Dancing skin

Auffällig tanze ich mich mal wieder geschickt ins Geschehen und ganz nach vorne mitten durch all die Massen an Menschen. Und das auch noch in Outfits, die nach Aufmerksamkeit schreien. Doch im Grunde ist das, was ihr da seht, nur ein Bruchteil meines Inneren und nicht der Mensch, der ich wirklich bin.
Was ihr in diesem Moment seht, ist vermutlich eine kontaktfreudige entschlossene Kämpferin, die für jeden Scheiß zu haben ist. Die wild und chaotisch nach ihren Gefühlen lebt, mutig und ohne Rücksicht auf Verluste. Aber das bin ich in Wahrheit außerhalb der Tanzfläche nicht. Ich ertanze mir quasi halbnackt auf dem Dancefloor, was mir irgendwie irgendwo in meinem Leben fehlt. Spiele für mehrere Stunden Show und lebe eine Rolle aus, in der ich auch aufgehe und die ich in dem Moment liebe, weil ich mir keine Gedanken um meine Wirkung auf andere mache und vollkommen befreit in Trance alles abschalten und ausblenden kann. Ihr seht mich zwar, the queen of dirty dancing, aber im Grunde sehe ich euch gar nicht. Ich bin in dem Moment all das, was ich im Alltag nicht bin. Ich bin dann einfach jemand anderes.
Erstaunt stelle ich jedes Mal fest, dass dieser Teil von mir wohl sehr gut ankommt. Ihr sprecht mich an, schreibt mich an, werdet in einen Bann meiner exzellenten Rolle gezogen, den ich mir selbst nicht erklären kann, da ich mich innerlich eher unscheinbar unsichtbar fühle. Wenn ihr mir also sagt, dass ich schön tanze, ein geiles Outfit habe und mich fragt, ob ich denn noch zu haben sei, dann ist es für mich, als würdet ihr das über jemanden anderen sagen.
Denn eigentlich fühle ich mich eher unsicher, still und klein. Ich wäre gerne mehr Philosophin, bin laut den Aussagen meiner Mitmenschen auch nicht dumm, aber fühle mich ohne Abi und Studium leider oft nicht intelligent genug.
In Gesprächen bin ich trotzdem schnell unterfordert, aber überfordert mit sozialen Kontakten im Allgemeinen. Ich finde Menschen an sich zwar wahnsinnig faszinierend, beobachte und analysiere sie gerne, aber im Grunde genommen lebe ich lieber zurückhaltend, halte andere auf Abstand und versuche meine Unsicherheit und meine Beziehungsprobleme mit der stetigen Selbstreflexion der Psyche zu lösen in der Hoffnung, sie auf diesem Wege zu bewältigen.
Ich glaube, ich wünsche mir einfach einem Menschen zu begegnen, der sich nicht absolut fasziniert blenden lässt, mich aber auch nicht für meine Art verurteilt. Der tiefer geht. Unter die Haut…

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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2 Kommentare        

Interessant wird es, wenn Dich jemand aus dem einen Teil Deines Lebens kennt, und Dich dann einmal in Deiner anderen Rolle wahrnimmt. Das kann erschreckend sein, aber auch spannend 🙂 Dann könnte man meinen, zwei Personen zu kennen 🙂

Aber du bist in guter Gesellschaft. Wer spielt denn nicht verschiedene Rollen in verschiedenen Umfeldern? Der eine mehr, der andere weniger.
Ich glaube, auch der pöbelnde Hooligan-Skin hat eine Seite, die Zuhause ganz klein ist und nur heult, und der ängstliche Feigling lässt vielleicht in Second Life die Sau raus …

> … der sich nicht absolut fasziniert blenden lässt, mich aber auch nicht
> für meine Art verurteilt. Der tiefer geht. Unter die Haut…

Für mich ist das essenziell für eine Zweier-Beziehung. Sie lebt davon, den anderen immer besser kennenlernen zu wollen und das jenseitige geistige Innere zu erforschen, sich über sein Gegenüber zu wundern oder auch mal zu ärgern und bestenfalls dieses Wundern und Ärgern zu verwenden, seinen eigenen Horizont zu erweitern.

Sonst wird’s doch auch schnell langweilig 😉

Interessant oder beängstigend? Ich wüsste gar nicht, wie ich damit umgehen sollte, wenn meine Welten aufeinander prallen…wobei die, die mich kennen ja wissen, dass ich nicht so ganz in eine Schublade einzuordnen bin. : )
Und es gibt nicht nur die eine Seite eines Menschen, da hast du recht…

Was die Beziehung angeht, wäre diese mit einem Menschen gar nicht möglich, der nur die eine Seite von mir sehen kann/will. Ich brauche da eine Akzeptanz für mein gesamtes Wesen. Sonst wäre das ganze auch sehr einseitig und eher zu anstrengend als langweilig.

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