Um im „Gleichgewicht“ zu bleiben, habe ich die ganze Woche über in meinem Elternhaus, wo ich ja aktuell wohne und mich um meinen Dad kümmere, versucht, etwas Sinnvolles zu tun bzw. etwas, das ich gut kann: Krams sortieren.
Ich bin nun auch schon mit dem Gröbsten durch und habe echt viel geschafft. Für mich war das quasi eine Art Ausgleich zum Stress, den ich die ganze Zeit über gespürt habe. Der war zwar nicht extrem und klang natürlich auch hin und wieder ab, aber ein leichter Druck war immer da. Das liegt zum einen daran, ständig jemanden um mich zu haben. Das versetzt mich in extremen Stress. Zum anderen hatte ich auch Verantwortung, der ich nicht immer so ideal gerecht werden konnte. Ich konnte mich also in der ganzen Woche kaum entspannen und nur beim Aufräumen etwas „abschalten“.
Klar ist mein Aufräumwahn auch eine Flucht gewesen und hat mich Kraft gekostet… aber es hat mir ein besseres Gefühl verschafft, als alles andere, was ich hier so zu bewältigen hatte.
Ich habe mich gefragt, warum das eigentlich so ist und die Antwort ist mal wieder sehr vielschichtig.
Zum einen habe ich trotz meines ADS ein großes Talent dafür. Eigentlich müsste es mir ja total schwer fallen aus dem Chaos heraus irgendwie eine Struktur aufzubauen. Komischerweise konnte ich das schon immer sehr gut, sogar ohne Medis. Es beruhigt mich sogar irgendwie, Krams zu sortieren, mir ein System auzudenken und – was vermutlich eher dahinter steckt – es unter Kontrolle zu bringen. Das ist vor allem der Fall in Situationen, die ich nicht kontrollieren kann. In der Regel also in Situationen mit Menschen.
Zum anderen vermute ich, dass das auch etwas mit meinen Selbstzweifeln zu tun hat. Sprich: Ich finde nicht, dass ich das alles hier gut mache, bzw. denke, es müsste besser gehen. Also mache ich etwas anderes, das ich gut kann, um mich nicht ganz so schlecht deswegen zu fühlen.
Das funktioniert hier besonders gut, da ich weiß, dass die meisten Menschen mit Krams sortieren ihre Probleme haben. Sie machen es daher auch eher ungern. Dafür fallen ihnen all die Dinge leicht, bei denen ich absoluten Stress empfinde.
Das Haus verlassen und mit anderen was essen gehen und entscheiden, wohin man geht? Oder schlimmer noch: Sich absprechen und gemeinsam entscheiden? Für andere: voll easy! Auf 200 Quadratmetern Bücher, Dokumente und Krams sortieren, der sich zum Teil ohne System überall verteilt – In jeder Schublade, jedem Kästchen befinden sich Stifte, Schlüssel, Büroklammern, Sicherheitsnadeln, eine Schere, ein Schraubenzieher, ein Knopf, eine Murmel, … Aaaah! Wer macht das auch schon gerne und effizient mehrere Stunden am Stück!? Yeah, ich…
Ich weiß, dass es eigentlich nicht so gut ist, was ich da mache und ich sollte mich lieber dem stellen, was ich eben nicht gut kann und was mir Angst macht. Vor allem, da die Angst ja nicht kleiner wird durch das Vermeiden.
Aber ich schaffe es einfach nicht. Vermutlich, weil ich es gar nicht wirklich will. Ich will mich lieber verkriechen. Und ich will spüren, dass meine Mum sich über die neue Ordnung freut und Verständnis dafür hat, dass ich das mit dem Kochen eben nicht so hinbekommen habe wie sie…
Ich denke aber, das wird sie auch. Vermutlich um einiges mehr als ich..