Black Dark II

-> Black Dark I

Es ging weiter und weiter…und weiter. Nach meinem Erlebnis im Black Dark war alles wie früher. Ich durfte miterleben, wie Jo sich immer mehr durch seine Alkoholsucht zerstörte…und ich war wie immer nicht imstande etwas dagegen zu unternehmen.

Ich wache auf. Mitten in der Nacht. Und der erste Gedanke, der mir kommt, lautet: ‚Ich halte dieses Hin und Her nicht mehr aus…‘ Mal mag er mich, mal nicht. Mal macht er mich fertig und dann umarmt er mich, als sei ich die Eine, die Einzigste, die Erfüllung für ihn. Oder bilde ich mir das nur ein? Hat meine Menschenkenntnis so versagt, dass das Leiden nun der Preis dafür ist? Jo weiß doch selbst nicht, was er will. Und ich glaube, das will er auch gar nicht wissen. Vielleicht muss er sich einfach so lange zu schütten, bis ihn die Erinnerungen, die momentane Situation und die Zukunft nicht mehr einholen.

Es ist immer so, dass ER vergessen will, während ich die Erinnerungen für mich behalte, aufbewahre, ehre. Aber für ihn sind sie nichts. Ich frage mich, ob er jemals ETWAS gefühlt hat…er kann manchmal so kalt sein. Und ich habe Angst, dass ich mir am Ende doch nur Dinge einbilde…aber: Warum kann ich dann nicht vergessen? Ihn vergessen.

Ich habe Angst zu vergessen, die Erinnerungen zu vergessen, die mir so viel bedeuten, die mich ausmachen, an denen ich hänge. Ihm scheint das nichts auszumachen, er vergisst gerne und mit voller Absicht. Ich könnte das nicht. Und vor allem nicht die Erinnerungen, die mit ihm zu tun haben. Es tut weh zu wissen, dass er nichts mehr weiß. Ich vermisse ihn trotzdem, gebe alles dafür, dass er mich nicht vergisst. In seinen Augen heiße ich „Mädl“, bin wahrscheinlich eine von vielen, doch das ist mir egal. Mir tut es nur gut in seiner Nähe zu sein. Wenn er nicht da ist, fehlt etwas Entscheidendes. Mut zur Entscheidung. Schlagfertigkeit. Die Wärme der Gedanken. Ich habe das Gefühl, er ist wie ein Ventil für mich, der Draht zu allem anderen. Der Draht zum Leben. Er wacht über mich und ich über ihn. Er bedeutet mir etwas, genauso wie ich ihm, wenn auch nur etwas. Er tut immer so, als würde ich ihn nerven, wir wissen aber beide, dass das nicht so ist. Uns beide verbindet eine Art Schicksal.

Die Tage streichen so dahin und ich fühle mich nur noch leer. Weil ich mir nie sicher sein kann, wie er die Dinge meint. Sieht. Eines ist jedoch sicher: Wir können beide nicht bei einer Entscheidung bleiben. Ist etwa das einzig sichere an der Liebe, dass sie unsicher ist?

Ich zerbreche mir schon wieder den Kopf über ihn, mache mir Sorgen. Und dabei will ich einfach nur über ihn wachen dürfen, mir seine Geschichten anhören, helfen, das Recht besitzen an seiner Seite zu stehen. Doch warum kann ich es nicht? Welche Sprache spricht mein Herz, dass nur ich es höre? Und wieso kann es mir nicht sagen, wie das alles endet?

Es kann so nicht weitergehen, ich muss mit ihm reden. Über uns reden.
Also mache ich mich auf den Weg zu ihm, zu seinem Haus, dass ich aus dem Fenster sehen kann. Jeden Herbst, wenn die Blätter von den Bäumen fallen.
Der Weg ist immer sehr hart für mich. Und wie immer wird mir abwechselnd heiß und kalt. Wie Immer habe genauso Angst wie ich mich freue. Wie immer denke ich an Vergangenes…

Ich brauch deine Hand
Die mich berührt
Brauch deine Stimme
Die mich versteht

Mir ist so kalt
Ich fühle mich
Als wäre ich irgendwo
Alleine
Im Dunkeln
Bei Regen
In der Nacht
Sehe nur den Mond
Und denke an dich
Wir sahen ihn einst zusammen
Als es noch nicht hell war
Als du weggelaufen bist
Vor mir

Ich lief einst Arm in Arm mit dir
Du hörtest mir zu
Du gabst mir die Kraft
Weiter zu machen
Du weißt es nicht
Aber du gibst mir immer die Kraft
Und ich Liebe dich dafür
Liebe dich
Auch wenn du wegläufst
Vor mir

Vor was hast du Angst?
Vor mir?
Vor denen
Die uns holen könnten?
Doch können wir nicht das Jetzt leben
Vergessen was war
Verstehen was kommt
Und es wollen?
Warum können wir es nicht wollen?

