Und mit einem Mal findest du dich wieder in einem Leben, dass du eigentlich nie führen wolltest. Aber es ist okay. Hat sich ja langsam entwickelt. Schafft ja auch Sicherheit. Und die anderen leben ja auch so. Ist ja auch keine radikale Wende. Den grundlegenden inneren Prinzipien ist man ja noch irgendwie treu. Aber der Traum der großen Revolution stirbt. Immer. Irgendwann. Das ist halt so.
Und so lächelt man milde und verhalten, wenn das Gespräch auf die Vergangenheit fällt, in der man noch zu all seinen Wünschen und Träumen offen und mutig stehen konnte. In der man noch Visionen hatte. Dann sagt man halt Sachen wie:
„Ach ja, damals…als ich noch jung war…“
Aha. Und jetzt sind wir alt und wissen es besser? Sind endlich erwachsen geworden? Haben wir denn etwas verändert und wenn es auch nur den Gedankengang eines einzigen Menschen ist? Ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage: Wir sind einfach nur alt geworden und wissen einfach nichts besser! Und das schlimmste ist: Wir hören auf uns zu bewegen… tun mal dies, mal das, füllen unsere Zeit, aber wir verharren in unserem Leben, unseren Jobs oder nicht Jobs, in der Familiensituation, in den Wunschvorstellungen eines „perfekten Lebens“…
Aber warum ist das so? Wann ist der Moment, an dem sich ein Mensch so sehr angepasst hat, dass er regelrecht vergisst, was ihm einst so wichtig war? Ab wann werden Träumer zu „Realisten“? Ab wann geht etwas in uns verloren? Und warum empfinden das die wenigsten überhaupt als Verlust? Weil es jeder macht? Macht ihnen denn die Alternative Angst? Welche haben wir denn?
Ich sehe es im Grunde genauso wie mit der Frage nach dem „normal“:
Es ist kein Zeichen von Gesundheit, an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein.
[Jiddu Krishnamurti]
Mir scheint, dass sich „junge Menschen“ insgesamt etwas leichter damit tun, Veränderungen zu forcieren bzw. solche überhaupt anzustreben. Aber das ist nur meine ganz persönliche Wahrnehmung und somit nur eine Annahme ohne Anspruch auf Korrektheit. Ich kann daher auch nur Vermutungen anstellen, was die Gründe dafür sein könnten, dass man von Jahr zu Jahr gefühlt ruhiger, gelassener, einvernehmlicher mit den Dingen des Lebens umgeht, Akzeptanz statt Rebellion, im Stillen kritisieren statt lautstark demonstrieren.
Ich nehme einfach mal an, dass sich mit der Zeit Gewohnheiten entwickeln, die einer gewissen Zufriedenheit geschuldet sind. So entstehen im Laufe der Zeit jene ausgetretenen Pfade, die man nur schwer und ungern zugunsten von Veränderungen verlassen mag. Quasi das „Gewohnheitstier“, das Veränderungen scheut, auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt. Es braucht mit jedem Lebensjahr mehr und mehr Aktivierungsenergie, den bequemen Status Quo zu gefährden oder gar zu verlassen. Das mag auch damit zu tun haben, dass man in jungen Jahren noch auf der Suche nach der eigenen Identität ist und die eigene Persönlichkeit noch viel mehr Entwicklungsspielräume aufweist als in fortgeschrittenerem Alter. Die „jungen Wilden“ haben da einfach einen viel größeren Drang, Emotionen zum Ausdruck zu bringen, sind noch frei, unerfahren, neugierig, risikobereit, wollen gehört, gesehen und beachtet werden. Die Älteren haben dafür vielleicht gelernt, mit Problemen und Krisen einfach gelassener umzugehen und nicht gleich „aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen“. Was tatsächlich „Mücke“ oder „Elefant“ sein mag, dürfte wiederum eine Frage der „Perspektive“ sein.
