Ich fühle, wie meine Hände leicht zittern, als ich sie auf die Tastatur lege. Aber ich fange dennoch an. Überwinde mich und beginne einen bereits geschriebenen Text zu lesen. Mache weiter. Korrigiere. Tippe. Lösche. Und tippe dann wieder weiter. Wort für Wort. Eins nach dem anderen. So ergeben sich mit der Zeit neue Sätze, Abschnitte und noch mehr Seiten füllen sich. Aber es fühlt sich alles so belanglos an. Ich spüre kein Feuer, keine Begeisterung, obwohl ich in meinem Element sein sollte. Obwohl ich für das Thema brenne. Aber ich werde ihm einfach nicht gerecht.
Ich fühle, wie meine Hände leicht zittern, weil die Panik versucht von mir Besitz zu ergreifen. Fieberhaft versuche ich all die negativen Gedanken wegzudrücken und kann mich dabei kaum auf den Text vor mir konzentrieren. So schreibe ich zwar, aber irgendwie nur alibimäßig. Halbherzig. Emotionslos.
In mir brennen sie jedoch, die Emotionen. Sie lodern wie ein helles Feuer, mächtig und spektakulär.
Eigentlich bewundernswert, diese Leidenschaft…
Doch was mache ich? Selbstsabotage.
Mir wird immer mehr bewusst, dass ich gegen mich arbeite und dass ich nichts dagegen tun kann. Während ich in meinen Worten aufgehen und mit ihnen im Einklang fließen sollte, denke an die eventuell niederschmetternde Kritik und was ich alles tun könnte, um sie zu minimieren. Ich denke an all die stilistischen Mittel, die ich beachten sollte und die ich nicht kennen kann, weil ich nie gelernt habe, wie man richtig schreibt. Den Leser fesselt. Begeistert. An sich bindet.
Denn alles, was ich mache, entspringt der reinen Intuition. In ihrer Fragilität ist sie ist jedoch keine Grundlage für ein Werk. Im Grunde ganz gut, ja sogar wunderbar, wenn sie Anklang findet! …aber erfolglos verpufft sie, genügt einfach nicht. Ist einfach nur lächerlich.
Mit der Zeit fühle ich mich immer mehr wie ein Torxschraubenzieher in einer Umgebung voller Kreuzschlitzschrauben. Der Stern ist schön, keine Frage. Aber wohin damit, wenn ihn keiner braucht? Wohin mit einem Text, der in keine gängige Schublade passt und den keiner versteht?
Woher immer wieder den Mut nehmen weiterzumachen, obwohl so gut wie nichts darauf hinweist, dass da Talent besteht und das Schreiben außer für mich überhaupt einen Wert hat?
Und so steigern sich nach und nach die Zweifel; von Buchstabe zu Buchstabe. Dabei werden auch die Worte weniger und der Text immer dünner und verworrener. Am Ende klammere ich mich nur noch an den müden Rest, den meine viel zu schwachen Satzkonstrukte hergeben. Bis ich auch sie lösche, Wort für Wort. Bis dort einfach nichts mehr steht und übrig bleibt und mit meinem Text auch ich verschwinde.
Denn: Wer schreibt, der bleibt.
Und ich löse mich auf. Ohne Beweis über mein Leid. Am Ende zählt nur der Text. Und wenn das Blatt leer ist, dann ist da… nichts.
Wer schreibt, der bleibt.
Wer nicht schreibt und nicht lebt, verschwindet also. Lautlos. Unbeachtet. Unsichtbar, weil es zu viel verlangt ist, andere darum zu bitten, mich in die Sichtbarkeit zu holen. Weil ich nicht die Hilfe erwarten kann, die ich wirklich brauche. (wenn ich bloß wüsste, welche das ist?) Auch kann ich von niemanden erwarten mich zu sehen, wo ich doch alles dafür gebe, mich selbst zu sabotieren und nicht gesehen zu werden. (Vermutlich könnte ich sie also auch gar nicht annehmen, diese Hilfe…)
Ja, ich gebe zu: Ich bin ein verdammt großer Angsthase. So selbstbewusst ich hier mein Innerstes darlege, so schwach und fragil und unsicher bin ich dahinter. Und ich würde es gerne ändern, weiß aber nicht wie. Lieber flüchte ich mich daher in Wenn-Dann-Konstruktionen…
Wenn ich das Abi hätte…
Wenn ich studiert hätte am Literaturinstitut…
Wenn ich das Geld und die Sicherheit hätte…
Wenn ich mehr Zeit hätte…
Wenn ich keinen Job hätte, der mich so einspannt…
Wenn ich keine sozialen Verpflichtungen hätte…
Wenn ich mehr Zugfahren könnte…
Wenn ich nicht ständig kochen und was essen müsste…
Wenn ich mehr Zuspruch und positives Feedback von außen hätte…
Ja… was wäre dann? Wäre ich dann eine geniale Autorin oder hätte ich dann bessere Chancen? Wäre ich dann wirklich überzeugt von mir, wo ich doch auch Angst habe zu überzeugt von mir zu sein? Vor dem eventuellen Neid anderer und jemandem auf den Schlips zu treten, wo ich doch nichts Besonders bin?
Ich jammere darüber nicht gelesen zu werden und schreibe nicht.
Ich wünsche mir positives oder mehr Feedback, das ich nicht annehmen kann.
Ich habe Angst vor zu viel Kritik und mache mich daher unsichtbar.
Ich werde lieber von Anfang an nicht gesehen, als damit leben zu müssen, trotz der Bemühungen ignoriert zu werden.
