Es gibt Tage, da gelingt einem so gut wie alles und an anderen wiederum nichts. Ich versuche mich momentan nicht stundenlang über die umgekippte Kaffeetasse oder ähnliche, hinderliche Kleinigkeiten aufzuregen. Ich versuche eher herauszufinden, in welchem Bereich – Schule, Freunde, Familie, nicht vorhandene Karriere – Änderungsbedarf herrscht. Aber natürlich rege ich mich letztendlich wieder einmal über unsere ach so perfekte Gesellschaft auf.
Das witzige und zugleich paradoxe am Leben ist ja, dass wir alle Perfektionisten sind. Auch, wenn das keiner gerne zugibt und jeder eigentlich wissen müsste, dass es niemanden gibt, der perfekt ist. Perfekt liegt nämlich im Auge des Betrachtes und ist somit relativ.
Die einen finden z.B. Heidi Klum toll, weil sie Model ist und somit das Perfekte schlechthin verkörpert. Aber Aussehen macht in meinen Augen nicht perfekt. Und schon gar nicht, wenn man dies mit seinen inneren Werten oder seinem IQ zu kompensieren versucht. Damit will ich jetzt in diesem Zusammenhang nichts Bestimmtes andeuten. Ich mag Heidi Klum nur nicht, weil sie mediengeil ist und sich für ihr Alter viel zu jugendlich benimmt. Und außerdem kann ich keine Leute leiden, die mit ihrem Schrott das Fernsehprogramm zu füllen versuchen. Denn wenn jemand wie Heidi Klum eine Sendung moderiert, springen natürlich viele darauf an. Würde sie den Kids lieber Literatur nahe bringen, dann wäre das eine andere Geschichte…
Aber das soll nicht meine größte Sorge sein. An der Gesellschaft kann man sowieso nichts mehr ändern…und wenn ja, dann müsste dies ein wirklich geniales Konzept sein, in dem einerseits jeder die Chance hätte sich zu verwirklichen, andererseits müssten dazu aber Politik, Medien und Non-Konformisten gemeinsam arbeiten. Aber das kann und wird niemals in dieser von Konsum und schlechtem Fernsehprogramm bestimmten Welt geschehen. Individualität wäre allerdings ein erstrebenswertes Ziel. Und zwar für jeden von uns. Man kann die Welt nicht komplett zum „Guten“ wenden, aber man könnte sie doch etwas besser gestalten…oder?
Ich frage mich, ob die Welt wirklich so schlecht und die Menschen so oberflächlich und dumm sind, wie es den Anschein hat. Wobei „dumm“ eher der falsche Ausdruck ist. In jedem steckt, so denke ich, ein Fünckchen Potenzial. Aber keiner lebt es aus. Ist es, weil Tag für Tag nur schlechtes im Fernsehen gezeigt wird? Denkt da unsereiner, dass es sich sowieso nicht lohnt zu kämpfen, seine Meinung zu vertreten? Fügt man sich da lieber der Masse, um seine Ruhe zu haben? Weil alles keinen Sinn mehr macht? Weil sich die Anstrengung für eine bessere Gesellschaft sowieso nicht lont? Besteht die Welt nur aus willenlosen, mit schlechten Nachrichten und unsinnigen Informationen überfüllten Zombies? Ist es wie ein ewiger Teufelskreis mit den Punkten:
Fern sehen.
Schlechtes sehen = Die Welt ist schlecht. Unsinniges Massenfernsehen = die Welt ist eine Masse. Fügen und untergehen. Auffallen gibt es nicht. Menschen, die auffallen (u.a. nicht nur duch Aussehen, sondern durch eine eigene Meiung, die stark von der Meinung anderer abweicht) sind komisch, nicht normal.
Folge: Man hat keine eigene Meinung mehr.
So in die Welt hinausgehen. Merken, dass alles wirklich schlecht ist. Bzw. immer mit dem Gesehenen im Hinterkopf leben. Sich fügen.
Weiter fernsehen, weil man nichts besseres zu tun hat…
Anmerkung: Natürlich läuft das alles nicht direkt und nach einmal fernsehen ab.
2. Anmerkung: Ich bin ein Mensch, der freiwillig gar kein Fernsehen sieht. Und falls ich doch irgendwann einmal etwas aus dem Fernsehprogramm mitbekommen sollte, dann ist das für mich ein abschreckendes Beispiel, auch weiterhin ohne Fernsehen zu leben. Vielleicht ist das das selbe Schema (nur umgekehrt) wie beim Menschen, der Fern sieht. Nur, dass ich dadurch eine komplett andere Einstellung zur eigenen Meinung und zur Gesellschaft habe.
3. Anmerkung: Obwohl ich die Veranstaltung, bei der Reich-Ranicki den Preis nicht angenommen hat, nicht gesehen habe – ich habe schon damals kein Fern gesehen -, so habe ich doch einiges davon mitbekommen. Und ich bewundere das, was er gemacht hat. Denn nur so kann man die Zombies in dieser Gesellschaft wachrütteln.
Am Schluss meiner Sonntagsrede möchte ich noch Folgendes betonen: Fernsehen ist meiner Meinung nach Propaganda, die, wenn auch unbewusst, viele Menschen beeinflusst. Es werden uns Dinge suggeriert. Nicht direkt vorgeschrieben, aber alles läuft unbewusst in unser Hirn und wird dort abgespeichert. Ob das nun die Nachrichten sind oder eine Dokumentation über ein geschichtliches Ereignis oder ob Dieter Bohlen bei DSDS wieder seine schlauen Sprüche loslässt oder ob sich auf neun Live die Moderatorin auszieht, weil keiner anruft (in Wahrheit aber genug Idioten anrufen, die alle innerhalb von zwei Minuten 10 Euro zahlen…).
Was ich damit sagen will: Würde das Fernsehen außer Kontrolle geraten, was zum Glück noch nicht passiert ist, so würde uns der dritte Weltkrieg bevorstehen. Denn das Fernsehen hatte noch nie so viel Macht über die Menschen. Man kann das – wie das bei solchen Systemen eben der Fall ist ist – zwar nicht nachweisen, aber es beeinflusst uns trotzdem. Unbewusst. Und genau das ist das Schlimme, worüber sich jeder meiner Meinung nach einmal Gedanken machen sollte.
Ab und zu einen FIlm anzugucken ist kein Verbrechen. Fernsehen an sich ist kein Verbrechen. Solange man weiß, was man tut…