Durch einen glücklichen Zufall bzw. einen „Schicksalswink“ bin ich an ein günstiges SPIEGEL-Kurzzeit-Abo gekommen für 6 Ausgaben und habe in dem kleinen Heftchen SPIEGEL-Bestseller ein Interview mit der Autorin Giulia Becker gefunden, das mich inspiriert hat. Darin wurden ihr 21 Fragen über ihr Schreiben gestellt und ich habe mich gefragt, wie ich diese eigentlich beantworten würde.
Um das ganze etwas persönlicher zu machen und weil ich nicht mit jeder Formulierung etwas anfangen konnte, habe ich das „Sie“ durch ein „Du“ ersetzt, sowie einige Fragen abgeändert und den Bereich [markiert].
1. Wann stehst du an einem normalen Arbeitstag auf?
In der Regel zwischen 4 und 6 Uhr, am liebsten um 5. Da es den „normalen Arbeits(all)tag“ gerade aber nicht gibt bei mir, ist es auch mal 2 Uhr nachts und ich schlafe am Vormittag noch 1-2 Stunden. Dafür gehe ich dann meist vor 20 ins Bett.
2. Hast du eine feste Schreibzeit?
Nur, wenn ich mir diese vornehme, wie z.B. beim Zugfahren; seltener zu Hause, weil mir das dort einfach nicht so gut gelingt wie in Zügen/Bussen.
3. Beginnst du [das Schreiben] gewöhnlich damit, bereits Geschriebenes zu redigieren, um warm zu werden, oder schreibst du sofort etwas Neues?
Das kommt darauf an, was ich mir vorgenommen habe. Lege ich meinen Fokus auf Korrekturen, dann überarbeite ich das Geschriebene und fahre dann ggf. fort. Manchmal geht es aber auch nahtlos weiter oder ich schreibe eine Szene, die später kommt, weil mir gerade danach ist. Manchmal schreibe ich aber auch etwas ganz Anderes bzw. Neues.
4. An welchem Computer arbeitest du?
Seit dem Tod meines Netbooks arbeite ich an einem Tablet, das ausschließlich im Querformat wie ein Netbook mit Tastatur genutzt wird. Zu Hause arbeite ich die meiste Zeit ebenfalls an diesem Gerät und ansonsten an einem alten Win-XP-Desktop-PC von 2016, der mittlerweile nur noch unter Linux läuft, aber das ganz gut. Dort setze ich allerdings meist nur meine Bücher in LaTeX. Gelegentlich arbeite ich auch am iMac, aber nur, wenn er ohnehin schon an ist.
5. Welche Schrift, welche Schriftgröße und welchen Zeilenabstand verwendest du?
Als ich an meinem zweiten Roman weitergeschrieben habe, war es die Schriftart Courier New mit 12 pt bei einem Zeilenabstand von 1,5, weil ich in meinem Schreibkurs bereits so begonnen hatte. In der Regel achte ich da aber so gar nicht drauf und nehme das, was eingestellt ist: Times New Roman, 12 pt. Solange es nicht Comic Sans ist, ist mir das egal. Manchmal schreibe ich auch einfach in „Notes“, weil die App schneller offen ist als Open Office, automatisch speichert und weniger Krimskrams enthält.
6. Redigierst du auf dem Bildschirm oder auf dem Ausdruck?
Ich korrigiere immer auf dem Bildschirm. Ausgedruckt wird nur ganz am Schluss, wenn ich es jemanden korrigieren lassen möchte. Das ist mit einem Ausdruck für die Person einfacher.
7. Hast du noch einen Lieblingsstift?
Ich schreibe seltener von Hand als früher, aber wenn, dann sind meine Lieblingsstifte alle Kugelschreiber, die nach drei Sätzen noch zuverlässig schreiben. Ich nutze nämlich überwiegend Werbegeschenk-Kulis, die irgendwie ihren Weg in meinen Besitz gefunden haben. Was das angeht, bin ich leider total wie der tschechische Präsident, der sich mal den LAMY eingesteckt hatte. : D
8. Wo schreibst du am liebsten?
An einem 4er-Tisch in Zügen, die ununterbrochen mindestens 1:30 h fahren, im Idealfall über 2:30 h. Und noch besser: Wenn der Zug im Endbahnhof hält und exakt dieselbe Strecke zurückfährt. Das ist zugegebenermaßen leider selten der Fall.
