Die letzten Tage meiner Teenagerzeit…

Die Exfreundin von meinem Dad sieht mich – wie meine Eltern Tag für Tag – als Kind. Ich mag das nicht, denn ich bin alles andere als ein Kind, so meine Selbsteinschätzung. Und wenn mir jemand sagt, dass ich erwachsen werden soll, dann spüre ich ein Verlangen nur noch mit Fremdwörtern zu kommunizieren und diesen Jemand in Grund und Boden zu diskutieren. Aber letztendlich kann ich nicht verleugnen, jung zu sein. Und jung sein ist für mich das Grauen, weil meine Kindheit furchtbar war aufgrund meiner Eltern, meine Jugend hin war aufgrund meiner Mitschüler und ich im Grunde nur auf mich allein gestellt bin und ich mich dann auch noch herunterstufen und als Kind bezeichnen lassen muss…

Und genau das war ein Diskussionsthema zwischen der Ex von meinem Dad und mir: Inwiefern kann ein junger Mensch einem älteren das Wasser reichen? Die Leute, die ich so treffe sind um die 40/50/60 und sogar 70! Und keiner, aber auch keiner hat mir bisher solch eine Diskussion praktisch aufgenötigt. Gut, ich habe sie begonnen, aber nur, weil ich es nicht mehr hören konnte. Wenn ich unterwegs bin, egal wo, dann fühle ich mich eben alt und nie jung. Ich kann mich mit den Menschen unterhalten und ich weiß, dass viele mich akzeptiert haben als eine von ihnen. Viele finden meine Intelligenz genial und können mir das auch sagen. Ich habe mich immer als jemand gefühlt, der praktisch die Prüfung bestanden hat. Und wenn dann jemand kommt und mich so sehr herunterstuft und auch noch naiv nennt, dann brennen mir die Sicherungen durch und ich fange nun einmal an zu diskutieren…

Letzten Endes war das alles jedoch ein Witz. Da ich von ihr immer dieselben Argumente gehört habe, habe ich irgendwann gemeint, dass ich mich nicht mehr genötigt fühle, dieses Gespräch zu führen.

Aber ich habe gemerkt, als ich die herumstehenden aufgefordert habe, auch einmal etwas zu sagen, dass mich keiner verteidigt hat. Keiner hat gesagt: Sie sieht nur so jung aus. Oder: Mit ihr kann man sich trotz ihres Alters super unterhalten. Oder wie der Schlosser immer sagt: Sie hat Niveau. Keiner. Dieter, der meine Art, Sätze zu formulieren bewundert, Karl, mit dem ich mich über die Gesellschaft echauffiere, der Schlosser, bei dem ich immer das Gefühl hatte, wirklich etwas wert zu sein…sie alle saßen still daneben… Das macht einen irgendwie stutzig, denn ansonsten höre ich solche Sätze von denen ziemlich oft… Ich habe mich daraufhin zum ersten Mal in meinem Leben gefragt, ob ich im Grunde genommen für alles zu dumm bin. Zu dumm, um Dinge zu lernen, zu dumm für die Schule, zu dumm, um einfach zu leben.

Zweifel scheinen wohl meine ständigen Begleiter zu sein. Und wenn einem wie auf dem Gymnasium beinahe nur gezeigt wird, was man alles nicht kann und schon dementsprechend schlimmes an anderen Schulen erlebt hat, dann lebt etwas aus den Tiefen des Unterbewusstseins auf und macht einem alles zu Nichte.

Und so ging es mir in dem Moment, als ich gemerkt habe, dass keiner mehr etwas sagt, obwohl ich mich auch nicht anders als sonst benommen habe. Ich gehe aber auch im Normalfall davon aus, dass man positives Feedback nur gibt, wenn man zwei Tage später immer noch dazu stehen kann. Oder ist selbst das vergänglich?

Ich weiß schon jetzt, dass der morgige Tag wie jeder andere Tag meines Lebens sein wird. Ich werde aufstehen, 20 sein und im Prinzip werde ich immer noch zu jung sein. Man wird mich immer noch nicht wirklich ernst nehmen und mich fragen, warum ich nur mit älteren Leuten unterwegs bin und ich werde immer noch antworten, dass ich mich mit den jungen eben nicht verstehe. Man wird mich immer noch fragen, warum ich nicht in der Disco herumspringe und ich werde immer und immer wieder daran erinnert werden, dass ich nicht normal bin. Und auch, wenn ich weiß, dass alles relativ ist und es ein Normal gar nicht gibt, wird es trotzdem immer und immer wieder weh tun.

Ich habe bis vor kurzem gedacht, dass ich den Kampf endlich hinter mir habe. Dass ich einfach bei den anderen stehen darf ohne zu zweifeln und die Frage aller Fragen zu befürchten, die mir immer zeigt, wie anders ich doch bin. Ich komme mit den jungen Leuten nicht zurecht, da sie ganz anders denken als ich und ziemlich grausam sein können. Und ich komme mit den alten nicht zurecht, da ihnen die Akzeptanz eines jungen Menschen in ihrem Kreis wohl zu schwer fällt. Ich würde da ja einfach nicht hingehören. Und ungefähr die Hälfte derer, die das sagen, haben das erste Kapitel vom Spiel mit dem Tod gelesen und mich auch noch gefragt, ob das denn autobiografisch sei…na ja, Leid erzeugt Kunst und Lyrik…das schien schon immer so gewesen zu sein.

Also werde ich morgen aufs Leid anstoßen. Für mich. Alleine. Im Zimmer eingesperrt und mit verdeckten Spiegeln, weil ich nicht sehen will, dass das Innen nicht zum Außen passt. So ungefähr müssen sich die Weiber fühlen, die mit 30 erste Fältchen im Gesicht sehen. Nur eben umgekehrt…

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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