In den unendlichen Tiefen meines Ordnersystems habe ich vor kurzem diesen Text hier gefunden. Mich wundert eigentlich, dass ich ihn noch gar nicht veröffentlicht habe, denn er ist gar nicht mal so schlecht geschrieben. Ich habe versucht in einer Art „Akt“ zu beschreiben, wie ich mich damals auf dem Gymnasium gefühlt habe, bzw. wie sich meine Gedanken gestritten haben, während ich eigentlich lernen sollte…was ich aber nicht konnte…
Man sieht eine leere Bühne, ein rotes Sofa und ein Buch, das auf dem Sofa liegt. Ein Mädchen tritt in die Szene. Sie legt sich auf das Sofa und schlägt ihr Englisch-Buch auf, motiviert und zu allem bereit.
Erste Stimme: Komisch, dass ich nur 6 Punkte in Englisch habe, meine Grammatik ist doch gar nicht so mies?
Betrübt sieht sie sich ihre Englischarbeit noch einmal an und sieht nach, was man verbessern könnte. Doch sie erkennt die Fehler einfach nicht, obwohl so vieles rot angestrichen ist.
Erste Stimme: Hmm…ich finde mein Englisch gar nicht so schlecht. Außerdem habe ich enorm meinen Wortschatz erweitert…und warum hat früher keiner über meine Grammatik gemeckert und nun ist alles rot? Vielleicht brauche ich Nachhilfe. Aber bei wem?
Zweite Stimme: Wenn ich mir deine Noten so ansehe, bräuchtest du in so ziemlich allem Nachhilfe und wo willst du die hernehmen? Nachhilfelehrer fallen nicht vom Himmel und du hast kein Geld, um die alle zu bezahlen.
Erste Stimme: …
Zweite Stimme: Und überhaupt, warum gibst du nicht einfach auf? Die psychische Belastung ist zu groß für dich. Sieh’ es einfach ein: Du packst das nicht.
Erste Stimme: Ich will aber! Ich muss! Was soll ich denn sonst machen?
Zweite Stimme: Bloggen, lesen, Freunde treffen, Menschen beobachten, dir das Schreiben selbst beibringen, dich um Schreibwettbewerbe bemühen, einen Job ausüben, reisen, …einfach etwas, in dem du aufgehen kannst!
Erste Stimme: Ja, das wäre schon gut…aber ich muss das jetzt durchziehen…es gibt kein Zurück mehr. Ich kann nur noch alles vermasseln…
Zweite Stimme: Und die Chancen dazu sind gar nicht mal so schlecht…
Erste Stimme: Aber die anderen schaffen das doch auch! Die haben alle so gute Noten!
Zweite Stimme: Dann lern und sinnier’ hier nicht blöd rum! FANG ENDLICH AN!
Geschlagen blickt sie in ihr Englischbuch und beginnt mit den Hausaufgaben.
Erste Stimme: …bringt das überhaupt noch was? Ich verstehe es nicht…wozu die Hausaufgaben machen und neuen Stoff lernen, wenn nicht mal die Grammatik richtig sitzt?
Zweite Stimme: Ich bin immer noch der Meinung, du solltest das ganze sein lassen und aufgeben. Der wahre Abi-Stress geht erst nächstes Jahr los und du bekommst schon jetzt Panik ohne an die Prüfungen zu denken.
Erste Stimme: Aber was bin ich denn ohne Abi? Die packen das doch auch alle, das muss doch irgendwie zu schaffen sein…und wer nimmt schon eine 21-jährige mit abgebrochenem Abi? Ich will doch lernen…aber ich will nicht jedes Mal einsehen müssen, dass ich nichts, aber auch gar nichts kann. Das macht mich krank, kaputt…
Zweite Stimme: Dann hör einfach auf!
Erste Stimme: Aber ich bekomme dann keine Chance mehr. Ich kann nicht studieren, ich werde GAR NICHTS machen können…
Zweite Stimme: Du übertreibst. Andere leben auch ohne Abi.
Erste Stimme: Andere leben aber auch mit…und sind kurz davor…und packen das alles…und es gibt auch so viele Leute, bei denen ich mich frage, wie die das überhaupt geschafft haben…so ganz „ohne zu lernen“
Zweite Stimme: Mach dir nicht ins Hemd. Brich ab oder schau ins Englisch-Buch.
Harte aber realistische Worte, die von den beiden Stimmen ausgehen. Merke, du bist eines, jemand anderes ist komplett individuell. Manch einer lernt nie und schreibt stetig 2-3er weil er aufmerksam im Unterricht ist. Auch für diesen Menschen brechen irgendwann härtere Zeiten an.
Jemanden, der sich von vornerein sagt, er schafft das nicht, der wirds auch nicht schaffen. Murphys law: What can go wrong, will go wrong.
Du bist auf einem guten Weg, das warst du zu dieser Zeit sicher auch. Und immer alles geben ist ein Ding der Unmöglichkeit. Kämpfe, in den für dich angemessenen Schritten!
Danke für deine aufbauenden Worte! Und was genau der gute Weg ist, weiß ich nicht…Jeder Weg, den man geht, ist gleichzeitig gut und schlecht…ich kann nicht mal hinterher sagen, ob er gut war…er hat mich nur zu dem gemacht, was ich bin…
Und genau das, war der richtige Weg. Darum geht es. Ich kann auch nicht sagen, ob jede Abzweigung in meinem Leben richtig war, dennoch bin ich auch dadurch das geworden, was ich heute bin. Und darauf kann ich, grob gesagt, stolz sein.
Das solltest du auch :*