Der letzte Tag

Endlich kehrt wieder Ruhe in das Leben ein. Und das ist mehrfach interpretierbar im Bezug, dass heute ein Feiertag ist. Ich hasse sie, diese Feiertage. An denen andere Familien glücklich beisammen sitzen, womöglich Spiele spielen und sich freuen, dass Ruhe für sie alle einkehrt. Für mich kehrt erst wieder Ruhe ein, wenn der Strom weiterfließt. Vor allem der Geldstrom und der, der meine Eltern zur Arbeit reißt und mir meine Ruhe lässt. Ich bin froh, wenn ich wieder im September in die Schule darf und meine Gedanken um Parabeln kreisen dürfen. Und ich glaube, das Beste wäre ein Internat für mich. Da habe ich auch meine Ruhe, wenn meine Mum mal wieder nicht bei uns im Laden aushelfen will und mich daheim zu irgendwelchen Gesprächen nötigt, wenn ich gerade dabei bin einen wichtigen Gedanken aufzuschreiben.

Aber ich will alleine sein. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass das das Beste für mich ist. Niemandem Vertrauen. Keine Enttäuschungen. Weglaufen. Ruhe.
Und so wird es auch heute, am letzten Tag sein. Denn dann dauert es wieder eine Weile, bis alle zuhause sind und sich unmöglich benehmen.

Ich weiß jetzt, warum ich diese Feiertage und allgemein das Beisammensein mit meinen Eltern hasse. Besonders mit meinem Dad, den ich nicht Dad nenne. Meine Mum, die benimmt sich immer gleich unsensibel. Mit ihr rede ich nicht gerne. Ihr kann man erstens nicht vertrauen, weil sie nach jedem Satz, den ich sage gleich zu meinem Dad rennt. Und zweitens sieht sie nie, wenn’s mir schlecht geht. Und wenn, dann würgt sie mir extra die Sätze rein, die wehtun. In sofern weiß ich, was ich von ihr erwarten kann. Und zwar nichts. Bis auf ihr Gejammer, dass nur von ihr und irgendwelchem sinnlosen Sport handelt.
Und mein Dad, der wird richtig eklig zuhause. Nervig. Sarkastisch…und wenn ich ihn schon sehe will ich am liebsten den Kontinent wechseln. Und zwar nur aus einem Grund: Er ist jemand mit zwei Gesichtern. Meine Mum und ich bekommen die miese Seite ab. Seine (und meine Ex-) Stammkneipe die „gute“. Und daran muss ich immer denken. Dass all seine tollen Freunde wie Jo und Co. nicht wissen, was er wirklich für ein Mensch ist. Im Gegenteil. Er ist sogar sehr beliebt. Natürlich. Sie wissen nicht, dass er alles Geld seiner verwöhnten Irrenanstalt-Schwester und ihrem Steuerberater(hinterzieher) gibt. Und für seine ach so tollen Golfuralube ausgibt. Natürlich! Er muss ja prahlen, Er muss ja jedem aufbinden, dass er schon auf dem und dem Golfplatz gespielt hat. Im Grunde ist er minimalistisch, was wahre Gefühle angeht. Also passen die zwei doch gut zusammen?! Beide interessieren sich nur für sich. Beide wollen etwas darstellen, damit sie jeder mag.
Und jetzt komme ich. Wenn ich weg bin und die beiden nichts mehr haben, dann haben sie auch niemanden mehr. Und das witzige ist: Es war nie jemand für sie da.
Ich habe von vorn herein nichts. Nicht viel Geld, wobei ich für das meiste arbeite. Nicht viele Freunde, weil ich nicht erzählen kann, wo ich demnächst Golf spielen werde. Und keine Freundinnen, mit denen ich jogge und in irgendeinen Wellnessurbaub gehe. Und wisst ihr was? Das ist mir egal. Dafür habe ich meine Seele nur stückchenweise und nicht ganz verkauft. Dafür kann ich schreiben, was beide nicht können (jedenfalls nicht so wie ich : D ). Dafür werde ich aus eigener Kraft ein Jemand. Und nicht, weil ich einen Laden erbe, eine Wohnung in Prag oder sonst wo Freunde habe.

Und ich werde jetzt weglaufen. Wie immer an solchen Tagen. Ich laufe nicht vor mir oder vor meinen Eltern weg. Ich laufe weg, weil ich sonst etwas sagen werde, wofür die Zeit noch nicht gekommen ist. Aber wenn sie da ist, bin ich meinem Leben ein Stück näher. Und dann werde ich nicht mehr in mein Elternhaus zurückkommen, was, wie ich erfahren habe, sowieso meiner Tante gehört…also sollte ich vielleicht ausziehen, bevor mein Dad irgendwann stirbt. Denn sonst lande ich auf der Straße…
Also, auf in den Kampf!
Oder: Schreib oder stirb!

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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