Die, die ich liebe

Sie blickt aus dem Fenster, als würde sie nachdenken. Über das Leben, die Liebe, denn Sinn und das Leid. Ihr Blick sagt alles und nichts. Sie scheint so erwachsen, so vernünftig. So, als würde sie die Welt da draußen verstehen. Und sie fühlt sich erhaben, weil sie dieses Wissen besitzt. So unendlich weise. Versonnen sieht sie mir in die Augen, ist eins mit sich und der Umgebung…

Wenn sie jedoch etwas will, dann ist das alles schlagartig vergessen. Dann kann sie unerträglich werden. Sie schreit, schlägt um sich, provoziert und blickt mich mit ihren funkelnden grünen Augen an. Vergessen ist der reife abschweifende Blick. Vergessen ist die Ruhe in und um sich. Was mich da ansieht, ist weder erwachsen noch vernünftig noch irgendwie ausgeglichen. Es ist schlicht und einfach das, was es ist: Eine Katze. Ein Tier, das sich von seinen Trieben leiten lässt. Nicht mehr und nicht weniger. Und doch muss ich zugeben, dass das gerade der Punkt ist, was uns so ähnlich macht. Es mag lächerlich es erscheinen im Zusammenhang mit einer Katze, aber diese Seite an uns macht uns wirklich menschlich. Sie schreit nach Aufmerksamkeit, schreit das in uns heraus, was wir wirklich wollen. Und wenn wir das nicht bekommen, können wir wirklich extrem unerträglich werden mit dem Unterschied, dass sie weiter schreit, bis sie merkt, dass es sinnlos ist und ich gar nicht erst schreie, meine Wünsche in mich reinfresse und immer zickiger und komplizierter werde. So werde ich unausgeglichen.
Und sie kann noch etwas, für das ich sie bewundern müsste. Sie kann so offensichtlich provozieren und mich dennoch damit in den Wahnsinn treiben. Das kann ich nicht. Nicht bei ihr und nicht bei anderen Menschen. Natürlich provoziere ich auch…aber es hat einfach nicht die gleiche Wirkungsweise wie bei ihr!
Ein Beispiel: Sie liebt alles aus Gummi, besonders Kabel. Wenn ich eines liegen lasse und mich umdrehe, ist es in zwei Sekunden zerbissen. Als sie das mit meinem Netbookkabel (und X Handykabeln) gemacht hat, hätte ich sie erwürgen können. Sie lernt aber nicht draus. Oder doch? Sie beißt nur, wenn ich da bin. Wäre ich nicht zu Hause, könnte das ganze Zimmer voller Gummikabel sein und es wäre ihr egal, denn sie kaut eher mit einem tieferen Sinn, mit einer Intention. Verteufelt bringt sie es fertig zu schnurren, langsam durch die Gegend zu stolzieren und hier und da mit dem Kabel zu kuscheln. Dazu bringt sie ihr hübsches Schnäuzchen ganz gefährlich nah an das Gummi, um dann doch wieder nur zu schmusen. Sie schnuppert daran, öffnet leicht ihr Mäulchen und zeigt ihre Zähnchen. Doch sie beißt nicht. Sie geht nur taktisch vor, denn ihr Verhalten ist natürlich purer Druck, pure Provokation. Sie macht nichts, aber genau das macht mich manchmal total irre. Es manipuliert mich und sie bekommt dadurch (meistens), was sie will. Das ist leider etwas, was ich nicht beherrsche…

Ansonsten sind meine Katze und ich uns wirklich verdammt ähnlich. Wir haben manchmal sogar die gleichen Ideen. Wenn die Balkontür offen ist und ich vom lauten Müllwagen genervt meine Zigarette ablege und beschließe, drinnen Matallica lauter zu drehen, dann kippt sie den Wäscheständer um. Das ist ihre Art den anderen Lärm zu übertönen.
Sie tippt manchmal Unsinn wie ich.
Sie mag keinen Fisch wie ich.
Manche Leute, die anrufen, gehen ihr auf den Keks…wie mir (mit dem Unterschied, dass sie ihrer Abneigung offensichtlichen Ausdruck verleiht)
Sie öffnet Schubladen, zieht den Inhalt raus und lässt ihn liegen – wie ich (manchmal).
Sie ist faul und schläft den halben Tag, tigert dafür aber nachts herum.
Sie mag meinen Kleidungsstil (besonders wenn viele Bändel herunterbaumeln)
Sie hat immer einen neuen Spleen, um die Umgebung zu provozieren und Aufmerksamkeit zu bekommen – wie ich (auch wenn ich ihre Kunst noch lange nicht so beherrsche…).
Sie ist verdammt schusselig, oft verwirrt und tritt gerne mal ins Fettnäpfchen.
Wir lieben beide die Nähe. Kuscheln, schmusen, nebeneinander im Bett liegen. Und wir haben viiieeel Liebe zu geben (wenn wir wollen)
Wir können verdammt zickig werden.
Wir hassen es, wenn es an der Tür klingelt.
Mit Männern kommen wir selten klar, was die engeren Bindungen angeht.
Am liebsten ist uns Aufmerksamkeit.

Wir haben viele Gesichter, meine Katze und ich. Und es ist echt erstaunlich, wie ähnlich wir uns doch sind, auch wenn es immer noch gravierende Unterschiede zwischen uns gibt. Sie ist einfach eine Charakterkatze! Und sie ist das Wesen, dass ich nie verlassen werde und nie enttäuschen will. Manchmal ist sie das einzige, was ich habe, mein einziger Sinn und von dem ich glauben kann, dass es mich liebt.
Wenn ich weine, leckt sie manchmal meine Tränen ab. Wenn ich kopflos im Bett liege, legt sie sich neben mich.
Unser Verhältnis beruht auf Geben und Nehmen und wir wissen beide, was der andere mag und was er absolut nicht mag und halten die verhassten Handlungsweisen in Grenzen. Ich darf daher nicht so oft singen und sie provoziert daher nur ab und zu.
Im Grunde wären wir das perfekte Paar. Obwohl ich niemals möchte, dass sie ein Mensch wird, denn das Leben wird sie so werden lassen wie mich: Zu viel am Nachdenken, zu viele Zweifel, zu viel Zukunftsangst, zu wenig Vertrauen und Liebe.
Sie sollte lieber Katze bleiben. Meine Luna! ♥
Manchmal denke ich sogar, dass ich mehr von ihr lernen kann als sie von mir…

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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