Wenn ich so grob über das letzte Jahr schaue, dann habe ich mich wirklich sehr oft im Kreis gedreht und bin persönlich keinen Deut weiter gekommen. Das frustriert mich einfach immer mehr und ich möchte so auch nicht weiterleben…
(Eins vorweg: Das bedeutet jedoch keineswegs, dass ich sterben will. Eher das Gegenteil ist der Fall, aber dazu gleich mehr…)
Die größte Erkenntnis aus allem, was ich so in letzter Zeit erlebt habe, ist, dass Zeit ein unglaublich wertvolles Gut ist. Wertvoller als jede nervenaufreibende Gerichtsverhandlung um ein Erbe und allgemein Reichtum oder überhaupt Geld. Sie ist mir auch zu wertvoll, um mich aufzuregen über Dinge, die ich nun mal nicht ändern kann oder um Gespräche mit anderen zu führen, die sich darüber aufregen oder ihre Verzweiflung zum Ausdruck bringen. Davon habe ich in letzter Zeit einfach zu viele um mich herum gehabt und mich emotional zu sehr reingefühlt.
Wir haben nur ein begrenztes Maß an Zeit. Ich bin jetzt 33… Ich möchte aber auch noch etwas im Leben erreichen, was über das Retuschieren von Bildern, das Sortieren von Daten und die Buchhaltung meines Chefs hinausgeht. Und vor allem möchte ich schon jetzt daran arbeiten und nicht erst im Rentenalter, wenn ich dann mal irgendwann vielleicht genug Zeit für mich habe.
Denn das Leben kann auch um einiges schneller vorbei sein, als man es für möglich hält…
Eigentlich ist mir das schon lange bewusst…
Und dennoch: Es macht mir eine verdammt scheiß große Angst zu sterben, bevor ich nochmal ein Buch (zu Ende) geschrieben habe. Ich habe davor so große Angst, dass ich meine Tränen nicht zurückhalten kann, weil mir dadurch noch einmal mehr bewusst wird, dass mein Leben ohne Schreiben für mich keinen Sinn hat. Ich will nämlich keine Kinder hinterlassen, sondern Bücher…
Diese Angst trägt mit großer Wahrscheinlichkeit auch dazu bei, warum ich seit knapp drei bis vier Jahren immer wieder so unglücklich und unzufrieden bin, dass ich eine Auszeit brauche.
So richtig krass hat mich diese Erkenntnis jedoch getroffen, als ich gesehehen habe, dass Gunnar Kaiser mit 47 Jahren gestorben ist. Er war Deutschlehrer, Youtuber, aber vor allem Autor und hat damals 2019 in Slowenien das Schreibretreat veranstaltet, das ich auch besucht hatte. Wir standen uns weder sehr nahe, noch habe ich in den letzten Jahren gut gefunden, was er so produziert hat. Das wurde mir auch vor seinen Coronavideos immer suspekter, weshalb ich ihn sogar überall deabonniert hatte. Seinen Humor fand ich einfach oft nicht wirklich lustig oder angemessen. Aber er war dennoch ein verdammt kluger Kopf, der viele Menschen bewegt hat und im Real Life nebenbei um längen sympathischer war. Und die Slowenienreise mit ihm und den anderen empfinde ich nach wie vor als einer der besten Urlaube, die ich je gemacht habe.
Nach dieser Nachricht habe ich mich jedenfalls gefragt:
„Was würdest du tun, wenn du nicht mehr lange zu leben hättest?“
Ich würde definitiv nicht mehr arbeiten, sondern jede Sekunde zum Reisen und Schreiben nutzen, solange es geht… im Grunde offenbart das doch, was mir wirklich im Leben wichtig ist, oder?
