Diese Kurzgeschichte hatte ich mal vor über einem Jahr bei einem Wettbewerb eingereicht. Da ich nie wieder was von denen gehört habe und auch nicht mehr damit rechne, poste ich sie nun einfach mal, da ich heute wieder gemerkt habe, wie entspannend ich Sortierarbeiten finde… und wie sehr es mich erfüllt, irgendetwas zu strukturieren oder zu ordnen.
Ich ordne die Perlen vor mir. Nach Farbe, Form und Größe. Jede einzelne von ihnen wird in ein eigens von mir zugeteiltes durchsichtiges Kästchen einsortiert. Und jedes dieser Kästchen ist aus derselben Baureihe und lässt sich später natürlich mit einem Deckel versehen und somit gut stapeln. Beim Gedanken an diese Ordnung empfinde ich eine unglaubliche Ruhe und eine Art innere Befriedigung und ich freue mich auf das zukünftige Gefühl, etwas abgeschlossen zu haben.
Während ich mich also mit dieser Arbeit beschäftige, verliere ich wie immer jegliches Zeitgefühl. Als ich das erste Mal auf die Uhr blicke, sind mehrere Stunden vergangen. Anderen, „normalen“ Menschen, erscheint das, womit ich meinen Samstag verbringe, vermutlich wie sinnlose Sisyphusarbeit. Eine Art Beschäftigungstherapie. Unnötig und ohne Zweck. Aber ich sehe das anders, gehe eben voll darin auf und sehe daher auch nicht ein, warum ich aufhören sollte. Es ist ja sowieso noch nicht alles geordnet. Es tauchen auch immer mehr neue unterschiedliche Perlen auf, die eigentlich je ein neues Kästchen benötigen. Ich ahne schon, worauf das hinausläuft und stelle irgendwann fest, dass mir einfach noch einige Kästchen fehlen, damit jede ihr eigenes hat. Nun muss ich wohl oder übel umdenken, wenn ich mit dieser Aufgabe heute noch fertig werden und sie abschließen will.
Ich entscheide mich vorerst dafür, immer zwei Farbtöne zusammenzufassen. Bei sechs verschiedenen Farben, die alle komplementär sind, könnte ich mir also pro Art der Perle drei Kästchen sparen.
So beginne ich also damit, die grünen und die magentafarbenen runden Perlen in ein Kästchen zu sortieren. Genauso verfahre ich mit den Farben blau und gelb sowie rot und cyan. Und natürlich auch mit den ganzen anderen Formen. Doch als sich in meinem Kopf leider nicht der mittelgraue Wert einstellt, der sich beim Zusammenfügen von zwei Komplementärfarben ergeben und für eine Harmonie sorgen soll, beginne ich an meiner Entscheidung zu zweifeln. Alles wirkt nämlich trotzdem so unordentlich, als wäre das alles willkürlich.
Ich hätte mir ja auch Kästchen sparen können, wenn ich pro Farbe alle zugehörigen Formen zusammengefasst hätte. Aber dann bräuchte ich zum einen viel größere Kästchen und zum anderen erschien mir diese Lösung in der späteren Anwendung irgendwie unpraktisch, da sich eine Form nicht so gut abhebt, wenn alles die gleiche Farbe hat. Doch der Ansatz, die Perlen wiederum nur nach ihrer Form zu sortieren, käme für mich ebenso nicht infrage, denn das wäre mir definitiv zu bunt. Und bunt ist nicht hübsch.
‚Aber am hübschesten wäre wohl wirklich, wenn jede Perle ihr eigenes Kästchen hätte…‘ denke ich mir und verfluche mich, nicht vorher einfach mehr Kästchen gekauft oder das alles besser durchdacht zu haben.
Leider war auf der Verpackung der Perlen nicht genau definiert, um welche Formen es sich im Inneren handelt und so habe ich beim Durchsehen der durchsichtigen Tüte von außen eben eine Form komplett übersehen. Das fällt mir aber auch erst jetzt auf, wo ich schon fast ein Viertel davon sortiert und einen Überblick über die verschiedenen Perlen habe.
Ich bin irgendwie unzufrieden mit der Notlösung, die keine ist, und will daher gar nicht weitermachen, was mich frustriert. So kann ich das ganze nämlich nicht auf eine Weise beenden, die in mir das gute Gefühl der durchdachten absoluten Ordnung auslöst.
