Matt Haigs Psychigramm

Heute möchte ich einen interessanten gedanklichen Anreiz aus dem Buch „Mach mal halblang – Anmerkungen zu unserem nervösen Planeten“ von Matt Haig vorstellen, indem ich aus zwei Kapiteln zitiere.

 

Das erste lautet „Psychigramm“ und er leitet es mit folgenden Worten ein:

Stell dir vor, es gäbe eine Einheit, um das Gewicht psychologischer Belastungen zu messen. Würde uns das helfen, Psyche und Körper zusammenzubringen? Wäre es damit leichter, die Realität von Stress anzuerkennen? Kämen wir vielleicht sogar besser mit dem Stress unserer Zeit zurecht? Probieren wir es aus. Nehmen wir an, es gäbe eine Einheit namens Psychigramm (pg).
»Oh nein, ich kann heute meine E-Mails nicht mehr checken. Ich habe mein pg-Limit schon erreicht.«

 

Es folgt eine Auflistung, (von der ich nur einige Punkte übernommen habe):

Rundgang durchs Einkaufszentrum 1.298 pg
Voller Posteingang 321 pg
Schuldgefühle, weil du nicht zum Sport gegangen bist 50 pg
Schuldgefühle, weil du nahe Verwandte nicht angerufen hast 295 pg
Beunruhigendes Symptom googeln 672 pg
Vortrag halten müssen 1.328 pg
Erkenntnis, dass es Montagmorgen ist 701 pg
Von einem Roboter ersetzt werden 2.156 pg
An die Dinge denken, die du gern getan hättest, aber nicht getan hast 1.293 pg

Anmerkung: Das psychologische Gewicht unterliegt starken Schwankungen. Psychigramm ist eine subjektive Maßeinheit.

 

Das waren also einige von Matt Haigs subjektiven Werten. Ich selbst habe mich daraufhin natürlich gefragt, was meine schlimmsten Stressfaktoren sind und ich bin (momentan, rein subjektiv) auf folgende Dinge und Werte gekommen:

Essen planen ohne konkrete Lust auf etwas 1567 pg
jemanden anrufen (gewohnte Person/Situation) 356 pg
jemanden anrufen (neue Situation, neue Person, etwas muss geklärt werden) 2994 pg
mehr als eine unbeantwortete Mail im Posteingang 453 pg
mehr als zwei unbeantwortete Mails im Posteingang 1194 pg
unvorhergesehene Änderungen eines Tagesplans (durch Deadlines, die spontan auf der Arbeit zustande kommen) plus Schwierigkeiten, den Tagesplan auch ohne Hindernisse überhaupt durchzuziehen 3543 pg
keinen Plan zu haben 548 pg
einen Plan zu haben, aber keinen Antrieb ihn umzusetzen 2728 pg
jemanden besuchen (je nach dem) 257 pg – 10000 pg
Lebensmittel im Kühlschrank zu haben, bei denen ich nicht exakt weiß, was ich damit mache 2209 pg
das Bad putzen 346 pg
Familienfeiern (Weihnachten, Geburtstage,…) 4376 pg
einkaufen gehen morgens um 7 mit klarer Liste 488 pg
später einkaufen gehen in einen vollen Supermarkt mit rudimentärer Liste 5576 pg
feststellen, dass der einzige Laden, der morgens um 7 aufmacht, abgebrannt ist 3576 pg
Aggressionen und ähnliche Stimmungen anderer, die nichts mit mir zu tun haben, mir aber dennoch nahe gehen 2567 pg

 


 

Nun gibt es aber nicht nur diese Form, sondern auch die Gegenteilige, das „Minus-Psychigramm (Dinge, die alles leichter machen)“:

Stell dir vor, neben dem Psychigramm gäbe es eine Einheit für Dinge, die unsere Psyche leichter machen. Die Einheit wäre Minus-Psychigramm(-pg).

Die Sonne, die hinter einer Wolke auftaucht -57 pg
Entwarnung vom Arzt -320 pg
Urlaubsort ohne WLAN (nach der anfänglichen Panik) -638 pg
Spaziergang mit dem Hund -125 pg
Yoga-Stunde -487 pg
In ein gutes Buch abtauchen -732 pg
Nach einer schrecklichen Zugfahrt zu Hause ankommen -398 pg
Von Natur umgeben sein -1.291 pg
Tanzen -1.350 pg
Wenn ein naher Verwandter eine Operation gut übersteht -3.982 pg

Und so weiter.

 

Für mich wären das folgende Punkte:

Feedback zu meinen Texten bekommen -2887 pg
Überblick über meine Finanzen haben und feststellen, wie gut ich klar komme -1653 pg
etwas gestalten (z.B. in InDesign) und dabei neues lernen -845 pg
Photoshop-Herausforderungen meistern, von denen alle sagen, dass es nicht möglich sei -732 pg
Tabellenkalkulationen erstellen, neue Formeln ausprobieren und feststellen, dass alles funktioniert und logisch aufeinander aufbaut -902 pg
Observers Auflauf -1398 pg
Schnee im Winter -1397 pg
Homeoffice mit klaren Aufgaben -1409 pg
Spazieren gehen morgens um vier (was ich ewig nicht mehr gemacht habe…) -923 pg
feststellen, dass noch genug Essen von gestern da ist und dass ich nicht kochen muss -3756 pg
Eis essen -457 pg
Durchschlafen (mindestens 5 Stunden) -2576 pg
Tanzen gehen (prä-Corona) -1285 pg
neuen Menschen begegnen und dadurch mir selbst ein wenig mehr (prä-Corona) -1108 pg
Zug fahren und dabei in Ruhe schreiben können (prä-Corona) -1798 pg

 

Soooo, jetzt wisst ihr wieder etwas mehr, was mich stresst und was mir gut tut.  Meine Werte fallen zwar etwas höher aus als bei Matt Haig, aber es geht ja um die Verhältnismäßigkeit.
Ich halte es für wichtig, sich darüber Gedanken zu machen und herauszufinden, was einem nicht gut tut UND dass es im Gegenzug aber auch Dinge gibt, die einem gute Gefühle verschaffen. Vielem von dem, was einen stresst kann man sich leider nämlich nicht immer entziehen und sollte es auch nicht. Wie man sieht, stresst mich der Kontakt zu Menschen zwar momentan. Ich weiß, dass es auch nicht der richtige Weg ist, sich dem zu entziehen, aber ich bin zur Zeit einfach nur froh, dass ich meine Ruhe habe und mir keiner das Gefühl gibt, dass ich ihn oder sie vernachlässige.
Vielleicht habe ich ja eines Tages wieder mehr die Kraft dazu…

An was ich definitiv noch arbeiten sollte ist mein Hang zur Rechnerarbeit… ich frage mich, wie viel mir davon wirklich gut tut… manchmal hätte ich lieber die Motivation zu so etwas wie Yoga…

Und wie steht’s mit euren Psychigrammen?

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

«      |      »

Schreibe einen Kommentar