9. Was muss an deinem Schreibtisch immer griffbereit und funktionsfähig sein?
Nichts „Schreibwichtiges“, nur etwas zu trinken. Okay, wenn ich unterwegs bin, dann mein Mäppchen mit den Ladekabeln und eine Steckdose. Je nach Zugfahrt ist letzteres aber nicht immer gegeben, aber auch nicht weiter tragisch, denn der Akku hält ja eine Weile und wird vorher vorsorglich geladen.
10. Was isst und trinkst du während des Schreibens?
Essen: Meist nichts, selten mal was Süßes wie Kekse oder dunkle Schokolade.
Trinken: Wasser mit oder ohne Waterdrops. Zu Hause auch mal eine Kanne Tee, die nebendran auf einem Stövchen steht á Ostfriesen-Teezeremonie.
11. Wenn du an einem längeren Werk arbeitest: Strukturierst du zuerst ein Kapitel oder das ganze Buch, bevor du mit dem eigentlichen Text beginnst, oder schreibst du einfach drauflos?
Sowohl als auch. Mein erstes Buch „Das Spiel mit dem Tod“ ist komplett ohne Konzept entstanden. Da kam sogar der Titel vor dem Buch. Mein zweites, an dem ich konsequent schreibe, hat im Vergleich dazu ein unglaublich detailliertes Konzept, ist momentan in der letzten Korrekturphase, hat dafür aber noch keinen Titel. Mein nächstes werde ich aber wieder mit Konzept schreiben, weil das doch angenehmer ist und auch nicht so starr, wie es klingt. Es ist eher ein guter Halt, denn wenn man mal an einer Stelle nicht weiterkommt oder die Stimmung dazu gerade einfach nicht passt, kann man einfach an einer anderen Stelle weiterschreiben.
12. Nimmst du dir für jeden Schreibtag ein genau festgelegtes Pensum vor, eine bestimmte Anzahl von Zeichen oder Wörtern?
Da ich ja nur „Hobbyautorin“ bin, keine beruflichen Schreibverpflichtungen habe und da zum Glück frei von Abgabeterminen bin, muss ich das nicht tun. Mein Pensum ist von meiner Inspiration abhängig. Die beginnt manchmal schon im Bus auf dem Weg zum Zug, manchmal auch erst im Zug, niemals später. Und sie endet spätestens, wenn mich der Bus nach Hause bringt. In der Regel war ich dann aber bereits um die 5 Stunden unterwegs und dann ist auch mal gut. : D
13. Beendest du deinen Arbeitstag eher, wenn es stockt oder […] an einer Stelle, an der du am nächsten Tag sofort weißt, wie es weitergeht?
Wie in der letzten Antwort: Wenn sich die Reise ebenso dem Ende zuneigt. Aber auch wenn es stockt und/oder ich das Gefühl habe, dass es einfach reicht.
14. Wem liest du aus einem entstandenen Text vor?
Meinem Freund Observer lese ich zwar nicht immer vor, aber er ist der Erste, der etwas zu Gesicht bekommt. Meinen Eltern habe ich aber auch schon vorgelesen.
15. Wie kommst du zu den Eigennamen deiner Figuren?
Entweder durch Zufall oder ich habe es durchdacht. „Nikos“ aus meinem ersten Buch hat seinen Namen aus einem Roman von Ildikó von Kürthy, weil ich den Namen einfach so schön fand. Die Herkunft des „Mädchennamens Guillotine“ hat natürlich einen Hintergrund. In meinem zweiten Buch kam der Name „Natascha“ vom Zweitnamen eines Mädchens, das ich kennen gelernt habe und mich auch im Äußeren zu ihr inspiriert hat. Der Charakter entspricht jedoch zu 100 % mir. Alle anderen Namen sind zufällig gewählt und mir spontan in den Sinn gekommen. Meist sind es keine allzu besonderen Namen.