Notgedrungen beschließe ich also, das ganze erst mal ruhen zu lassen und mir erst mal auszurechnen, wie viele Kästchen mir noch fehlen, damit ich kompromisslos und frei weiter sortieren kann. Bei sechs Farben sind das also sechs Kästchen pro Art. Da gibt es die ovalen, die runden kleinen, die runden großen, die quadratischen und die rauteförmigen Perlen, welche auf den ersten Blick eben wie die quadratischen aussehen, jedoch in ihrer Bohrung um 45 Grad gedreht sind.
Laut meiner neuen Rechnung brauche ich also insgesamt 30 Kästchen. Da ich aber nur 24 habe, fehlen mir noch sechs. Diese schreibe ich auf meine Einkaufsliste und verräume erst mal alles wieder in meinem Schrank.
Dann blicke ich auf mein Handy, wo mich drei neue Nachrichten und sieben verpasste Anrufe erwarten.
„Was machst du?“
„Warum kann ich dich nicht erreichen?!“
„Klappt das jetzt eigentlich morgen?“
Alle natürlich von derselben Person. Seit neustem habe ich nämlich einen Freund, was vieles irgendwie komplizierter macht. Vorher wollte keiner wissen, was ich mache und dieses Interesse ist sehr ungewohnt für mich, was gelegentlich zu Problemen führt, von denen er jetzt aber nicht so wirklich viel mitbekommt, weil ich das mit mir ausmache. Also denke ich mir manchmal einfach etwas aus, um nicht unnötig den Fokus darauf zu lenken.
„Hab geschlafen…“ schreibe ich im also als Antwort zurück. Das klingt irgendwie besser als: ‚Ich habe mein Handy lautlos gemacht, um in Ruhe Perlen zu sortieren.‘
Ja ich weiß…okay ist diese Lüge wohl nicht, aber was soll ich ihm auch erzählen? Er wäre vermutlich irgendwie enttäuscht, dass ich manchmal lieber Dinge ordne und sortiere, weil es mich mehr beruhigt als mit ihm zu schreiben oder mit ihm zu telefonieren. Und ich mag ihn ja und will ihm ja auch nicht wehtun.
Kaum habe ich die Nachricht verschickt, klingelt auch schon das Handy und ich gerate leicht in Panik. Am liebsten würde ich da schriftlich weitermachen, aber ich reiße mich zusammen, verdränge kurz meine Telefonphobie und gehe ran.
„Hallo meine Liebste, ich dachte mir, dass wir das schneller und einfacher am Telefon geklärt haben und da du ja nur ein Prepaidhandy hast, rufe ich dich an…wie hast du geschlafen? Ist alles in Ordnung bei dir?“
Es ist ja schon süß, dass er da so an mich denkt, aber meine Antworten bleiben dennoch kurz mit „Gut.“ und „Ja.“ In Gedanken bin ich nämlich ganz woanders und damit beschäftigt, dass ich gerade keine Ahnung habe, um was es eigentlich geht. Ich habe irgendwie keinen Plan und mir wird immer mehr bewusst, dass der jetzt in diesem Gespräch spontan entstehen muss. Allerdings fühle ich mich total unvorbereitet und kann jetzt auch nicht einfach im Handy nachgucken, weil ich dann vermutlich versehentlich vor Nervosität irgendwelche Tasten drücke. Also lasse ich es lieber, versuche ruhig zu atmen. Damit habe ich aber auch nichts, woran ich mich festgehalten kann. Also laufe ich umher und verfluche das alles still für mich. Telefonieren liegt mir einfach gar nicht. Warum sollte es schneller und einfacher gehen, wenn ich jedes Mal einen Hänger bekommen, wenn ich unvorbereitet am Telefon reden muss?
Ohne ihn an meinem inneren Chaos teilhaben zu lassen, lenke ich also lieber den Fokus auf sein Befinden und wie sein Tag so war, bevor er mir die Frage wegen morgen stellen kann. Parallel male ich auf einem Blatt herum und werde auch langsam wieder ruhiger, sodass ich ihm von mir aus sagen kann, wann er morgen kommen soll.
Als wir das Gespräch beenden, bin ich dennoch erleichtert und blicke mich in meiner Wohnung um und in dem Chaos, das vermutlich wirklich nur in meinem Kopf existiert. Meine Gäste finden mich nämlich hyperordentlich und meine Wohnung mehr als steril. Das sehen aber nur sie so. Meiner Meinung nach könnte das alles noch sauberer sein…
Im Geiste trage ich also noch weitere Störungen auf meiner Liste ein, auf der bereits diverse Zwänge, die Telefonphobie und andere soziale Störungen stehen: Ordnungszwang. Und Listenzwang.
