Veni Vidi Vici

Die Veranstaltung, zu der mich „Finanzberater“ mitgenommen hat, war ganz nett. Aber mir wurde die Bevölkerung in dem Vortrag zur DV AG viel zu sehr verallgemeinert. Ich sagte „Finanzberater“ auch, dass ich nicht unbedingt auch seine berufliche Richtung einschlagen muss. Denn dabei ging es im Vortrag. Entweder Kunde werden oder Mitarbeiter oder Kunden werben… Was soll’s: Ich hatte was Schickes an und das gab mir Pluspunkte.
Er holte mich um kurz vor 10 Uhr bei mir zu Hause ab, war erst einmal von meinem Outfit überwältigt und dann machten wir uns auf den Weg zu seinem Auto, das er ironischerweise wieder vor Jo’s Haus geparkt hatte. Im Auto wiederholte er nochmals, wie toll ich aussehe und dass er mal einen Kumpel zu der Veranstaltung mitgenommen hat, der dort in Schlabberhosen und mit irgendeinem Shirt antanzte. Dann fragte er mich, ob meine Stiefel DIE Stiefel seien (Ich hatte ihm von den Stiefeln aus M. erzählt). Ich verneinte und ich sah ihm an, dass er sich fragte, wie Stiefel noch ausgefallener aussehen konnten. Dann lächelte er auf einmal und meinte, dass er es doch gewusst hat: Es war richtig, MICH zu fragen, ob ich mitwolle.
Ich kam mir in dem riesigen Gebäude der DV AG leicht verloren vor. Besonders weil er mir immer den Vortritt ließ. Erst einmal bekam ich einen Kaffee und seine Kollegen, die auch alle in dem kleinen Raum standen, sahen mich mit einer Mischung aus Oha und Skepsis an. Und sie alle lächelten dieses Lächeln, das Spießerlächeln. Ein Werbe-Lächeln…ich lächelte, aber mit Zahnspange ist es nicht so Ideal den Mund weit aufzureißen. Wenn ich das Ding draußen habe, dann wird aber was los sein…dann lächele ich meine Umgebung in Grund und Boden.
Ich saß in der Veranstaltung neben ihm. Nach einer Stunde war Pause und er holte sich einen Kaffee. Ich blickte in die überschminkten Augen von Frauen, die versuchten auf Intelligent zu machen. Der kleine Kaffee-Raum füllte sich und wir stellten uns woanders hin. Ich erzählte ihm von meinen ersten Eindrücken. Dass ich, was Haus, Auto und Urlaub angeht, dann doch lieber was kleines, bescheidenes wie eine gemietete zwei-Zimmer-Wohnung bevorzuge, die mein Budget nicht übersteigt. Ich könnte aber auch leben wie Jo. Mit dem Mindesten. Und weniger geht auch nicht mehr. Ich weiß, dass er als Finanzberater andere Vorstellungen haben muss, aber ich werde mir wegen einem Mann nicht mehr meine Meinung verdrehen lassen. Außerdem sehe ich wenige Leute mit Partner und Kindern, einem Einfamilienhaus, BMW in der Garage und jedes Jahr ein Urlaub in Dubai… Die meisten, so schätze ich, sind Single und froh, dass sie ihren Job noch haben und man ihnen die Wohnung nicht unter dem Arsch wegreißt. Bis auf die Selbstständigen. Die haben es einen Tick leichter. Oder auch nicht…
Nach der Pause gings weiter. Da zog ich dann auch meinen Mantel aus. Er nahm ihn mir ab, aber ich wollte den gar nicht hergeben. Er meinte, er würde den neben sich auf den Stuhl legen und mit seinem Leben verteidigen. Ich lächelte. Er lächelte. Dann ging der Vortag weiter.
Nach insgesamt zwei Stunden fragte er mich, ob ich noch einem Kaffee wolle. Zum X-ten Mal… Ich verneinte und er zeigte mir anschließend noch sein Büro. Dort standen wir zwei dann. Alleine. Er redete. Redete. Redete. Ich hörte ihm zu und sah ihm in die Augen. Er mir auch. Und dann kam er näher. Ich blieb da stehen, wo ich war, gab ab und zu meine Meinung wieder, nutze die Situation natürlich nicht aus. Dann fragte er mich nochmal nach einem Kaffee und da ich wieder „Nein“ meinte, gingen wir und er fuhr mich wieder nach Hause.
Nächste Woche soll ich ihn wiedersehen. Da will er mir auf dem Klavier was vorspielen.
Er hielt mit dem Auto direkt vor der Tür. Wir sahen uns an. Er hielt mir seine Hand hin. Ich verstand und legte meine auf seine und er umschloss sie. Dann meinte er, er würde sich melden und gab mit einen Handkuss.
Himmel! Ich suche immer noch den Fehler… Ich bin sehr skeptisch geworden…was Männer angeht. Deswegen kommt meinerseits wohl so wenig. Normalerweise stürme ich ja regelrecht den Mann nieder. Jetzt…ist mir daran irgendwie die Lust vergangen. Vielleicht bin ich aber auch nur erwachsen geworden.

Erfahrungen…: Am Anfang können sie den Tod bedeuten. An Möglichkeiten.
Doch darauf folgt Wiedergeburt. Anderes Leben. Neue Möglichkeiten.

Nun zu Jo, den ich an dem Tag natürlich auch gesehen habe. Ich saß zuerst alleine im Nest, dann kam Siv mit ihrer Schwester und dann: Jo. Lief erst mal durch die Kneipe, wollte sich erst neben mich setzen, dann machte es demonstrativ Klick und er setzte sich ganz hinten in eine Ecke. Begann Zeitung zu lesen. Dann rief er etwas zu mir rüber. Ich sah kurz hin, er lächelte. Ich ignorierte das eiskalt und wendete mich wieder den Mädels zu. Meine Friseurin und Teesorte kamen auch irgendwann. Und sie hauten mich fast vom Hocker. Zweimal. Das erste mal lag an dem Ouzo und mir, das zweite Mal knallte meine Friseurin gegen mich. Das bekam Jo mit und sah zu mir rüber. Er suchte die ganze Zeit meinen Blick, ich aber nicht mehr seinen.
Irgendwann sagte ich allen Tschüss und wollte gehen, da rief Jo mir hinterher. Ich drehte mich lässig um, sah ihn an. Er begann mit irgendwas Blödem, um mich zu ärgern und ich unterbrach ihn mit dem Mittelfinger und verließ die Kneipe. Ich hörte aber, wie die Damen alle schreiend Jo auslachten. So beliebt wie ich es in der Kneipe bin…ha! Das muss der erst mal schaffen…
Immerhin: So langsam scheint er aufzuwachen…so wie ich langsam aber sicher aufwache.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

«      |      »

Schreibe einen Kommentar