Mein beruflicher Werdegang

Ich merke immer mehr, dass ich im Herzen eigentlich keine Fotografin bin. Ich kann mich zwar motivieren und mag es auch, mit Licht und Perspektive zu spielen, aber es erfüllt mich bei weitem nicht so, wie einige Berufsschulkollegen von mir oder meinen Chef. Sie alle haben es wie ich gelernt, mal den Betrieb gewechselt oder wechseln gerade und sind nach all den Jahren immer noch dabei und spüren, dass es das ist, was sie machen wollen, egal wo. Observer ist ebenfalls im Herzen Fotograf, obwohl er das nicht gelernt hat und auch (noch) nicht sein Geld damit verdient. Dennoch ist der ambitionierteste Fotograf, den ich kenne. Er geht da mit weitaus mehr Leidenschaft heran als ich, nimmt weite Strecken in Kauf, Unsicherheiten, einen enormen Aufwand für ein Foto irgendwo nachts in Hamburg, wo man nicht mal tot überm Zaun hängen will…

Bei mir ist das anders, weshalb ich nicht nur meine Arbeitsstelle wechsle, sondern gleich den kompletten Berufszweig wechseln werde…

 

Als ich Anfang des Monats beschlossen habe, mein Bewerbungsbild lieber zuhause selbst zu machen, anstatt meinen Chef zu fragen, hat mich das eine enorme Überwindung gekostet. Früher habe ich sowas definitiv lieber gemacht. Früher (also noch vor meiner Ausbildung) habe ich mich ja ständig fotografiert und das in einer Prä-Selfie-(Smartphone-)Zeit. Währenddessen wurde das zwar immer weniger, aber dafür habe ich dann richtig fotografieren gelernt. Es hat mir auch viele Jahre Spaß gemacht, die Dinge ins rechte Licht zu rücken, aber mit der Zeit hat mich dann die Bildbearbeitung mehr gefesselt. „Bildbearbeiter“ ist allerdings kein „richtiger“ Beruf, den man irgendwie lernen kann, sondern gehört eben zur Fotografenausbildung dazu. Man kann sich da auch kaum weiterbilden bzw. bringt mir das alles nichts, weil ich (ohne jetzt arrogant wirken zu wollen) einfach zu gut und zu speziell bin. Ich habe es nämlich schon damals so sehr auf die Spitze getrieben und in den Jahren nach der Ausbildung noch 100mal einen draufgesetzt bis zur absoluten Perfektion.

 

Ich habe…

  • aus Rasenflächen Beton gemacht (und aus dem einen daraufstehenden Auto ein größeres gemacht…und in einem Motiv sogar drei… und nebenbei auch noch einen Radkappenwechsel vorgenommen)
  • Wände und Decken in Räume eingebaut
  • Dinge umgefärbt ohne Farbkörper (klingt banal, ist es aber nicht)
  • einen silbernen LKW schwarz gemacht und neu bedruckt
  • aus Shorts eine lange Arbeitshose gemacht
  • kaum erkennbare Schliffspuren auf Metallprodukten hingefaked
  • Werkstücke mit Geheimhaltung verfremdet
  • Produkte ausgemessen, mir dazu nicht vorhandene technische Bemaßungszeichnungen ausgedacht und als grafische Elemente ins Bild eingebaut
  • Maschinen neu zusammengebaut aus vorhandenem (zum Teil echt schlechtem) Bildmaterial
  • mir allein durch Logik anhand weniger Anhaltspunkte (schlechtes 360°-Rendering, semikorrekte technische Zeichnung) etwas ausgedacht, was hinter etwas war, was ich entfernen musste
  • noch nicht physikalisch vorhandene Dinge aus dem Nichts gezaubert
  • intensiver Industriehallen digital geputzt als eine Putzfrau während ihres gesamten Lebens
  • Maschineninnenräume mit Gefühl so sauber gemacht, wie sie vermutlich nicht mal vor ihrer ersten Inbetriebnahme waren
  • mehrmals Maschinenbeschriftungen geändert und mich so krass mit der Platzierung der Logos auseinandergesetzt, dass ich vermutlich mehr Überblick hatte als die gesamte Marketingabteilung
  • entfernt/hinzugefügt/gefaked
  • sowie Warnmeldungen in Photoshop zu sehen bekommen, die man echt nur sieht, wenn man das Programm bis zum Limit ausreizt…

