Es gibt Momente, da sind wir eins. Voll von Verständnis füreinander. Spürbar zusammen. Unzertrennlich. Dann sind wir uns näher, als ein Atomkern zu seiner Elektronenhülle. Vielleicht sind wir in diesen Momenten aber auch ein Atomkern, ein Nukleon, und uns damit so Nahe wie das Proton zum Neutron.
Und dann gibt es wiederum Momente, da sind wir so weit weg voneinander wie die Erde zu einem weit entfernten Stern in einem vollkommen anderen, Lichtjahre entfernten Universum hinter drei schwarzen Löchern, die wahllos irgendwo auftauchen. Oder auch nicht…
In solchen Momenten scheint es, als würden wir nicht einmal mehr dieselbe Sprache sprechen. So scheitere ich natürlich auch an jeder Frage, mit der ich versuche, eine Brücke zu schlagen, um dich besser zu verstehen. Ich scheitere an jedem Versuch, dir etwas Gutes tun zu wollen. Ich scheitere und scheitere und scheitere, während das Gespräch, das wir (nicht) führen immer unangenehmer wird, bis wir uns letztendlich anschweigen, die auslösenden Themen meiden und dem Ganzen lieber aus dem Weg gehen.
In solchen Momenten triggern wir uns gegenseitig in unseren negativsten Mustern und schaffen es auch kaum, sie zu unterbrechen.
Im schlimmsten Fall sagt mir meine innere Kritikerin Madame S., dass ich einfach nicht die richtige Parterin für dich bin. Dass ich dich nerve mit meiner Fragerei und dich noch mehr reize und keine Hilfe bin. Umarme ich dich in solchen Momenten, um wieder eine Bindung zu erreichen, bin ich übergriffig. Mache ich es nicht, bin ich herzlos. Wie ich es also auch mache – in den Augen von Madame S. mache ich alles immer falsch. Sie stellt auch infrage, was ich nicht infrage stellen will: Dass alles, was dich bisher nicht gestört und was du an meinem Wesen verstanden hast, auf einmal doch so schwerwiegend ist, dass du mich nicht einmal mehr ansehen willst. Dass wir uns im Grunde genommen nur was vormachen, wenn wir uns sagen, dass wir einander lieben und schätzen wie wir sind. Dass unser Verständnis nicht so tief geht wie gedacht.
Aber…(!), das sagt sie. Nicht ich. Ich sage, dass das, was wir da immer wieder aufs Neue erleben, vermutlich nicht mal etwas mit mir zu tun hat. Vielleicht hat es ja auch mit dir und deinen Problemen zu tun? Deinem Frust auf alles und nichts, der sich auf mich überträgt und in deine Ratlosigkeit mit hinabzieht, bis wir beide am Ende zutiefst gefrustet sind.
Aber woher kommt das nur immer wieder, obwohl wir beteuern, dass wir das nicht wollen und im Grunde am Ende auch einsehen, dass das ganze vollkommen unnötig war? Warum machen wir diese Prozedur mindestens einmal die Woche durch?
Ich will das nicht!
Denn in solchen Momenten habe ich das Gefühl, dich zu verlieren. Jedes Mal. Und jedes Mal hoffe ich, dass es sich nicht häuft… dass das nicht unser allgemeiner Zustand wird… dass aus dem Gefühl keine Realität wird und nichts zwischen uns kaputt geht… dass ich diesmal die richtigen Worte finde… dass du dich diesmal nicht auf deinen inneren Katastrophenfilm einlässt, sondern dass du es schaffst, dich gegen ihn zu entscheiden, wie ich gegen Madame S.
Und jedes Mal hoffe ich, dass wir nicht so misstrauisch und nebeneinander herlebend wie viele andere Paare werden und uns das behalten, was uns immer so wichtig war und nach wie vor auch ist: Das Gespräch untreinander. Unsere offene Art zueinander. Ein zärtliches Miteinander… so wie es sich viele streitende Paare eigentlich wünschen… bis der Zug irgendwann abgefahren ist, obwohl nie einer drin sitzen wollte…