Das Wort zum Donnerstag: Lasst uns über Geld sprechen…

Wer mich gut genug kennt, weiß, wie ich zum Thema Geld stehe: Ich verachte die Macht, die es auf Menschen ausübt. Den Druck. Die Ungerechtigkeit. Die Unsicherheit. Die Angst…
Ich verachte, dass es meist das Schlechte in uns offenbart.
Und ich verachte die Tatsache, dass unser aller Leben am seidenen – ich bitte um Verzeihung für meine Ausdrucksweise, aber ich kann es nicht anders in Worte fassen – verfickten Faden der Wirtschaft hängt…

Eins Vorweg: Dieser Text ist nicht gegen bestimmte Personen gerichtet, sondern gegen eine Art Zeitgeist, den ich für mich aus Überzeugung so gut es eben geht nicht teile. Das gilt aber vor allem für mich. Ich erwarte von niemandem, dass er so lebt wie ich. Ihr könnt mit eurem Geld machen, was ihr wollt, solange es keinem schadet. Ich missgönne euch auch nicht, wenn ihr mehr habt und euch damit eine Freude macht. Aber ich sehe genau hin, ob diese Freude von Dauer ist oder ob ihr nur irgendetwas damit kompensiert. Worüber ich mich gar nicht freue und was mich oft härter trifft, als ich zugeben mag, sind eure Ängste und Probleme, die ihr damit habt – ob ihr sie nun selbst verschuldet habt oder nicht: Ihr hättet sie nicht, wenn Geld nicht diese Welt regieren würde…

Ich könnte hier und jetzt 200 € anzünden und eure entsetzten und verständnislosen Gesichter würden mir mehr wehtun, als der Verlust. Weil ich glaube in euren Blicken zu sehen, dass ihr euch lieber dafür Wünsche erfüllen oder es besser anlegen würdet. Weil ihr nicht verstehen könnt, wieso gerade ich so etwas machen kann, wo ich doch so wenig verdiene. Weil mein Einkommen ja so besorgniserregend ist. Weil ich ja von was leben muss. Na und? Lebe ich etwa nicht? Verdiene ich denn wirklich so wenig? Ich zumindest fühle mich wohl mit meinem Gehalt.

Ich meine, hey, ich kann von einem Job leben. Ich komme gut alleine klar. Ich wohne in einer wunderschönen Wohnung und schäme mich nicht, dass es „nur“ zur Miete ist. Ich bin frei und unabhängig und habe trotz angeblich kleinem Gehalt in den letzten Jahren Freunden immer wieder etwas geliehen oder sogar geschenkt. Ich habe trotz allem meine beiden Zahnimplantate und meine Zahnkrone selbst gezahlt, anstatt wie auf Anraten aller Freunde und Bekannten Mami und Papi zu fragen. Ich ernähre aktuell von meinem Gehalt zwei Menschen… DAS alles gibt mir ein weitaus besseres Gefühl und ich finde, ich lebe echt nicht schlecht, wenn das alles möglich ist und ich am Ende des Monats ein Plus mache und weit davon entfernt bin, ins Minus zu rutschen. Erst wenn sich das Geld nicht mehr leicht vermehrt, sondern weniger wird, werde ich beginnen, mir Sorgen zu machen. Davor können die Nudeln auch 1,50 € anstatt 0,59 € kosten, denn ändern kann ich das sowieso nicht.

Ich merke immer wieder, dass manche Menschen meine etwas mehr als 1300 € netto, die ich als echt viel empfinde, als Armutszeugnis sehen. Ich spüre da einfach eine Art Kluft zwischen den anderen und mir und ich frage mich: Lebe ich etwa nicht gut, weil ich mir genau überlege, was ich brauche und kaufe und bis auf den Cent durchkalkuliere? Lebe ich schlechter, weil ich lieber in ein gutes gebrauchtes Buch investiere, als in neue Klamotten oder beides inklusive zehn anderer Dinge? Macht mich das etwa zu einem armen Menschen???
Von außen sieht es vielleicht so aus, als wäre ich arm, dabei fühle ich mich nicht so. Meine Grenzen sind nur verschoben. Ich fühle mich auch nicht als reich, aber empfinde meinen Lebensstandard als erfüllend.
Und klar kaufe ich mir auch mal „Luxuskram“, gönne mir etwas… aber niemals auf Raten und niemals mit Kredit und nie zu viel auf einmal. Ich bin mir meiner Mittel bewusst und ich habe sie selbst gewählt, obwohl in meinem Leben schon viele andere Menschen ausgestrahlt haben, dass ich es ja „besser haben“ könnte… dass ich mehr verdient hätte. Dass man ja so nicht leben könne…

