Logbuch #71 Sie haben das Ende der Kommunikation erreicht

Manchmal kommt es zu einem „Point of no return“ im Miteinander, was spätestens dann definitiv keins mehr ist. Nur noch ein Kampf, ausgetragen auf einem Berg von Missverständnissen und allen möglichen kognitiven Verzerrungen und immer negativeren Gedanken über die andere Person. Da kann man sich dann noch so sehr bemühen, das Gespräch in eine andere, nüchterne, weniger vorwurfsvolle Bahn zu lenken. Wenn der andere das nicht sieht und mitzieht, wird es eigentlich immer schlimmer.
Und irgendwann ist dann eben diese Schwelle überschritten, an der man dann überhaupt nicht mehr zusammenfindet, nicht mal für den letzten Moment.

Ich hab mich also dem letzten Gespräch mit meiner Ex-Nicht-Beziehung von Angesicht zu Angesicht „gestellt“ und wollte das nutzen, um so vielleicht etwas besser verstanden zu werden. Ich habe mich darauf vorbereitet, versucht zu analysieren und mein Verhalten zu erklären. Alle haben mich gefragt, warum ich das überhaupt mache, doch mir war es eben wichtig ihm noch mal zu spiegeln, wie was bei mir ankam.
Aber mir ist bereits bei meinen einleitenden Worten aufgefallen, dass nichts von all dem, was ich sage, auch so ankommt, wie ich es meine. Ebenso war nach nicht mal fünf Minuten klar, dass er das auch nicht einsehen will oder kann und es ihm im Grunde total egal ist. Er sah dieses letzte Gespräch wohl als Chance, mich noch mal richtig anzugreifen.

„Wenn du schon hier sitzt, nutze ich das und sag dir auch meine Meinung!“

Bin ich nun kritikunfähig, weil ich bereits nach zehn Minuten aufgestanden und gegangen bin? In seinen Augen gewiss, denn ein abschließendes „Fick dich“ ist kein Zeichen für besonders gute Kritikfähigkeit. Allerdings muss auch echt viel passieren, bis so reagiere. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht erinnern, wann ich zuletzt an diesem Punkt war und wer mich je so extrem provoziert hat…

Für mich hat die Art, wie er mich kritisiert hat, aber auch absolut nichts mit Kritik zu tun, sondern mit einem respektlosen Auskotzen und Niedermachen. Er hat nicht mal versucht mir neutral zu begegnen. Habe ich das denn? In meinen Augen ja. Ich habe versucht „Ich-Botschaften“ zu senden, um die Aggression aus dem Gespräch zu nehmen. Habe versucht anzumerken, dass wir uns gerade echt krass missverstehen und da wohl Unterschiedliches aus den letzten Chatverläufen rauslesen. Aber es blieb beim Versuch, denn was ich eigentlich sagen wollte war egal. Er meinte es besser zu wissen und meine Sicht war falsch. Er war sich keiner Schuld bewusst und hat verbal immer wieder auf mich eingefeuert, als hätte ich ihm je die Schuld für das Ende zugeschoben.

Es gibt ja immer zwei Seiten, zwei Sichtweisen…
In seiner habe ich ihm wohl was vorgemacht und ihn dann emotionslos aussortiert und zutiefst verletzt, während er mich wohl doch mehr mochte… weshalb er für mich jetzt so vollkommen irrational emotional reagiert hat und daher wohl um jeden Preis zurückverletzen wollte.
Aus meiner Sicht habe ich von Anfang an gesagt, dass ich gehe, wenn es mir zu viel wird und ich niemand für immer bin und ich habe echt mehrmals betont, dass das keine Beziehung ist. Und ich mochte ihn und die Zeit mit ihm, bis Corona kam und wir immer wieder leicht aneinander geraten sind. Dabei wurde mir immer bewusster, dass er oft meine Meinung und Sicht zu bestimmten Dingen infrage gestellt hat, obwohl er immer wieder betont hat, dass er sich auch gerne von anderen Meinungen überzeugen lässt. Ich glaube allerdings nicht, dass er wirklich eine andere neben seiner akzeptieren kann und dass das etwas ist, von dem man jemanden überzeugen muss. Anfangs habe ich das noch nicht so extrem wahrgenommen und eher klein bei gegeben… bis er mir das Gefühl gegeben hat, dass ich nicht okay bin und ich mich selbst für psycho gehalten habe. Aber ich bin das nicht automatisch, nur weil ich vieles anders sehe und handhabe.

Abschließend will ich eigentlich niemand sein, der allzu negativ über einen anderen Menschen denkt und sich von diesem Gedanken beherrschen lässt. Aber so missverstanden zu werden bis zur Sprachlosigkeit macht echt hilflos, verzweifelt und sogar mich am Ende einfach nur wütend, sodass mir gerade auch nichts Positives mehr zu ihm einfällt. Außer vielleicht, dass ich wegen ihm angefangen habe morgens Deutschlandfunk zu hören und das auch beibehalten werde.
Und gewiss nehme ich auf zwischenmenschlicher Ebene auch etwas mit… hoffentlich nichts allzu Negatives.

