Wenn ich zurückdenke an meine Art mit Beziehungen und Menschen umzugehen, dann wird mir deutlich bewusst, wie sehr ich mich im Grunde die letzten Jahre dagegen gesträubt habe. Zwar habe ich es immer und immer wieder versucht und war auch sehr offen jedem gegenüber, aber eigentlich hatte ich Angst. Angst davor, dass sich irgendwann irgendein Schlüssel in irgendeiner Tür umdrehen wird, hinter der ich wohne. Angst, dass jemand meine vier Wände betreten und in mein Reich eindringen könnte, ohne dass ich es wirklich will. Angst vor zu viel dominanter Nähe eines anderen Menschen, die mich erdrücken könnte.
Ich hatte im Grunde also auch Angst davor, dass mich jemand erkennen könnte, indem er längere Zeit bei mir ist. Denn obwohl ich mich nie bewusst und willentlich verstellt habe, habe ich etwas unterdrückt, mich angepasst.
Daher hatte ich auch eine große Angst davor, dass mir das alles zu viel werden könnte. Ich hatte Angst, dass ich mich im Leben eines anderen verlieren werde, weil ich im Grunde dachte, dass meines nicht daneben existieren kann und ich mich aufgeben muss, um mit jemandem zusammen sein zu können.
Im Nachhinein verstehe ich diesen Mechanismus. 2016 habe ich sogar schon einmal darüber geschrieben und mich so vieles gefragt bzw. schon damals sehr vieles erkannt, was ich nicht nur hier im Blog, sondern auch in Unmengen von handschriftlich bekritzelten Tagebüchern versucht habe zu erörtern.
Und dennoch habe ich irgendwie weitergemacht und bin eher fragwürdige Beziehungen eingegangen, bei denen ich jedes Mal mehr erkannt habe, was ich nicht bin und nicht will. Aber ich habe nicht erkannt, dass ein verfasstes Handbuch über meine Funktionsweise noch lange nicht dazu befähigt, mich zu verstehen.
Ich weiß noch, wie mir alles so logisch erschien, was ich mir als Erklärung für mein Verhalten zurechtgelegt habe. So war es für mich auch nicht zu leugnen, dass ich einfach nicht die typische Beziehungsfrau bin, die Sehnsucht hat oder romantischen Kram mag.
Ich dachte, ich wäre hart. Grundsätzlich. Immer. Eben meine eigene Frau, unabhängig von allem und jedem. So hatte ich am Ende immer nur mich im Arm und (so hart das jetzt auch klingt) ein gutes Gefühl jemanden zu verlassen. Weil es mir hinterher einfach besser ging mit mir.
Zwar habe ich empfunden und konnte unglaublich liebevoll sein, aber ich habe so vieles auch als Bedrohung gesehen. Bin Kompromisse eingegangen und dachte, das Leben müsse eben daraus bestehen und ohne die Bereitschaft dazu würde einem auch niemand auf Augenhöhe oder mit Liebe begegnen. Aber Kompromisse können einen auch sich selbst verlieren lassen, wenn es welche sind, die dem Herzen widerstreben. Das kann man leider sehr gut verleugnen, aber nicht lange…
So wurde ich zu einem Ich, das jedes Mal in einer Bindung unglücklich wurde, weil es nur ein Teil-ich ausleben konnte und sich nie vollständig geliebt und verstanden gefühlt hat. Das konnte mir einfach keiner geben. Wie denn auch, bei meiner Angst mich zu zeigen? Bei all dem Unverständnis, das ich gefühlt habe?
Und nun? Ist alles irgendwie anders… ich fühle mich zu 100% ich in meiner Beziehung. Aber ich kann euch nicht mal sagen, was es so anders macht oder was das Rezept dafür ist, dass es funktioniert.
Respekt? Verständnis? Die absolut gleiche Wellenlänge? Die richtige Person? Ja. Ja. Ja. Und ja!
Und reden, immer wieder reden, kommunizieren, alles teilen. Sich selbst und den anderen ernst nehmen. Aber vor allem: Ehrlich sein. Auch den anderen wahrnehmen und nicht nur sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse. Und das auf eine Weise, die eben kein Kompromiss ist.
Ja, alles ist anders… auch meine Angst hat sich gewandelt. Um 180 Grad…
Denn nun verspüre ich genau die gegenteilige Angst…
Ich habe Angst, dich am Montag zum Bahnhof zu bringen. Angst dich los- und damit dir selbst zu überlassen. Angst, dass einer von uns vom Weg abkommen könnte bei den 700 km Distanz zwischen uns. Angst, dass du nicht mehr zurückkommst, weil die Lage einfach so ausweglos erscheint. Angst, dass wir nicht weiterkommen. Angst, dass ich es nicht schaffe, irgendetwas dazu beizutragen, was es dir leichter macht, die Dinge in die Hand zu nehmen.
Angst, dass ich vor den anderen meinen unendlichen Schmerz über diesen temporären Verlust nicht verbergen kann.
Ich habe Angst vor dem Moment, wenn ich Montagabend meine Wohnung aufschließen werde und nur Kälte und Dunkelheit vorfinden werde anstatt die Gewissheit, dass du an diesem Tag wieder kommen wirst. Ebenso habe ich Angst vor der Stille. Eine Stille, die ich früher über alles geliebt habe, weil mir die Welt zu laut und die Einsamkeit mein sicherer Fluchtort war.
Und ich weiß, es muss nicht so sein. So krass dramatisch. Ich weiß auch, dass es schon irgendwie weitergeht und ich auch weiterhin funktionieren werde. Im Grunde weiß ich, dass wir das schon irgendwie schaffen werden…
Und dennoch habe ich Angst. Angst vor der Angst…