Artikel ohne Titel/Typ

Titel…hmmm…ich fange schon an wie die Kids, die schreiben für eine Krankheit halten und andere, lebenswichtigere, pubertäre Sorgen haben: Ich suche einen Titel, bevor ich den Text geschrieben habe.
Ich glaube, den Artikel lasse ich in Memo an diese Kids ohne Titel.

Jedenfalls wollte ich mich gestern mal so richtig gepflegt im Nest betrinken. Ich hatte fünf Bier in…äh…*beginnt zu rechnen (und sich den Chat-Verlauf von ICQ anzusehen)*…fünf einhalb Stunden. Und den gesamten Tag nur zwei Schüsseln Müsli und Süßes. Ich bin ein schlechter Mensch. Ich sollte mehr essen…

Aus „besaufm“ wurde gestern allerdings nicht viel. Um halb zwölf wurde ich aus der Kneipe geschmissen. Mit einem Typen. Ein netter Kerl. Ich habe seine E-Mail Adresse…aber fangen wir von vorne an…

Um sieben setzte ich mich durch und durch nüchtern ins Nest und als der Wirt mich fragend ansah, sagte ich „Bier“ Er sah mich nun noch fragender an und mir war klar, dass ich nicht der Oberstudienrat bin und etwas deutlicher werden muss. Also fügte ich „Fürstenberg“ hinzu. Der Wirt erwiderte nur ein „Hä??!“ Ich sah ihn lieb an und meinte: „Ich hätte gerne ein Bier, Fürstenberg!“ Er war schockiert, schrie „Meidle, Meidle!“ durch die Kneipe und ich sah flüchtig über die anderen Gäste. Da saß jemand im grünen Hemd, der heftig mit dem Rechtsanwalt diskutiere. Ich dachte nur: „Oh…Jo hat ein neues Hemd“ und kippte mein Bier runter. Ich sah immer mal wieder zu denen rüber. Sie schienen sich über Jo’s Geldanlagen zu streiten. Er meinte, er habe Geld und der Rechtsanwalt schrie durch die Kneipe „Nein, hast du nicht!!!“, usw.
Die erste halbe Stunde saß ich alleine da. Dann kam meine frühere Nachbarin und setzte sich neben mich. Sie wohnt gegenüber vom Nest und kommt ab und zu runter unter die Leute. Das freut mich. Denn ihr Mann ist vor ein-zwei Jahren gestorben. Ohne Vorahnung. Mitten auf dem Tennisplatz…
Wir alberten viel mit dem Wirten herum, der durch die ganze Kneipe Jo ein „Drecksäckl“ an den Kopf warf. Dann wollte er meiner früheren Nachbarin sagen, wie alt Jo ist. Aber er wusste es nicht, also half ich nach: „48.“ Und schon ging wieder das Geschrei los. Der Wirt rief zu Jo: „48!?!? Der sieht aus wie 68!!“ Ich stimmte in das Gelächter meiner früheren Nachbarin ein und der Wirt sah mich an und fragte, ob ich Jo denn nicht eine reinhauen kann. Ich meinte „Nein“ Anscheinend vermisst man mein Temperament, die Männer zu verprügeln und anzuschreien. Oder einfach nur mit Jo zu diskutieren. Nostalgie.
Irgendwann ist dann meine frühere Nachbarin wieder gegangen. Ich ging also aufs Klo und als ich wiederkam, saß da ein Typ auf dem Platz neben mir. Ich setzte mich wieder zu meinem Bier und er war erst mal schockiert. Wahrscheinlich hat er mit einer einsamen Person gerechnet, die ihr scheiß Leben in Alkohol zu ertrinken versucht. Nur kam dann ich.
Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwie kamen wir ins Gespräch. Und ich hatte mich schon lange nicht mehr mit jemandem so unterhalten. Er war mir auf Anhieb sympathisch, witzig und ich hatte das Gefühl, dass ich endlich mal ich war. Wir redeten so viel…und dass, obwohl nebenher Fußball lief. Es muss doch eine Ehre sein, wenn sich ein Mann eher für das Gespräch als für Fußball interessiert. Aber er war sowieso kein Fußballfan. Er sah kein fern – genau wie ich. Erschreckend. Mir ist noch nie jemand begegnet, der kein fern sieht so wie ich. Er hat auch einen sehr guten Musikgeschmack. Ach ja, das Alter: Über 40. Obwohl er zuerst meinte, er sei 17. : D Ich sehe übrigens nicht wie 19 aus…irgendwie verwirre ich die Leute…*
Er rauchte Selbstgedrehte. Ich frage ihn ganz lieb, ob er mir eine drehen würde. Ich war mutig. Im Nachhinein weiß ich nicht, ob das vom Alkohol oder der netten Gesellschaft kam. Vielleicht auch beides.
Ich war gestern so in rage mit trinken und lachen und reden, dass ich nicht einmal gemerkt habe, wie ich auf einmal alleine mit dem Wirten und dem Mann in der Kneipe war. Es war halb 12. Ich zahlte mehr als zehn Euro und verließ die Kneipe mit dem Typen. Er musste nach rechts, ich nach links. Irgendwie standen wir dann da und ich umarmte den Fremden einfach. Küsschen links, Küsschen rechts. Und weg war ich. Irgendwie torkelnd nach Hause, vor dem Laptop und das Gefühl habend, etwas genau richtig gemacht zu haben.
Betrinken kann so schön sein…aber ich esse lieber vorher was. Das ist nicht nur ein Mythos, das erspart mir Kopfschmerzen.

 

*An der Kasse mit zwei Freundinnen:
Wir sind gestern extra zum Supermarkt gelaufen und wollten dort Sponge-Bob-Schokolade kaufen wie in alten Zeiten. Leider gab’s die nicht mehr. Die eine Freundin war überrascht, dass es sowas geben soll, die andere einfach nur sauer. „Das könen die doch nicht macheeeeen!“ brüllte sie durch den Billig-Supermarkt. Ich ging also so cool wie möglich zur Kasse, hinter mir lauter komische Jungs. Und ich beugte mich zur Verkäuferin vor, lächelte und fragte folgendes: „Hallo. Sie haben nicht zufällig noch die Sponge-Bob-Schokolade im Sortiment?“ Die Mädels lachten sich hinterm Regal den Arsch ab und ich erhielt ein barsches „Nein“ und sagte „Danke…“
Fünf Minuten später standen wir wieder an der Kasse mit 5 Tonnen Süßkram. Ich zahlte, weil ich als einzige Geld dabei hatte. Vor der Kasse meint die eine Freundin: „Ohhh, ich will noch ein Ü-Ei!!“ Ich kam mir vor wie eine Mutter und und behandelte die beiden wie meine Kinder. Ich war ja die einzige mit Geld. Dann meinte ich, dass Jo ja euer Vater hätte werden können – vom Alter her. Und sie kapierten den Witz nicht. Ich meinte, sie seien schlecht erzogen und strahlte wieder die Verkäuferin an, die undankbar das Zeug durch die Gegend schmiss und froh war, dass sie mich heute nicht mehr sehen musste.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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