Anderen scheint mein Gehalt also weitaus mehr auszumachen, als mir. Mir macht es nur etwas aus, mich deshalb schlecht fühlen und mir anhören zu müssen, dass das ja so gar nicht ginge, weil ich nicht den „normalen Lebensstandard“ teile(n kann). Ich könne ja alles haben. Ich müsse ja nur was sagen, dann könne ich ja Mami und Papi fragen und „gut leben“.
Aber dass gerade das Bitten um Geld das letzte ist, was ich möchte und ich lieber verzichte, versteht niemand so recht…

Ich lebe nämlich mit der Schuld, „priviligiert“ aufgewachsen zu sein, was nicht bedeutet, dass ich nicht gleichzeitig auch dankbar dafür sein kann. Aber nur, weil ich weiß, dass andere dieses Glück nicht haben/hatten. Weil ich mir eben all dessen bewusst bin…
Und dennoch lebe ich mit der Schuld, in ein relativ reiches Elternhaus geboren worden zu sein. Ich habe mir in den letzten Jahren oft gewünscht, dass ich stark genug gewesen wäre, ganz ohne diesen Start ins Leben getreten zu sein. Weil diese Stütze immer in meinem Lebenslauf bleiben wird und ich dadurch oft das Gefühl habe, dass ich weitaus mehr leisten müsste, um das auszugleichen…
Ich lebe damit, mir all das nie ernsthaft gewünscht zu haben. Ich hätte mir lieber eine harmonische komplette Familie gewünscht, als sinnlose Familienkriege um Wohnungsrechte, Millionenbeträge und anderen Scheiß, bei denen die Angst, irgendwie zu kurz zu kommen oder die Existenz zu verlieren bei allen im Mittelpunkt steht.
Ich lebe mit der Schuld, ein Kind gewesen zu sein, das eigentlich alles hatte und dazu war ich noch ein undankbarer Teenager, der aus meiner heutigen Sicht nicht den Hals vollgekriegt hat. Doch das denke ich nur über mich. Bei anderen Kindern kann ich eher akzeptieren, dass sie ihre Eltern mal um Unterstützung bitten.

Ich weiß, dass meine Denkweise kaum einer nachvollziehen kann, aber mit all diesen belastenden Dingen im Kopf, die ich nicht ändern kann, lebe ich…und mich hat das alles extrem geprägt.

Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich dadurch einen unglaublichen Stolz entwickelt habe. Ich habe mich gelöst und auf ein – aus eurer Sicht – vermutlich besseres Leben in den letzten Jahren verzichtet für die Freiheit und das Gefühl, ein absolut selbstständiger Mensch zu sein. Und das ist für mich von einem Wert, den mir keiner mehr nehmen kann!

Ich hätte wie gesagt gerne die Kraft gehabt, mich noch früher von meinem Elternhaus gelöst zu haben, aber es ging eben nicht anders. Bis zum Ende meiner Ausbildung habe ich noch das Geld meines Vaters in Anspruch genommen und muss eben damit leben. Auch mit meiner Kindheit.
Aus eurer Sicht war ich wohl normal. Aus eurer Sicht ist dieses Verhalten auch normal… Für ein Kind, das sich einen Zusammenhalt und eine gemeinsame Ebene gewünscht hat und eigentlich keine Geschenke, ist es das nicht.
Und ja, ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die beides nicht hatten: Weder finanzielle Sicherheit noch den Zusammenhalt.
Ich weiß das alles sehr wohl… und deshalb hasse ich ja das Geld und was es mit den Menschen macht so sehr. Ich hasse diese Spaltung, die es herbeiführt. Ich hasse das Leid, das es verursacht. Ich hasse die Vorurteile und ich verachte den Kapitalismus, der uns aber auch am Leben hält…

Und ich hoffe, dass wir alle eines Tages bescheidener werden, weil ich davon überzeugt bin, dass sich im Konsum keine Befriedigung finden lässt, die jemals von Dauer sein wird und eher das Gegenteil der Fall ist: Wir entfernen uns voneinander, zerstören uns und die Welt.
Ich bin überzeugt davon, dass wir alle mehr davon hätten, wenn wir nicht immer mehr wollen würden… oder einfach nur nicht diese Angst hätten, etwas zu verlieren.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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