Für den nächsten Tag habe ich alles auf die Minute genau getaktet und sogar menschliches Zuspätkommen eingeplant, da er so ein Typ dafür ist und bisher auch immer ein paar Minuten zu spät gekommen ist. Aber natürlich habe ich dann nicht eingeplant, dass er zu früh kommt.
Als es an der Tür klingelt, fällt somit alles in sich zusammen und ich fühle mich mal wieder einer Situation ausgeliefert, auf die ich absolut nicht vorbereitet bin. Noch ein Punkt für die Liste: Kontrollzwang. In Beziehungen ist das natürlich nicht wirklich von Vorteil, denn andere Menschen sind leider unberechenbar. So wie jetzt.
Mein Zittern verbergend öffne ich also die Tür. Mein Herz macht einen Sprung und ich versuche ruhig weiterzuatmen. Dieser Sprung meines Herzens bei seinem Anblick ist aber leider kein Zeichen von Liebe. Er gleicht eher einer Panikattacke, also keinem positiven Gefühl. Man könnte es mit einem Fehler vergleichen. Einer Anomalie. Als wäre meine Herzschlagfrequenz aus dem Takt. Heißt ja nicht umsonst Herz-Rhythmus-Störung.
Ich ringe mir dennoch ein Lächeln ab und frage: „Na, was machst du denn schon hier?“
Dann zückt er aus dem Nichts eine Rose, was mich völlig auf dem Konzept bringt. Andere Frauen würden wohl denken: ‚Oh, was für eine tolle Aufmerksamkeit!‘ Ich denke mir nur, dass ich dafür definitiv keine Vase habe und der Rose nicht gerecht werden kann. Und während ich das denke und in sein Gesicht blicke, das überglücklich wirkt, mich zu sehen, tut er mir einfach nur leid. Vielleicht hätte ich lieber Single bleiben sollen?
Er scheint leider bemerkt zu haben, dass ich extrem angespannt, gestresst und fast schon panisch bin. Langsam bröckelt seine anfängliche Freude und fällt dann vollständig von ihm ab. Betrübt stellt er also fest: „Du freust dich nicht mich zu sehen…“
Da er das direkt auf sich bezieht, widerspreche ihm auch ebenso direkt: „Doch, ich freue mich…“
Das ist auch nicht gelogen. Natürlich freue ich mich irgendwie, ihn zu sehen. Bloß freue ich mich nicht auf das Drumherum, auf dieses Umfeld aus Stress, wenn mich jemand besucht oder Menschen meine Nähe suchen. Egal wer es ist.
Mein Gedanke wird unterbrochen von einem Zischen, das aus der Küche ertönt. „Oh nein, sorry, die Nudeln!“ rufe ich, drehe mich um und lasse ihn stehen. Im Geiste verfluche ich mich für meine Unaufmerksamkeit und danke gleichzeitig den Nudeln, dass sie mich aus dieser Situation errettet haben.
Aus der Küche höre ich, wie die Tür ins Schloss fällt. Kurz frage ich mich, ob das jetzt zu viel war und er gegangen ist, weil ich gar nicht so wirklich auf die Rose reagiert habe, aber ich höre, wie er im Gang die Schuhe auszieht.
Überfordert von dieser Außerplanmäßigkeit mit der Rose versuche ich mich nun auf das zu fokussieren, was nun wirklich wichtig ist: Essen kochen. Und gerade, als in mir alles wieder ruhiger wird, ertönt aus dem Wohnzimmer die Frage, vor der ich mich gefürchtet habe: „Hast du eine Vase?“
Der Takt wird wieder unruhig, mein Herz setzt aus. Was war noch mal wichtig? Ach ja, das Essen.
„Moment“ rufe ich also zurück ohne zu wissen, wie lange so ein Moment denn dauern kann. Wenn es gerade nach mir geht, dann so lange ich lebe. Oder zumindest eine Vase besorgen kann.
Während wir essen, sieht er mich nicht an und schweigt. Er meinte nur, dass ich gut gekocht habe und hat dann nichts mehr gesagt. Die Rose habe ich ihm dann doch noch dankend abgenommen, als ich kurz ins Wohnzimmer bin, um den Tisch zu decken. In der Küche habe ich sie dann in ein hohes mit Wasser gefülltes Bierglas gestellt. Ich habe ihm nicht gesagt, dass ich keine Vase habe und bin einfach ohne Rose zurückgekommen.