Ich habe ebenso Strukturen in Dateien etabliert, die alles aufeinander aufbauen lassen und bin so vertraut mit logischen Verknüpfungen und Smartobjekten, dass ich mit nur einem Klick die Farbe von etwas in allen betreffenden Dateien ändern kann.

 

Tja, und auf diesem Zenit habe ich dann beschlossen, dass ich was anderes machen möchte. Mein Wissen ist nämlich nicht mehr so von Bedeutung wie früher, mein Faible für Genauigkeit eigentlich verschwendet an eine Marketingwelt, die das einfach nicht (mehr) braucht. Zum Teil sind die Leute nicht mehr da, die das, was ich kann, zu schätzen gewusst haben, zum Teil fehlt das Budget oder oder oder… Na ja, KI kann’s ja auch. (Okay, nicht wirklich, wird aber immer besser)

So möchte ich einfach nicht mehr arbeiten. Das wird also auch nicht in einem anderen Betrieb besser, eher schlechter. Bildbearbeitung ist für die Mehrzahl der Fotografen eher am Rande interessant bzw. nur Mittel zum Zweck und wird bei weitem nicht in dem Ausmaß praktiziert, wie ich es gerne mache. Ich bin da auch eher technisch versiert, während andere eben ein wenig rumretuschieren und sich auf das Gesamtbild konzentrieren. Kann ich auch verstehen, denn darauf kommt es auch am Ende an. Ich jedoch kann das nicht so gut und es macht mir auch überhaupt keinen Spaß. Ich mag es komplex, schwierig und mache gerne Unmögliches möglich und zähle die Pixel förmlich ab für absolute Symmetrie, die keiner (mehr) sieht.

 

Aber ich bin keineswegs traurig über das Ende all dessen. Vielmehr merke ich immer mehr, dass es die richtige Entscheidung ist zu gehen.
Es war eine coole Zeit (definitiv!) und ich sehe auch nichts davon als verschwendet! Denn all das, was ich in den letzten Jahren gelernt habe, die Art zu denken und zu sehen, wird mir an anderer Stelle von Nutzen sein. Ohne die letzten Jahre wäre ich nicht hier und vor allem überzeugt davon, dass es einige Dinge gibt, die ich richtig gut kann.

Fotografie zähle ich ebenfalls dazu, auch wenn das von all dem, was ich nach meiner Fotografenausbildung gemacht habe, noch das wenigste war. Aber ich kann es, nach wie vor.
Vor allem kann ich aus dem schrottigsten Ausgangsmaterial das beste rausholen, sowohl digital als auch im echten Leben mit echt bescheidener Technik…

Um nun hier wieder den Bogen zum Anfang und zu meinem Bewerbungsbild zu schlagen, hier noch eine kleine Anekdote, wie das eigentlich entstanden ist…

