Meine Vorstellung hat sich erfüllt: Ich war tatsächlich Silvester alleine ohne Uhr um Mitternacht (?) in irgendeinem Park in einem schwarzen Abendkleid, mit hohen Absätzen und offenem Mantel. Und einer Sektflasche nur für mich alleine… Und Männern, die ich versuche abzuwimmeln.
Mein Plan war eigentlich folgender: Warten bis halb 12 – Sektflasche nehmen und aus dem Haus schleichen – Bei Jo klopfen…und irgendwie war das ganze nur provisorisch. Bis auf die Sektflasche hatte ich eigentlich überhaupt keinen Plan. Und für das, was ich bei Jo wollte schon gar nicht. Ganz ehrlich: Ich hatte Mitleid mit ihm…oder vielleicht auch etwas mit mir? Ich wollte Silvester mit niemandem verbringen, genau wie er. Und da dachte ich mir, wir könnten Silvester gemeinsam mit niemandem verbringen. Falsch gedacht. Denn er hat sein Silvester verpennt. Oder ist abgehauen. Oder ich will es eigentlich gar nicht mehr wissen.
Ich habe nicht geweint.
Es war kein Spektakel.
Ich wusste, was nun meine Aufgabe, mein Schicksal, war: Silvester alleine zu verbringen.
Und es tat mir gut. Es tat gut einmal die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist. Mir fällt immer wieder ein Satz aus „Hey Arnold ein“. Und zwar: „Ja wir sind alle alleine!“
Und das stimmt. In Wahrheit bin ich es und es war an diesem Abend auch nicht anders. Nur, weil Silvester war. Und ehe ich irgendwo zwischen Menschen alleine bin, bin ich lieber mit mir selbst alleine.
Ich war unglücklich an diesem Abend, ich gebe es zu. Es war ein Unglücklichsein, das vom zu vielen Nachdenken kommt. Vom Begreifen. Und ich war nicht unglücklich über das Nicht-Stattfinden der Liebe, sondern über das Vergehende.
Ich weinte nicht. Wieso auch? Man merkte mir auch so an, dass ich an diesem Abend Jo war. Ein Suchender. Innerlich kaputt. Alleine. Schicksalsorientierungslos und -orientiert. Doch niemand dem ich begegnet bin konnte ich meine Geschichte erzählen. Wie ich selbst kaputt gehe an jemandem, der kaputt ist. Ich wollte ihn aufbauen, doch er hat mich in die Tiefe gezogen. Und nun stand ich da, wusste nicht einmal, dass das neue Jahr begonnen hatte und schwor mir Schluss zu machen. Ein für alle mal. Und ich habe jetzt ein Ziel: Ich will ein Buch schreiben. All das Material liegt vor mir! Tausende von Texten, die ich irgendwann in meinem Leben geschrieben habe. Okay, das stimmt so nicht ganz. Ich habe erst so mit 15/16 mit dem Schreiben angefangen, da ich den Anfang vom Leben verbrannt und verbannt habe. Aber alle wichtigen, entscheidenden Teile des Puzzles sind vorhanden. Ich muss nur noch denken, schreiben und alles so Stück für Stück zusammensetzen. Und am Schluss, so weiß ich, werde ich schlauer sein…
Warum ich so geworden bin wie Jo? Woran ich das merke? Ich habe Leute vergrault. Ihnen knallhart die Wahrheit ins Gesicht geschmettert. Obwohl mir dieser Jemand nur helfen wollte. Aber ich wollte es nicht. Ich wollte alleine sein. Und am Schluss gab der Unbekannte auf mir zu folgen und helfen zu wollen.
Es ist eigenartig. Aber wahr…dieser Typ hat sich doch tatsächlich von seiner Clique gelöst um sich um mich zu sorgen. Doch ich bin stur geradeaus meines Weges gegangen. Und selbst als dieser Mann mich an der Hand nahm und meinte, er mache sich wirklich Sorgen um mein Befinden, hielt ich nicht an. Ich wollte es nicht hören. Wie Jo mir nicht zuhören wollte.
Ich versuche mal etwas zu erklären: Ich darf Jo nicht lieben, sagen mir die Augen meiner Mitmenschen. Und alle machen ihn schlecht. Und eigentlich will ich das nicht. Sie machen ihn nur schlecht wegen mir. Weil ich ihn liebe. Und je mehr ich mich bemühe, einfach nur nett zu ihm zu sein, einfach nur ein Freund zu sein, desto mehr hacken alle auf mir und ihm herum. Sorge ich mich jedoch nicht und bleibe zuhause, fern von all den bösen Menschen da draußen, so werde ich wie er. Kalt. Herzlos. Und gehe immer mehr kaputt.
Aber ich kann nun mal nicht nach jedermanns Pfeife tanzen! Ich kann es nun mal nicht jedem recht machen und mich unterkriegen und zum Sklaven machen lassen. Ich habe verdammt noch mal Gefühle. Und mir reicht es, dass jeder auf ihnen rumtrampelt, wenn ich mich ihnen hingebe. Und mir reicht es irgendjemanden zu spielen, damit die anderen sich in ihrer verdammten Arroganz darin sonnen können.
Ich glaube so langsam, ich bin einfach zu schwach für diese Welt. Da ich ein Mensch bin, der noch ein Fünkchen Gefühl im Leib trägt.
Aber je mehr Theorien ich über das Leben aufstelle, desto mehr begreife ich, dass die Waage eher ins Nichts, als ins Alles geht. Und umso unglücklicher und hilfloser werde ich. Aber ich denke nun mal gerne darüber nach. Und ich will das nicht missen müssen und zu einer von vielen Personen werden, denen das alles scheißegal ist. Die nur ihr eigenes Leben sehen. Aber irgendwie ist es da sowieso schon zu spät. Ich beschäftige mich bereits zu sehr damit. Der Vorhang des Lebens. Ich blicke dahinter und sehe: Nichts. Aber natürlich bin ich eine naive Träumerin und bilde mir ein, dass man da doch IRGENDWAS sehen muss…Zu irgendetwas muss das Leben doch gut sein. Doch zu was, wenn man nicht leben kann?
Ich bin hin- und hergerissen zwischen allem und nichts…und ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass das Alles mir nicht vergönnt sein wird. Ich würde jetzt schreiben, dass es Zeit wäre, dass mich jemand rettet. Doch irgendwie schafft das niemand. Nur Jo könnte es. Und der kann sich selbst nicht retten.
Aber jetzt werde ich erst mal ordnen. Und etwas philosophieren. Und ich denke, das schreiben über die Liebe wird mir gut tun. Ich habe es nie wirklich bemerkt, aber überall kommt Liebe vor. Wenn auch versteckt. Klar, denn ohne Liebe kann man nicht Leben.
Sie ist alles und nichts.