Sicherlich ist es auch das Fortbestehen des Fotostudios, in dem ich zusammen mit meinem Chef und besten Freund MR arbeite und wo ich zu einer tragenden Stütze geworden bin. Aber ich will das nicht mehr in dieser Form sein…
Deshalb wird es Zeit, sich zu lösen… erst einmal durch eine Vier-Tages-Woche, mehr Auslagerung der Bildbearbeitungsjobs,… und ich sollte irgendwie mein Wissen hinterlassen…
Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber seitdem ich die Zeit so sehe und fühle, merke ich einfach, dass sie neben der Gesundheit das wertvollste überhaupt ist. Die größte Freiheit und der größte Reichtum …und dadurch auch der größte Glücksfaktor.
Liebste Kulturschaffende,
dieser Beitrag trifft mich derart ins Mark, dass selbst ich inzwischen schreibfaule Person einfach mal kommentieren muss. Denn exakt das Gefühl, welches du da beschreibst, quält mich seit nunmehr 4 Jahren. Wo ist die Zeit, was will ich noch schaffen, was bleibt? Mit Ende Zwanzig dachte ich noch, Zeit wäre ein im Übermaß für mich verfügbares Gut und wusste mitunter nicht einmal wohin damit, stagnierte vor lauter Müßiggang beinah komplett. Heute knapse ich jede freie Minute irgendwo teuer ab und fühle den Zahn der Zeit nagen. Auch in meinem Kopf geistern noch zu schreibende Geschichten, Ideen zum Umsetzen, Erfahrungen und Werte, die ich unbedingt meinem Sohn mitgeben möchte.
Du bist in jedem Fall nicht allein in dieser Lage. Das hilft dir natürlich nicht direkt weiter, aber vielleicht finden wir unlängst nochmal Zeit (merke selbst grad wie witzig das im gegebenen Kontext ist) für einen Gedankenaustausch.
Halt die Ohren steif, die Zukunft hält noch viel spannendes bereit!
Liebe Grüße aus dem Osten
Liebster Herr Fe,
es freut mich unglaublich, dass du immer noch meinen Blog liest und dir sogar die Zeit nimmst zu kommentieren!
Diese Worte treffen mich wirklich sehr tief…
Ich glaube, dass wir mit diesem Gefühl definitiv nicht alleine sind und es immer mehr Menschen so geht wie uns. In den letzten Jahren bin ich so einigen besonderen Persönlichkeiten begegnet und viele von ihnen haben Schwierigkeiten, im Arbeitsleben zurechtzukommen. Sie haben auch immer wieder mal Erschöpfungszustände, arbeiten gar nicht mehr oder fangen gar nicht erst richtig damit an. Gut überleben können sie nur durch andere (Partner, Eltern,…mit Glück und diversen erkämpften Ansprüchen werden sie vom Staat mitgetragen). Und ich will gar nicht wissen, wie viele sich deshalb mit Drogen betäuben und sei es „nur“ der Alkohol…
Und wir? Urteilen über sie und schimpfen über die faule Generation Z, die es wagt, überhöhte Ansprüche zu stellen. Dabei müssten wir „älteren“ *hust* im Job (fest)steckenden Semester den Wunsch nach mehr Work-life-Balance doch am besten nachempfinden können.
Aber ich weiß auch, wie gut man sich mit Arbeit betäuben kann. Sie kann einem so viel geben, wenn man Glück hat (Erfüllung, Anerkennung, Selbstwert,..) und natürlich kann man sich dadurch auch unglaublich weiterentwickeln und einmalige Erfahrungen sammeln. Aber der Preis kann auch verdammt hoch sein.
Doch was ist die Lösung? Es fühlt sich alles irgendwie wie ein Kompromiss an… ein Anpassen an ein krankes System, das (momentan) nicht anders funktioniert.
All das ist ist ein unglaublich großes Thema und wohl mal ein Extrabeitrag wert.
Ich hoffe auch, dass wir beide bald wieder die Zeit für einen Gedankenaustausch finden und es sich nicht wie ein „Abzwacken“ anfühlen wird!
Vielleicht bei einem guten Kaffee in Leipzig…
Liebe Grüße aus dem Black Forest!