Wie ihr euch denken könnt, habe ich im Gegensatz zu anderen Fotografen in den letzten Jahren meine Kameraausrüstung nie aktualisiert. Wozu auch, wenn ich kaum fotografiere und mir auch das Equipment meines Chefs leihen könnte, sofern es sich um was Wichtiges handelt? Das einzige, das ich mir tatsächlich gekauft hatte, waren zwei Objektive und seit dem tragischen Ende meines Alu-Billig-Stativs im Mercedes-Museum auch ein gutes Stativ mit Kameraneiger.
Meine Kamera ist also immer noch die Canon 1100D aus meiner Ausbildung von 2012 und mein Macbook von 2011 wurde schon mehrmals für tot erklärt und wiederbelebt. Im Grunde ist jedes Einschalten eine Wiederbelebung. Nach so einigen Problemen mit dem Trackpad und dem Verlust einiger Tasten der Tastatur habe ich diese selbst ausgetauscht. Dann ging irgendetwas nicht und ich habe den toten Akku ausgebaut, woraufhin es wieder anging. Allerdings hat sich das Trackpad immer noch nach Belieben selbstständig gemacht, was aus irgendeinem Grund an der Tastatur lag. Durch einen Systembefehl konnte ich diese dann deaktivieren und daraufhin hat das auch das Trackpad seinen Eigenwillen verloren. Leider musste ich das jedes Mal beim Hochfahren machen und da mir das sehr schnell zu doof wurde, habe ich das Macbook also nochmal aufgeschraubt (ja, früher ging das noch!) und das Kabel ausgesteckt. Als Tastatur nutze ich nun eine Bluetoothtastatur, was ohnehin praktischer ist zum Fotografieren.
Seither funktioniert jedenfalls alles einwandfrei… also… na ja… fast. Die einzigen Macken, die es jetzt noch hat sind eben, dass es keine funktionierende interne Tastatur hat und dass es nur noch am Stromkabel betrieben werden kann. Ach ja, und dass der An-/Ausschalter nicht funktioniert. Das ist allerdings egal, da es automatisch hochfährt, sobald ich das Stromkabel einstecke. Allerdings funktioniert auch das nur unter bestimmten Umständen, wenn das Ladekabel in einer ganz bestimmten Position liegt und die Buchse am Macbook beschließt, den Stecker zu akzeptieren (da diese vermutlich auch einen Wackelkontakt hat). Jedenfalls sollte der ganze Aufbau NICHT mehr bewegt werden, wenn es mal läuft.

Ich glaube spätestens JETZT fragt sich jeder normale Mensch, warum ich das Teil eigentlich noch habe und mir kein neues kaufe. Nun, ich brauche es ja eigentlich nur noch wegen meiner alten Kamera bzw. wenn ich mich mal dazu entschließe, eine „Fotosession“ zu machen und dazu in den Rechner reinfotografieren möchte. Das ist einfach angenehmer, weil ich auf dem Bildschirm das Bild dann gleich sehe und über Live View auch direkt sehen kann, wie ich ein Objekt oder mich selbst im Bild platziere. Da meine Kamera aber so alt ist, wird sie von einer neueren Software nicht mehr erkannt und die älteste (noch mit meiner Kamera kompatiblen Version) lässt sich umgekehrt nicht mehr auf dem neuen iMac installieren.
Die Software auf meinem Macbook ist übrigens ein Überbleibsel jener Zeit, als ich es noch für die Arbeit genutzt habe. Mittlerweile wurde sie für meinen iMac deaktiviert. Da das Macbook aber nicht mit dem Internet verbunden ist, weiß es das noch gar nicht… es weiß auch nie, wie spät es ist, wenn ich es einschalte…

Jedenfalls funktioniert dieses System in genau dieser skurrilen Zusammenstellung. Und wir wissen ja alle: Never change a running system! ; )

Skurril war übrigens auch der „Setaufbau“, denn durch den Platzmangel in meinem Schlafzimmer und weil ich die graue Wand im Hintergrund wollte und diverse Abstände einhalten musste, war ich gezwungen breitbeinig auf einem Klapphocker zu stehen und mit dem rechten großen Zeh den Auslöser bzw. die Bluetoothtastatur zu bedienen.
Und ja, auch wenn ich stellenweise sehr genervt war und die Überwindung zur Fotosession erst einmal enorm gewesen ist, muss ich in solchen Momenten echt selbst über mich lachen… und bin gleichzeitig ein wenig stolz auf meine Fähigkeit, Lösungen für Probleme zu finden, die andere vermutlich gar nicht haben, weil sie einfach neu kaufen… oder jemanden um Hilfe bitten. Klar ist das einfacher, aber so entsteht eben auch keine „Problemlösungskompetenz“. Und die habe ich durch die Zusammenarbeit mit meinem Chef, der ebenso ein Tüftler und Macher ist, definitiv in den letzten Jahren erworben! : )

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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