16. Fällt es dir leichter, aus der eigenen Erfahrung und Erinnerung zu schreiben oder zu erfinden?
Ich kann am besten beides zugleich. Ohne ein bisschen eigene Erfahrung als Grundlage kann und will ich nicht schreiben. Und ohne eine Prise Fiktion wird die Geschichte manchmal zu fad und je nach Erlebnis auch zu schwer. Man weiß im Grunde also nie, was wirklich passiert ist und was nicht. ; )
17. Wie wichtig ist Fantasie für dein Schreiben?
Genauso wichtig wie die Realität. In der Fantasie kann ich Szenen noch abstrakter werden lassen und ein Happy End schaffen, das ich mir oder meinen Charakteren auch in der Realität wünsche. Meist bietet das Leben aber schon mal eine gute Grundlage.
18. Musst du dir manchmal eingestehen, dass du bestimmte Facetten des literarischen Handwerks einfach nicht beherrschst?
Manchmal? Haha… IMMER! Ich bin halt ein unstudierter Niemand für den Buchmarkt und dessen bin ich mir bewusst. Ich versuche es daher gar nicht erst. Aber (!) – und das hat sich definitiv über die letzten Jahre verändert – es tut nicht mehr so weh. Der Stich, der mich damals immer dann durchbohrt hat, wenn ich gelesen habe, wo und was andere studiert haben, ist bei weitem nicht mehr so intensiv. Ich gebe zu, dass ich Studenten des Literaturinstitus und der Uni in Hildesheim nach wie vor um ihre Chance beneide, all das Handwerk erlernen zu dürfen. Gleichzeitig weiß ich mehr denn je, dass ich diesen Weg niemals gehen könnte. Dafür hätte ich nicht nur mein Abitur schaffen müssen, mein Leben müsste auch ein komplett anderes sein. Das habe ich begriffen, nachdem ich realisiert habe, dass ich jetzt nach all den Jahren auch berechtigt gewesen wäre, mich für eine Aufnahme zu bewerben. Ich habe aber weder die finanziellen Mittel noch den Willen dazu. Wäre ich reich, könnte ich mich dem in vollkommener Freiheit und ohne Angst widmen. Es ist aber kein Studium, das einem garantiert, dass man ein vielgelesener Autor wird und all die Schulden, die man während eines Studiums macht, jemals wieder zurückzahlen bzw. später mit diesem Abschluss auch leben kann… unter solchen Umständen ist mein Lernen blockiert. Ich bin einfach nicht der Typ Mensch, der dafür geeignet ist.
19. Was kannst du dagegen deiner Ansicht nach besonders gut?
Intuitiv schreiben, ohne es je gelernt zu haben. Es liest zwar kaum jemand, aber jene, die es tun und die ich erreiche, wissen das dafür umso mehr zu schätzen.
20. Hast du Angst, dich zu wiederholen oder stilistische Manierismen zu entwickeln?
Also ich weiß nicht so recht, was ein „stilistischer Manierismus“ ist. Nach etwas Recherche werde ich auch nicht so recht schlau draus, was damit gemeint sein soll, aber ich habe definitiv keine Angst davor, einen eigenen Schreibstil zu entwickeln, im Gegenteil! Die Angst, mich zu wiederholen habe ich ebenfalls nicht. Mein erstes Buch handelte von Mobbing und Suizid, mein zweites handelt vom Tanzen. Beide sind sowohl in der Erzählzeit, im Aufbau und beim darin vorkommenden Personenkreis komplett unterschiedlich, doch beiden liegen Ängste zugrunde, aus denen wiederum ein sehr großer Mut erwächst. Vielleicht ist das dann wohl mein „stilistischer Manierismus“? : D
21. Schreibst du eigentlich gern?
Es ist Teil meines Lebens und daher essenziell für mich wie die Luft zum Atmen. Würde ich das Gefühl danach nicht so lieben, auch wenn ich es zu 99 % nur mit mir teile, so würde ich es nicht tun… also, ja, ich schreibe gern! : )
EDIT: Auch wenn Giulias Antworten anders ausfielen als meine und sie im Gegensatz zu mir wirklich im Schreibbusiness drin ist, sind wir uns in einem doch sehr ähnlich: Mal abgesehen von meinen Zugfahrten quer durchs Ländle sind wir nämlich beide „Drinnies“. Hier ein cooles Gespräch mit ihr beim Kölner Treff.