Dornige Erkenntnis

Einst hatte ich einen Dornenbusch im Garten und zerbrach mir den Kopf darüber, wie man ihn möglichst liebevoll behandeln könnte, damit er einfach nicht mehr bei jeder Berührung unbedacht zusticht und vielleicht etwas weicher wird. Ich liebte diesen Busch so sehr und wollte unbedingt erreichen, dass er sich wohl fühlt und so gab ich ihn nicht auf, auch wenn alle anderen meinten, dass ich meine Zeit verschwende.

Ich verbrachte so viel Zeit damit, den Busch irgendwie zu verstehen (was mir nie gelang) und ihm möglichst keinen Anlass zum Zustechen zu geben (was er dennoch – wenn auch unabsichtlich – tat), dass alles im Endeffekt genauso schmerzvoll war, wie voll reinzugreifen und zu merken, dass der Busch das gar nicht will.

Er wollte einfach nur da stehen, wo er stand. An Umpflanzen war nicht mehr zu denken, denn das hatte auch nicht funktioniert und änderte nichts daran, dass die Dornen mir jedes Mal so sehr wehtaten. Aber ich blieb bei dem Busch, denn ich wollte ihn nicht verletzen und irgendwie sein Dasein erhellen, wie er meins gelegentlich erhellte. Aus Liebe ließ ich mich also stechen und nahm so vieles einfach hin, was mich störte. Denn in meinen Augen war ich niemand, der andere belästigt oder Ansprüche zu stellen hat. Also stellte ich dem Busch auch keine Fragen mehr und schluckte mein Interesse an ihm einfach herunter. Ich nahm so weit Abstand und stellte dann mit Erschrecken fest, dass ich keine Nähe mehr aufbauen konnte, der Busch mir fremd wurde und mir wie ihm einfach alles egal wurde. Dem Busch schien es leider nur recht, dass ich nun auch still war oder er merkte erst gar nicht, wie sehr mich das belastete.

Dadurch erkannte ich, dass die Dornen wohl nur geschmeidig und weich waren, wenn ich ebenfalls ein Dornenbusch war. Das bin ich aber nicht. Und ebenso bin ich niemand (mehr), der es erträgt, sich zerstechen zu lassen. Ich bin niemand mehr, der leiden will…

Ich will glücklich sein und das kann ich nicht, wenn ich mich unter einen Dornenbusch setze und darauf warte, dass eine für mich immens wichtige emotionale Regung oder ein Interesse zustande kommt. Der Dornenbusch hätte zwar aus Liebe vieles für mich getan, um mich glücklich zu machen, aber diese „Aufopferung“ macht mich nicht glücklich. Im Gegenteil. Ich ertrage das nicht, mit bestimmter Dominanz Dinge zu entscheiden, da ich selbst eigentlich jemand bin, der sich ab und zu gern unterordnet, um den anderen zufrieden zu stellen. Aber das gleicht sich in normalen Beziehungen zu Menschen doch eigentlich auch wieder aus, oder irre ich mich da etwa? Mal macht man was, was man nicht 100%ig will, dann macht man was, was der andere nicht will, aber wichtig ist dabei immer, dass es überwiegend Dinge gibt, die beide wollen. Doch um das herauszufinden, muss man einerseits überhaupt an irgendetwas Interesse zeigen und das andererseits auch kommunizieren können.

Ich habe auch die Hoffnung auf etwas glückliches Gemeinsames nie aufgegeben bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich aus Selbstschutz zurückgezogen und dann gemerkt habe, dass mich der Dornenbusch einfach nicht verstehen kann oder will. Denn dann wäre er kein Dornenbusch, sondern…etwas anderes…und das wird mein Ex-Dornenbusch nicht zulassen. Er ist der Meinung, dass sein Dornenbuschdasein okay so ist? Okay. Ich bin der Meinung, dass Menschen und Büsche nicht zu ihrem eigenen Leben verdammt sein sollten und es immer Wege raus gibt, wenn man es zulässt.

Posted by Journey

Kategorie: (Kurz)geschichten

Autor: Journey

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