Gedankenverloren in meinem Selbst und meinen Sorgen bemerke ich erst sehr spät, dass etwas anders ist und nach einer weiteren Weile bereitet mir sein Schweigen doch ein immer größeres Unbehagen, da ich das nicht von ihm gewohnt bin. Und da ich es nicht wirklich deuten kann, frage ich ihn, was eigentlich los ist. Nun blickt er mich an, immer noch betrübt und ohne Feuer und Elan, wie ich es von ihm gewohnt bin. Als wäre ich jemand Fremdes für ihn.
Dann meint er: „Du…wir können das ganze auch lassen. Ich bin mir nämlich immer unsichererer, ob du mich überhaupt magst, bei dir haben willst und ob ich wirklich weiß, wer du bist…du redest über nichts…erzählst nichts von dir, weichst mir aus…“
Während er das sagt, wird mir erst ganz mulmig bis hin zur Nervosität. Ich fühle mich so ertappt und mit einem mal dringt alles Ungeplante und Unerledigte in mein Bewusstsein: Die Perlen, die nicht fertig sortiert sind, das Essen, das nicht rechtzeitig fertig geworden ist, mein Freund, der zu früh an der Tür geklingelt hat, das Telefonieren, die Rose im Bierglas, der halbe Becher Sahne im Kühlschrank, die Bananen in der Küche, die immer dunkler werden, das Altglas neben der Tür,…und ich stelle mir vor, dass ich am liebsten jetzt woanders wäre. Dass ich einfach aufstehen und gehen könnte. Einfach weglaufen vor all dem, was nun auf den Tisch kommen könnte.
Aber ein Teil von mir weiß, dass das nicht geht und ich nicht fliehen kann und es auch nicht sollte. Dass ich bleiben und reden sollte, damit er mich vielleicht besser versteht und das vor allem nicht auf sich bezieht. „Ich mag dich schon…es ist nur…kompliziert…“ beginne ich eine Einleitung von der ich gar nicht weiß, wie sie weitergehen soll und bei der ich während ich sie ausspreche merke, dass sie eher nach einer ziemlich laschen Ausrede klingt.
„Okay. Was hast du gestern wirklich gemacht?“ unterbricht er mich.
„Es tut mir so leid…“ krächze ich leise „aber ich weiß auch nicht…ich bin mir ebenso unsicher, habe Angst, kann nicht vertrauen, …“
„Pssst“ flüstert er, sodass ich mein Gejammer, das immer leiser wird, abrupt beende.
„Ich will nur hören, was los ist, will einfach nur wissen, was du faktisch gemacht hast, denn ich kann dir das alles irgendwie nicht mehr glauben…bzw. weiß ich nicht, was ich eigentlich glauben soll…wer du bist und was dich bewegt.“
„Perlen sortiert. Meine Buchhaltung. Die Ablage…“ gebe ich kleinlaut zu.
„Aber warum sagst du das nicht einfach?“ fragt er mich zurück.
„Ich…ich weiß es nicht…“ stammle ich. Und ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nicht, warum ich gelogen habe, warum ich ausweiche, warum ich mich so unsicher und schutzlos fühle. Mir fehlen einfach die Worte dazu. Ich weiß nur eins…
„Ich glaube, ich muss dir was zeigen…“ sage ich also, während ich aufstehe und die Teller abräume. Er folgt mir in die Küche, wo ich versuche, sie ruhig und ordentlich in die Spürmaschine zu räumen ohne mich davon gehetzt zu fühlen, dass er hinter mir steht und wartet. Zum Glück fragt er nicht, ob er mir helfen kann oder sagt etwas anderes, da gerade all meine Kraft und Beherrschung in eine ruhige Atmung fließen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die ich für diese Aufgabe gebraucht habe, deute ich zuerst auf die Rose im Bierglas.
„Ich habe Panik bekommen, weil ich keine Vase habe und nicht darauf vorbereitet war. Und ich war auch nicht darauf vorbereitet, dass du früher kommst. Ungeplantes und Unvorhergesehenes bringt mich schnell aus dem Konzept.“ erkläre ich ihm.
