ich möchte, dass du verstehst, warum ich dir das jetzt alles so darlege. Ich halte es jedenfalls nicht mehr für sinnvoll, dass du mir schreibst, da du mich damals angeschrieben hattest, als ich single war, was auch okay für mich war, mir jetzt aber unangenehm ist, wenn ich ehrlich bin. In diesem Sinne wünsche ich dir auch ein gutes neues Jahr und Liebe und Ehrlichkeit!
In diesem Sinne: Lasst uns beginnen, die Welt zu einem besseren Ort werden zu lassen!
Edit: Dank meinem Freund weiß ich, dass es für dieses Verhalten sogar einen Begriff gibt: Ghosting. Und das findet sogar mitten IN einer Beziehung statt…
Liebe Lui, ob man die Frage „Warum sind wir Menschen – warum bin ich – eigentlich so?“ wirklich sinnvoll nur mit Worten beantworten kann, wage ich zu bezweifeln. Der Mensch scheint sich oft in seinen Worten und Gedankengängen zu verirren und wundert sich dann, wenn er Dinge tut, die seinen eigenen Moral- und Wertevorstellungen widerspricht. Ich möchte das mit einem Zitat aus dem Zen-Buddhismus (Meister Ekai) zum Ausdruck bringen:
Worte können nicht alles beschreiben.
Des Herzens Botschaft lässt sich nicht in Worte fassen.
Wer Worte wörtlich nimmt, ist verloren.
Wer mit Worten zu erklären versucht,
Kann keine Einsicht ins Leben gewinnen.
Wir haben ALLE noch viel zu lernen, wenn wir die Welt zu einem besseren Ort machen wollen. Vor allem liegt einer der Schlüssel dafür nicht nur in den Worten, sondern in den Verhaltensmustern, im Tun und Handeln und an welchen Werten wir uns dabei orientieren. In der Achtsamkeit und im Respekt vor allem was um uns und in uns ist.
Ganz liebe Grüße
Siegfried
Lieber Siegfired,
ich danke dir für deinen bereichernden Kommentar!
Ich glaube als erstes sollten Worte dem Handeln vorausgehen. Denn irgendwie sollte man ja diese Moralvorstellungen auch mitteilen und definieren können, um sich ihrer überhaupt bewusst zu werden, oder? Und erst dann gilt es, nach diesen zu handeln oder es zumindest zu versuchen oder anzustreben. Das funktioniert dann nicht starr wie eine mathematische Gleichung, weil es (wie du so schön beschrieben hast) im zwischenmenschlichen Bereich Ebenen gibt, die sich eben nicht mit Worten beschreiben lassen…weil da so vieles mitspielt, dass es dafür einfach auch kein Rezept geben kann.
Das habe ich mittlerweile auch erkannt und dennoch ist es für mich gar nicht immer so einfach, mich von der logischen Ebene (Worte) zu lösen und auf diese andere Ebene zu gelangen. Ich wünsche mir Worte quasi als eine Art sicheren Anhaltspunkt für all das Zwischenmenschliche, das ich nicht immer verstehe und habe die Hoffnung, dass es irgendetwas im Umgang mit anderen einfacher macht. Was oft auch der Fall sein kann, weil Klarheit extrem wichtig ist für zwischenmenschliche Beziehungen…aber leider ist das ganze dann auf den zweiten Blick doch nicht ganz so einfach, wenn die anderen Ebenen ins Spiel kommen…
Ganz liebe Grüße auch an dich
Lui
Als Jugendlicher ist mir dies passiert:
Einem Menschen, dem ich mich viele Jahre sehr nahe gefühlt hatte, habe ich nach langer Zeit des nicht-Sehens am Telefon gefragt, wann wir uns mal wieder treffen könnten. Er sagte mir daraufhin ganz unverblümt, dass er nicht Gefühl habe, sich mit mir treffen zu wollen.
Das war der Hammer für mich und hat mich tief verletzt. Doch ich war nicht wirklich wütend, weil ich ungeheuren Respekt vor seiner Ehrlichkeit hatte.
Wir haben uns nie wieder gesehen. Doch wenn es das war, was er brauchte, dann war es gut so. Und dann war es das Beste für alle, es mir genau so mitzuteilen: freundlich, aber bestimmt.
Obwohl: Ich widerspreche mir jetzt mal sofort selbst, denn so eindeutig ist das nicht.
Du schreibst woanders:
> Es ist wie so oft in einer Beziehung zwischen zwei
> Menschen mit verschiedenen Vorstellungen von Nähe
> und Distanz nämlich der Fall, dass der Distanzmensch
> den Ton angibt und der Nähemensch sich eben fügt,
> denn was soll er auch machen?
Dass dies so sein muss, ist ja nicht selbstverständlich. Vielleicht üblich (weil der Distanzmensch eben am längeren Hebel sitzt), aber kein Muss! Es könnte sich ja auch der Distanzmensch fügen.
Einer leidet immer, bei einem Kompromiss sogar beide, besonders dann, wenn man sich mag und einen das Leid des anderen selbst leiden lässt.
Huch! Wenn ich damit recht habe, dann wäre es tatsächlich die Leidensfähigkeit, die der Schlüssel zu einer langen Beziehung zwischen ungleichen Partnern ist :-O