Du hast Angst
Ich auch
Vor dir
Vor mir

Ich klopfe an die Scheibe, hoffe, dass er da ist. Hoffe, dass er mir zuhören wird. Und er öffnet die Tür. Und ist betrunken. Es wird wie immer zu keinem klärenden Gespräch kommen…es soll nicht so sein.

Doch ich betrete trotzdem die kleine Wohnung. Sein bester Freund grinst mich von dem Stuhl aus an, auf dem ich immer so gerne sitze. Aber, gut. Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Die zwei sind sowieso jetzt schon kaputt…voll…betrunken. Und wenn sein bester Freund dabei ist will ich auch nicht mit so einem Gespräch anfangen.

Wie es jedoch der Zufall so will, verliert der Kumpel bei einem Spiel und muss Zigaretten holen gehen. Meine Chance! Ich beginne ein Gespräch…leider endet es in Kritik und Streit. Warum kann ich es nicht sagen? Warum ist Liebe kein Argument? Immer wenn ich in seine Augen sehe, schneidet es mir die Wörter ab. Die Gedanken. Und immer, wenn er redet, auf seine Art, verliebe ich mich wieder und wieder. Er kommt mir vor, als würde das keine Ende nehmen… Und immer frage ich mich ‚Wie lange geht das schon so?‘ Es kann doch nicht sein, dass mich eine Person so ausfüllt. Dass…das Liebe ist…

Unscheinbar. Still. Und irgendwie doch immer da. Immer am Aufpassen. Immer in der Nähe. Schleicht sich von hinten an und streichelt fürsorglich mit Samthandschuhen über seinen Kopf. Bringt ihn zum Lachen. Will ihn nur nach Hause bringen. Weiß, was gut für ihn ist. Wird sitzen und somit alleine gelassen. Doch bleibt stark. Umarmt ihn zum Abschied. Ohne Träne. Ohne Gefühl. Lässt sich nichts anmerken. Weiß, es bringt nichts. Und fühlt doch, obwohl sie nicht darf. Fühlt, bis zu seinem Tod. Will die Frau an seiner Seite sein. Doch ist er ihr ein Rätsel…

Egal ob sie ihm auf die Füße tritt oder ihn sanft an sich drückt. Er spürt es nicht. Er spürt nichts. Nicht mehr den Alkohol, den er immer trinkt. Damit er sie nicht spüren muss. Kein einziges Gefühl. Nur eine Leere…und sie macht sich Sorgen.

Was ist bloß passiert, dass alles immer so weitergeht? Und was kann ich tun, damit…sich endlich etwas klärt? Aber…wenn ich es mir recht überlege, klärt ich das vielleicht auch nie. Vielleicht wäre das Ende schlimmer, als es jetzt ist. Die Qual. Die Sorge um ihn. Und diese ständige Ungewissheit, ob da wirklich etwas ist. Denn er macht sich doch auch Sorgen – auf seine Art. Das mit dem Black Dark. Oder wenn ich mit anderen Männern unterwegs bin. Und ich mache das auch noch extra. Damit er über mich nachdenkt. Wenn ich es mir recht überlege bin ich, was das angeht keinen Deut besser als er. Machen wir uns vielleicht gegenseitig fertig? Ach, würde ich doch eine Antwort bekommen. Würde es doch etwas geben, das bleibt. Und könnte ich doch nur mit ihm reden. Einfach so. Über nonsense. Oder über die Sache, die mich schon so lange plagt. Über das eine auf dem alles andere beruht. Ach, könnte…er doch nur meine Texte lesen.

Es ist wie Liebe
Doch darf nicht sein
Es ist wie ein Verbot
Gegen das meine Seele rebelliert

Doch darf ich nicht sagen
Was ich fühle
Darf nicht denken
Wie ich denke

Bin gezwungen so zu leben
Bin gezwungen still zu sein
Bin gezwungen zu vergehen
In meiner Sehnsucht
Die vergeht

Habe Angst
Dass es soweit kommt
Will nichts essen
Um nur Hunger
Und nicht den Schmerz zu fühlen

Der Schmerz
Der mich noch verrückt werden lässt
Der Schmerz
Der mir zeigt
Ich kann nicht vor
Und nicht zurück

Muss still sein
Darf nicht sagen
Was ich fühle
Liebe
Bis zum Ende
Liebe
Bis sie vergeht

Doch vorher will ich sterben
will nicht wieder so werden
So gefühllos
Will nicht
Dass es endet

Ich kann nicht vor
Und nicht zurück
Es ist wie Liebe
Nur muss im Verborgenen gehalten werden
Und ich muss schweigen
Bis der Tag kommt
An dem ich leben werde
Oder sterben werde

Und ich verlasse seine Wohnung und mache mich wieder auf den Weg zum Black Dark…

Posted by Journey

Kategorie: (Kurz)geschichten

Autor: Journey

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