Dann öffne ich den Schrank, was jetzt nicht ganz so spektakulär ist und in meiner Vorstellung viel beängstigender war. Er scheint nicht ganz so erstaunt über die absolut symmetrische Anordnung meiner farblich sortierten Küchenutensilien, also öffne ich als nächstes den Kühlschrank. Dieser ist für ihn vermutlich fast leer, für mich jedoch übersichtlich. Ich erkläre ihm, dass es ein Unbehagen in mir auslöst, viele Lebensmittel zu haben, weil ich einen genauen Plan brauche, wie ich sie verwerte. Ich deute auf die halbe Sahne und meine: „Die macht mir z.B. Angst…“
Danach mache ich im Wohnzimmer weiter und öffne einen Schrank nach dem anderen. In jedem finden sich Bücher mit Beschriftungen an den Regalen. Alles alphabetisch und nach Genre sortiert. Auf meinem Rechner öffne ich die passende Datenbank dazu und erkläre ihm, dass er darin jedes Buch in meiner Wohnung findet und auch in welchem Regal es steht, ob ich es gelesen habe, wann ich es gelesen habe, wo ich es her habe, …
Als nächstes zeige ich ihm weitere Schrankinhalte und Ablageordner, in denen alles akribisch abgeheftet ist: Jedes Schreiben einer Versicherung, jede Rechnung, jede Lohnbescheinigung und jeder Arztbrief. Alles ist sortiert nach Jahr und geht bis zu meiner Geburtsurkunde zurück.
Unter anderem zeige ich ihm natürlich auch die Perlen. Ich erkläre ihm, dass ich nicht weiter machen kann, weil mir sechs Boxen fehlen und es aber die gleichen sein müssen wie die, die ich schon habe und wie fertig mich das macht. Auf dem Rechner zeige ich ihm dann weitere Inventarlisten von Onlinespielen, die ich mal gezockt habe, meine Buchhaltung, die ich mit Excel erstellt habe und über Verknüpfungen und Formeln anzeigt, was ich auf den Cent genau im Geldbeutel haben sollte.
Ich zeige ihm einfach alles. Jede Liste, jedes Dokument. Er will wissen, wer ich bin? Gut. Wenn er danach nicht geht, muss er selbst ein Irrer sein oder mich wirklich mögen. Oder beides. Oder mich nicht ernst nehmen, wovor ich mich am meisten fürchte.
Als wir mit der Wohnung durch sind und ich ihm wirklich jeden Zwang gezeigt oder erklärt habe, sitzt er erst mal nur nachdenklich auf dem Sofa. Blickt auf den Rechner, wo meine Buchhaltungsliste offen ist. Schweigt. Ich beobachte ihn währenddessen ganz genau, quasi hyperempfindlich, weil mein Fokus jetzt nur auf ihm liegt. Nach wie vor bin ich also nervös.
Irgendwann fängt er dann urplötzlich an zu grinsen und schüttelt einfach nur den Kopf. „Du bist echt der Koffer, weißt du das? Jetzt wird mir auch einiges klar… Aber warum hast du denn nie was gesagt? Ich hätte dir das doch nicht übel genommen…Wie lange wolltest du das alles vor mir verheimlichen?“ fragt er mich, während er mich jetzt genau mustert.
Ich muss ebenso grinsen. Über mich selbst. Dann umarmen wir uns und ich fühle mich zwar im ersten Moment etwas schäbig über meine vielen Störungen…aber im zweiten dann irgendwie doch erleichtert, dass das nun auf dem Tisch liegt. Und im dritten fühle ich mich so langsam befreiter über seine Reaktion.
Etwas später steht dann ein Nachtisch mit geschlagener Sahne, Bananen und Schokostückchen auf demselben Tisch, auf dem ich mein Innerstes vor ihm ausgebreitet habe. Mein Freund hat irgendwann einfach gefragt, ob er was aus der Sahne und den Bananen machen darf. Das zuzulassen war zwar eine enorme Herausforderung für mich, aber als ich gesehen habe, wie liebevoll und bedacht er den Sahnebecher verbraucht hat, hat es mich schon ein wenig gerührt.
Es gibt zwar immer noch Listen von Dingen, die mich aus dem gewohnten Takt bringen können…aber ich glaube, es ist wichtig, dass das die Menschen wissen, die mich lieben. Denn dann wissen sie, woran sie sind. Und wenn sie mich wirklich lieben, lieben sie mich als Ganzes.
[22.04.2019]
Edit: Ich weiß schon, warum das nichts geworden ist. Die meisten steigen glaube ich schon bei den Perlenbeschreibungen aus und es fehlen mal wieder Personenbeschreibungen…die vergesse ich gerne mal und fülle den Platz mit inneren Gedanken. In meinem Buch haben übrigens fast alle Charaktere ihr Aussehen relativ am Schluss bekommen.
Und ja, die Hauptperson in dieser Geschichte entspricht fast original mir. Außer dass ich nicht ganz so panisch und von Anfang an ehrlicher bin und mit einer halben Sahne mittlerweile sehr gut leben kann.