Muster erkennen (01)

Seit einigen Jahren verwende ich in meinem Blog immer öfter den Begriff „Muster“, welcher zu einem wichtigen Bestandteil meines Wortschatzes und meiner „Lebensphilosophie“ geworden ist. Da ich jedoch glaube, dass anderen vielleicht (noch) nicht so ganz so verständlich ist, was ich damit meine, möchte ich in einer Reihe von Beiträgen etwas genauer darauf eingehen, was sich hinter diesem so einfach klingenden Begriff verbirgt. Denn ich weiß, dass das, was für mich so logisch klingt, nicht unbedingt das ist, was jeder Mensch bewusst genau so wahrnimmt wie ich. Mir begegnen nämlich so einige Menschen, die sich nicht darüber im Klaren sind, dass sie eigentlich irgendwo feststecken und ihre Musterspirale weiterleben ohne wirklich weiterzukommen. Und sich darüber wundern…

 

Wir alle haben sie: (Verhaltens)Muster. Wir verhalten uns auf bestimmte Arten und Weisen, trainieren uns sowohl gute als auch schlechte Eigenschaften immer wieder aufs neue an und machen sie zu einem Teil unseres Charakters, indem wir einfach nicht darüber nachdenken oder alles was geschieht als gegeben und unveränderbar hinnehmen. Oft fühlen wir uns zusätzlich auch noch in unseren Mustern sehr wohl, selbst wenn sie unsere Beziehungen behindern, wir uns andauernd aufregen oder uns schaden.

 

Einige (oberflächliche) Beispiele:

Jemand, der in einer Alkoholikerfamilie aufgewachsen ist, sucht sich in der Regel wieder einen Suchtkranken als Partner. Man sucht sich unbewusst das, was man eben kennt, weil das Bekannte einem so vertraut ist und ein Gefühl von „Sicherheit“ gibt. Genauso ist es mit den Frauen, die sich immer wieder einen Partner suchen, der sie schlägt und/oder ihre Wünsche und Bedürfnisse einfach nicht respektiert (in welcher Form auch immer). Die miese Behandlung tut ihnen zwar nicht gut, nährt aber ihr Muster („ich habe es nicht besser verdient“).
Doch das muss nicht mal immer so krass sein… das Muster kann sich auch schon darin äußern, dass man selbst die Bedürfnisse des anderen über die eigenen stellt und sich dadurch zu sehr zurücknimmt. Zusammennimmt. Gefühle aus einer tiefen Angst vor Verletzung nicht zeigt (und dann erst recht verletzt wird bzw. sich so fühlt). Indem man sich einfach verstellt, um geliebt zu werden (und sich dadurch natürlich nicht geliebt fühlt). Indem man leistet, um Lob und Anerkennung zu erhaschen (und abgrundtief enttäuscht ist oder an sich zweifelt, wenn das Gegenüber sich daran gewöhnt und es nicht würdigt).
Ihr seht, die Beziehungsmuster sind wirklich seeeeeeehr vielseitig und komplex und das ist nicht mal ein Bruchteil des Bruchteils von möglichen Mustern! (Meins war z.B. immer das mit der Freiheit und der Flucht.)

Ein weiteres eher spezielles Muster kann es auch sein, dass man mit anderen immer wieder Streit sucht, um sich dann wieder mit ihnen zu vertragen und das Gefühl zu erleben, wichtig genug dazu zu sein. So werden immer wieder Streitgründe provoziert, um dieses Muster aufrecht zu erhalten und den bekannten Gefühlscocktail immer wieder zu erleben. Was bleibt ist das falsche(!) Gefühl von Geborgenheit und Zuneigung, wenn die andere Person wieder zu uns zurück kommt. Tut sie es nicht, hat sie uns nie geliebt.

Ebenso können wir nach dem Ende einer Beziehung ewig leiden, als wäre der Grad des Leidens ein Indiz für unsere Liebe. Was ich darin sehe ist eigentlich eine Art von Selbstverachtung uns gegenüber, die sich darin äußert, dass wir es uns nicht mehr erlauben auch anders glücklich zu sein. Mit uns selbst.
Noch ein bekanntes Muster ist es also, das Wohlbefinden an andere zu knüpfen oder auch an irgendwelche materiellen Dinge. So kann man eigentlich nie zufrieden sein ohne all das, fühlt sich einsam und leer, wenn es wegfällt.
Einigen geht es ja so in der Coronazeit. Sie können nicht weg, wollen aber raus, unter Menschen, was erleben… und wenn diese Menschen sonst wirklich nichts mit sich anzufangen wissen, werden sie zum Teil aggressiv oder lethargisch, weil sie auf sich selbst zurückgeworfen werden (und so hart es auch klingen mag: feststellen, dass da sonst nicht viel ist…).

Eines der häufigsten Muster ist wohl jenes, was man auch als Self-fulfilling Prophecy kennt. Es gibt viele Menschen, die automatisch von vorn herein negativ an etwas herangehen (also bewerten) und dadurch die Situation heraufbeschwören, die sie eigentlich gar nicht wollen. Und wenn sie ganz tief drin stecken, kann man ihnen auch dutzende positive Beispiele nennen oder noch so sehr versuchen ihnen einen positiven Weg zu zeigen. Wenn jemand meint, dass die Ampeln immer rot schalten, wenn er hinkommt, kann man ihm 1000 Momente aufzählen, in denen sie grün gewesen sind. Die sind aber irrelevant, weil JETZT diese GOTRVERDAMMTE Ampel SCHON WIEDER ROT IST!

 

Das blöde ist: In der Regel erkennen wir selbst unsere Muster in dem Moment des Erlebens bzw. Auslebens gar nicht. Wir handeln und fühlen automatisch und impulsiv so wie wir es für richtig halten und sind absolut überzeugt von unserer Denkweise. Besonders unsere extrem hartnäckigen und fest verankerten Muster können wir auf diese Weise einfach nicht erkennen. So machen wir also immer wieder die gleichen „Fehler“, nur in anderer Form. Und es ändert sich einfach nichts, was unser Muster natürlich zufrieden stellt, aber im Kern fühlen wir uns den Gegebenheiten ausgeliefert. Im Kern bleibt alles wie es ist. Weil das immer schon so war.

Doch wie lernen wir nun, unsere Muster zu erkennen und unser Verhalten zu reflektieren und zu ändern?
Es klingt einfach, ist es aber für viele gar nicht. Der Schlüssel dazu sind nämlich andere Menschen, die wir an uns heranlassen, erleben und kennen lernen. Oft können nur sie uns spiegeln und ehrlich mitteilen, was sie von außen wahrnehmen. Das setzt zum einen voraus, dass sie eben so ehrlich zu uns sind und uns nicht nur Honig ums Maul schmieren. Zum anderen geht es mit einem großen Vertrauen einher. Vertrauen, dass uns ein anderer damit nichts Böses will, wenn er uns eben so ehrlich spiegelt, wie er uns sieht.
Wir können Veränderungen nämlich nur zulassen, wenn wir offen sind für andere Sichtweisen und auch mal bereit sind über unseren Tellerrand hinauszublicken.

„Der Horizont vieler Menschen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nennen sie dann ihren Standpunkt.“
[Albert Einstein]

 

Das schöne ist: Wir alle sind so. Keiner lebt ohne Muster, keiner ist unfehlbar perfekt und keiner ist dazu verdammt auf ewig seinen Mustern ausgeliefert zu sein! Aber dazu im nächsten Beitrag mehr. ; )

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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