Ich bleibe lieber still, als unverdient gelobt zu werden.
Ich habe Angst was Gutes zu schreiben, weil es sein könnte, dass es das letzte sein wird und die Erwartungen zu groß werden. Weil es einfach nur Glück gewesen sein könnte. Einmalig. Ein Versehen.
Ich habe Angst festzustellen ein Niemand zu sein, während ich mir wünsche ein Jemand zu sein…
Ja, ich weiß, ich bin verdammt hart zu mir und stehe mir selbst im Weg… ich mobbe mich im Grunde selbst in die Schreibdepression, bevor es ein anderer macht. Ich tue mir all das an, von dem ich denke, dass ich es nicht anders verdient habe. Weil ich mich nach wie vor nicht wirklich leiden kann. Weil ich nach wie vor allen Recht gebe, die mich damals auch nicht leiden konnten und ebenso jenen, die mir eigentlich nahe stehen und die mir nicht das Gefühl geben konnten, irgendwie willkommen auf dieser Welt zu sein. Und ich glaube nicht so wirklich an mich, was das schlimmste überhaupt ist. Denn auch wenn es heute ein paar wenige andere tun, macht es keinen großen Unterschied…
Was gedenke ich nun also zu tun? Angst und Panik lassen sich nicht eben mal schnell wegwischen, wenn sie mal da sind. Und da will ich mir auch von keinem irgendwelche Ratschläge geben lassen. Und nein, es ändert sich nichts, wenn ich dies oder jenes versuche oder all das wegdrücke.
In sofern kann mir keiner groß von außen helfen, im Gegenteil: Ich fühle mich unverstanden.
Was mache ich also konkret? Es aushalten. Viel reden mit jemandem, der mir das Gefühl gibt, dass er nachempfinden kann, wie ich mich fühle. Mich von ihm auffangen lassen und selbst wieder aufstehen, weil ich schreiben will.
Auch ist mir bewusst geworden, dass ich einen total übersteigerten Perfektionismus an den Tag lege, den ich niemals erfüllen kann. Ich bin nun mal kein Genie, kein Wunderschreibkind und ich habe auch nicht den ganzen Tag Zeit um das zu lernen. Ja, mich macht das unendlich traurig, aber es ist nun mal so. Ich kann aktuell auch nichts daran ändern. Aber ich will es! Es ist nach wie vor mein Lebensziel, mein innigster Wunsch, Autorin zu werden und dass irgendein Buch von mir im Regal einer Buchhandlung steht. Denn ich werde aktuell zwar ignoriert und mobbe mich aus Unsicherheit selbst an die Wand, aber etwas in mir spürt am Ende dann doch irgendwie, dass ich auch nicht so mies sein kann, dass ich verstummen sollte.
Ja, das hört man oft. Dahinter steckt wohl der Glaube, dass man erst tot ist, wenn keiner mehr an einen denkt, oder? Also, meine Eltern waren sehr wichtig für mich. Aber wenn sie mal tot sind, sind sie tot. Ich werde noch weiter an sie denken, mich erinnern. Irgendwann sterbe auch ich. Meine Kinder kennen meine Eltern noch, auch sie werden sich erinnern. Aber deren Kinder? Die werden noch die eine oder andere Erzählung hören und Bilder sehen von meinen Eltern. Deren Kinder aber werden meine Eltern in keiner Weise mehr kennen, so wie ich meine Großeltern aus dem vorvorigen Jahrhundert.
Wer schreibt, wird genauso vergehen wie andere. Sein Werk bleibt erhalten, aber nicht der/die Schreibende. Es ist lediglich unser Gefühl, dass die Personen präsent sind, deren Werke wir kennen. Ich halte das aber für Quatsch. Niemand sollte denken, dass sich irgendetwas für ihn ändert, nur weil er schreibt. Wenn auch ich – so wie Du – bedauere, wenn mein Geschriebenes keinen Zuspruch findet, dann nur aus verletztem Stolz, und weil ich nicht wahrhaben will, nur ein kleines, unbedeutendes Leben zu führen. Es lebe das kleine, unbedeutende Leben 🙂
Ja, das trifft es in etwa. Für mich hat der Satz die Bedeutung, dass gesprochene Worte eher in Vergessenheit geraten als die geschriebenen. Wir bleiben somit in den Köpfen der Menschen, solange sie leben und werden vielleicht auch durch Erzählungen weitergetragen, wenn wir längst tot sind. Aber was geschrieben steht, bleibt irgendwie für mich länger erhalten.
Für mich ist das Schreiben vergleichbar mit dem Kinderwunsch vieler Frauen. Meine Texte sind meine Kinder. Ich will etwas hinterlassen und weitergeben… und ich reagiere sehr emotional, wenn mir bewusst wird, dass die Uhr tickt und es nicht so läuft, wie ich es mir wünsche. Natürlich habe ich Zeit und keine innere „Eieruhr“… aber die Angst vorher zu sterben ist bei mir besonders in den Momenten, wo mir gefühlt nichts wirklich gelingt, sehr groß.
Ich gebe dem Schreiben eben sehr viel Bedeutung. Vielleicht manchmal auch zu viel…
Das hast du gut erkannt. Es kommt zur Zeit immer wieder mal vor, dass ich mein eigenes unbedeutendes Leben nicht schätzen kann. Viel eher nehme ich mich wohl zu wichtig, trage auch noch den verletzten Stolz in mir nicht wirklich gelesen oder verstanden zu werden und schaffe es dann leider immer weniger, gelassener damit umzugehen und mich nicht selbst zu verurteilen.