Posted by Journey

Kategorie: Logbuch

Autor: Journey

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3 Kommentare        

Hallo Lui,

ich finde es wirklich bewundernswert, mit welcher Hingabe Du über Deine Erlebnisse und die vielen Gedanken und Emotionen dazu berichtest!

Das war sicherlich ein anstrengender Tag für Dich und die Emotionen und die vielen offenen Fragen werden Dich sicherlich noch eine ganze Weile beschäftigen. Sich verständlich machen, von anderen ‚richtig‘ verstanden zu werden und mit dem Gefühl der Ohnmacht umzugehen, wenn das nicht gelingen will, das ist wirklich ein riesiges Thema, weit über die Grenzen reiner Kommunikation hinaus. Vor allem die Selbstzweifel, die bei solchen ‚Konflikten‘ ausgelöst werden, können einem richtig zusetzen. Die Frage ist aber: sind diese Selbstzweifel tatsächlich gerechtfertigt? Und was bedeutet es, wenn man an sich selbst zweifelt? Ist es einfach nur der Wunsch nach Gewissheit, sich auch wirklich ‚im Recht‘ zu befinden oder verbirgt sich dahinter vielleicht eine Unsicherheit, weil andere die eigene Ansicht nicht teilen wollen (oder nicht können)?

Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass viele Begegnungen, die ich bisher erlebt habe, niemals das Potential hatten, mehr zu sein, als die Möglichkeit, daraus etwas lernen zu können. Es ist ein wenig wie mit Schildern auf Autobahnen, sie tauchen plötzlich in weiter Ferne auf, kommen näher, irgendwann liest man den Text darauf, und im nächsten Moment sind sie auch schon wieder aus dem Blickfeld verschwunden. Was bleibt, ist die Information, die man aufnehmen konnte. Nicht weniger aber auch nicht mehr.

Nun sind andere Menschen keine Schilder, aber entscheidend ist, was man aus einer Begegnung macht. Man kann jetzt so ein ‚Schild‘ mitnehmen und an sich binden, man kann damit hadern, dass einem der Text darauf nicht gefällt, man kann es sich zu Herzen nehmen, wenn das Schild nicht neu beschriftet werden möchte usw. usf., man kann es aber auch einfach als das sehen, was es ist: ein Wegweiser für einen selbst. Es ist die eigene Entscheidung, ob man von der Autobahn abfährt oder ob man weiterfährt, ob man sich Gedanken macht oder nicht. Da draußen gibt es fast 8 Milliarden solcher Schilder, was denkst Du, wie viele Meinungen, Ansichten, Annahmen es gibt, mit denen man ‚hadern‘ könnte?

Ich wünsche Dir, dass Du Dir das alles nicht zu sehr zu Herzen nimmst (denn das ist Deine kostbare Lebenszeit, die Du dafür investierst), aber auch, dass die Erkenntnisse, die Du daraus für Dich gewinnen kannst, Dich menschlich wieder ein Stück weiterbringen werden (ein ‚Geschenk‘, das man ruhig annehmen darf). Und ziehe bitte auch einfach mal die Möglichkeit in Betracht, dass Du in diesem Bestreben schon sehr viel weiter sein könntest, als Dir vielleicht bewusst ist … 😉

Hallo Observer,

vielen Dank für das Lob! : )

Und ja, mich beschäftigt das Ganze zwar nach wie vor, aber zum Glück nicht allzu negativ.
Da ich mir vor dem Gespräch richtig viele Gedanken gemacht habe, was ich sagen will (auch wenn ich es zum Teil gar nicht konnte), fühle ich mich mit dem Entschluss auch sicher. Der Blogeintrag hat mir dann auch noch mal geholfen, all das zu verarbeiten.

Ich hätte mich an dem Tag zwar gerne in einem gleichwertigen Gespräch wiedergefunden auf einer gemeinsamen Ebene und mir einen respektvolleren Abschied gewünscht, aber diese krasse plötzliche Entwicklung bis hin zu seinem Kommentar unter diesem Beitrag haben mir gezeigt, dass er mich nicht verstanden hat, es aber vielleicht auch gar nicht kann. Ebenso kann ich ihn aber auch absolut nicht verstehen… Irgendwie ist das für mich am Ende das tragischste.

Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass viele Begegnungen, die ich bisher erlebt habe, niemals das Potential hatten, mehr zu sein, als die Möglichkeit, daraus etwas lernen zu können.

Damit sprichst du mir wirklich aus der Seele!

Und den Vergleich mit den Schildern finde ich auch gut. Ich habe mich da wohl beim Lesen vom Autobahnkreuzschild in der Spur geirrt und als die Straße immer holpriger wurde relativ rasch und somit etwas unelegant zurückgeschert. Aber beim Vorbeifahren wurde ich mir immer sicherer, dass es die richtige Entscheidung war.

Keine Sorge: bin nicht verletzt, halte dich nur für einen wirklich schlechten Menschen…

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