Am Samstag war ich das erste Mal wieder unterwegs und bin Jo begegnet. Er hat mich vermisst und das komische ist, er hat das erste Mal gesagt, dass er mich damals auch auf eine gewisse Weise geliebt hat. Er hat sich selbst sogar als meinen engsten Vertrauten bezeichnet und wir haben da so gestanden, uns angelächelt und für einem Moment habe ich die Wärme von damals gespürt, obwohl ich seit meinem ersten Schluck Alkohol gar nichts mehr gespürt habe. Das mag sich nun eigenartig anhören, aber ich fühle ja auch nüchtern gar nichts mehr… Es ist Tag für Tag so, als seien Seele und Kopf leer.
Streiten konnte ich aber ziemlich gut. Als Jo irgendwann gegangen ist, ohne sich zu verabschieden, kam nämlich A. zu mir und hat gemeint, ich würde wieder Jo hinterherrennen und mit ihm vögeln wollen. Ich fand das krank und gemein, was ich ihm auch gesagt habe. Ich habe zu ihm gemeint, dass ich mit seinem Kumpel nur gut befreundet sei und er mich gar nicht richtig kenne. Dann habe ich ihn aus Versehen A. genannt, was keiner machen darf, und er hätte mich fast angesprungen und mir den Hals umgedreht…er stellt mich gerne als jemanden dar, der nichts im Griff hat. Na gut, ich habe zwar weitaus weniger Beziehungen als er gehabt, aber immerhin hat mich noch nie jemand verlassen, weil ich immer bereits davor gegangen bin. A. ist also ziemlich frauenfeindlich geworden und kann es noch weniger sehen, wenn ich mich zu Jo stelle.
Jedenfalls gibt es sonst nichts Neues. Karl will mir das Schachspielen beibringen und R. hat eine Freundin. Und zwar Mo.! Die zwei habe ich auch noch Samstagabend getroffen, Hand in Hand. Als mich Mo. gesehen hat, ist sie mir um den Hals gesprungen und meinte, sie habe mich richtig lieb und hat mich gefragt, wie es mir geht und was ich so mache. Außerdem hat sie gefragt, was aus Jo geworden ist. Ich musste lachen, weil das damals im Februar so ein Chaos war. Ich habe mich außerdem noch nach ihrer Tochter erkundigt und wie ihr es sonst so geht.
Irgendwie habe ich gar nicht soo viel erlebt und schon gar nicht viel getrunken. Ich bin aber immer noch kaputt und müde und momentan nicht in der Schule, sondern zu Hause.
Mittwoch war ich die ersten drei Stunden nicht da und auf einer Schülerdemo.
Donnerstag habe ich mich so in die Schule geschleppt und Freitag war ich daheim, weil ich mich nicht rühren konnte. Dafür habe ich den ganzen Tag gelernt.
Samstag musste ich früh aufstehen und habe mit Maze gebacken, dann habe ich mich gerichtet und wir sind rausgegangen. Ich kam erst um drei Heim und stand über 20 Stunden auf den Beinen. Und Sonntag bin ich erst um 11 Uhr abends aufgestanden. Irgendwie bin ich destruktiv…
Egal, morgen wird es wieder Zeit einem geregelten Leben nachzugehen und vielleicht mal das Internet zu kappen. Denn dann habe ich mehr Zeit zu lernen.
Ich werde auch nicht mehr rausgehen. Ich kann das alles gar nicht genießen. Ich kann mich nicht mal über Jos Verhalten freuen. Ich kann mich auch nicht freuen, frei zu sein. Bei allem, was ich mache, habe ich ein schlechtes Gewissen wegen der Schule. Mir wird das irgendwie alles zu viel. Und das schlimmste ist, dass ich die Schule nicht schaffe, auch wenn ich mein Leben dafür gebe. Auch wenn ich aufhören würde zu essen und zu schlafen, ich könnte das alles niemals hinbekommen, ich könnte nie besser als der Durchschnitt sein. Ich will ja nicht die beste sein, aber schlechter als der Durchschnitt zu sein ist schrecklich für mich, da das alte Erinnerungen in mir hervorruft.
Ich messe mein Leben und meine Intelligenz also in Noten. Und das Resultat ist, dass ich letztendlich nur so jemand von der Hauptschule bin und da eigentlich nichts verloren habe. Vielleicht hätte ich niemals auf dieses Gymnasium kommen sollen. Vielleicht wäre mir dann dieses Gefühl erspart geblieben. Ich kenne das. Damals auf der Realschule ging’s mir genau so. Ich fühl mich, als würde alles um mich herum zusammenbrechen. Und ich kann nichts dagegen machen…