Status, Ansehen, Verpflichtungen usw. können maßgeblich die Risikobereitschaft für Veränderungen mindern. Sicherlich gibt es im Laufe der Jahre auch eine gewisse Müdigkeit oder gar Resignation, was die Erfahrungen angeht, die man bisher gemacht hat. Wer z.B. das Gefühl hat, eh nur gegen „Windmühlen“ anzukämpfen, der mag sich vielleicht die eigene Unzufriedenheit bewahrt haben, nicht aber den Kampfgeist, der einen einst hat „rebellieren“ lassen. Auch Prioritäten als auch persönliche Ansprüche jeglicher Art können sich mit der Zeit verändern, was einst in einer früheren Lebenssituation von großer Bedeutung erschienen/gewesen sein mag, kann irgendwann aus dem Fokus geraten.
Zeitmangel auf Grund verschiedenster Verpflichtungen dürfte ebenfalls eine große Rolle spielen. Oftmals ist der Kampf um Veränderungen auch mit der Notwendigkeit verknüpft, sehr viel Ausdauer zu haben, gepaart mit der Bereitschaft, sich entsprechend „aufzuopfern“, vielleicht ist das ein Preis, den sich nicht jeder leisten mag oder kann. Dann wäre da noch der Freundeskreis (Trigger) zu nennen, der in späteren Jahren sowohl quantitativ als auch qualitativ ein anderer sein kann als zu früheren Zeiten (gemeinsam protestiert es sich halt besser als allein).
Und selbst die Wissenschaft kennt gute Gründe, weshalb „Gewohnheiten“ viel tieferen Strukturen in unserem Fühlen und Denken entspringen als „akute Unzufriedenheiten“.
Vielleicht ist „Revolution“ kein Privileg aber dennoch ein typisches Merkmal der Jugend? Ich persönlich traue es den jüngeren Generationen jedenfalls noch am ehesten zu, Dinge tatsächlich zu verändern. Sie müssen dafür nicht aus bisherigen Strukturen ausbrechen, sie müssen sich solche erst noch erschaffen. Aus meiner Sicht kommt es beim Thema „Revolution“ vor allem auf die Motive an und ebenso auf die Zielsetzung, vielleicht ist die wirkungsvollste Form von Revolution der Älteren, die Jüngeren bei ihrer Revolution zu unterstützen … 😉
Ich glaube, all das ist schon ganz gut angelegt, wie es ist. Menschen brauchen zwei Dinge: Stetigkeit und Wandel. Ohne Wandel kann sich eine Gesellschaft nicht anpassen an äußeren Wandel, den es immer gibt. Ohne Stetigkeit keine Sicherheit. Spätestens, wer ins Kinderkriegealter kommt tut gut daran, Sicherheit hoch zu schätzen. Mit einem Kind auf dem Arm revolutioniert es sich nicht gut. Den Wandel repräsentieren die Jungen, die Stetigkeit die Alten. Beides ist wichtig, obwohl es sich diametral gegenübersteht. Ein Gleichgewicht scheint mir wichtig.
Ja, natürlich, Je älter, desto ängstlicher. Je jugendlicher, desto größer der jugendliche (Über-)Mut.
Alle, die wir denken können. Doch Alternativen können oft nur die jungen Leute überhaupt denken. Innovative Startups z.B. leben doch von jungen Ideen junger Leute. Alte Menschen bewahren eher, bewahren ein Unternehmen aber auch gerne mal in den Ruin. Dies ist der Grund, warum ich meine, dass die (deutsche) Politik sich viiieeel mehr für junge Leute öffnen müsste. Wählen ab 16 oder 14 oder 12. Mehr hohe politische Ämter für junge Leute. In meinen Augen ist die Politik überaltert – kein Gleichgewicht eben – und so werden erdachte Alternativen nur quälend langsam umgesetzt in einer sich rasant ändernden Welt.
Danke euch beiden für die Auseinandersetzung mit dem Thema und die Kommentare! : )
Ich finde sowohl Observers Erklärung für dieses „Sterben der Revolution“ gut formuliert und wichtig…
…als auch Pits „Alternative“ die Jugend gerade wegen ihrer Flexibilität mehr in die Politik einzuspannen!