„Kann ich heute früher gehen und morgen früher kommen?“
„Kein Problem!“
„Cool, weil ich nämlich meinen Schlafrhythmus umgestellt habe. Ich geh jetzt um ca. 21 Uhr ins Bett und stehe um vier auf…“
Kaum bin ich aus dem Fulltime-Homeoffice raus, schon brauche ich eine neue „Konstante“ in meinem Leben… allerdings war diese erst mal nicht beabsichtigt und hat sich vielmehr so ergeben.
Mir ging es die letzte Woche ja nicht so gut, weil ich mich anfangs nicht damit abfinden konnte, wieder „normal“ zu arbeiten. Zum Glück hatte ich neben dem Feiertag auch einen Brückentag, denn ich war wirklich extrem ausgepowert. So kam es dann, dass ich am Samstagabend sehr früh ins Bett gefallen bin. Dafür war ich dann am Sonntagmorgen aber auch sehr früh wach. Schlaf hatte ich dennoch mehr als genug und ich erinnerte mich an einen Moment vor einigen Wochen, als das schon mal der Fall gewesen ist und ich dann einfach aufgestanden und spazieren gegangen bin (weil ich das wirklich viel zu selten mache…). Also stand ich auch diesmal auf und verließ leisen Schrittes das Haus.
Und das tat so unglaublich gut! So gut, dass ich das seither jeden Morgen gemacht habe. Demnach gehe ich gerade also wirklich zwischen 2030 und allerspätestens 2130 ins Bett, bin dann gegen vier Uhr von selbst wach, stehe auf, ziehe mir was an und gehe spazieren.
Für mich ist das fast wie Meditation! Aber das funktioniert nur zu dieser besonderen Zeit bevor es hell wird. Ich schätze nämlich die Dunkelheit und vor allem die Abwesenheit menschlichen Treibens, das normalerweise den Alltag erfüllt. Nachts und ganz alleine fühle ich mich irgendwie entspannter. Sicherer. Einfach nur begleitet vom Vogelgezwitscher, dem Mond und der (irgendwann gegen Ende meiner Runde) aufgehenden Sonne. In dieser Ruhe kann ich über alles und nichts nachdenken. Mich um mich selbst drehen, wenn mir danach ist. Ohne Zeitdruck so langsam laufen wie ich will. Mitten im Weg stehen bleiben und eine Nacktschnecke beobachten (und feststellen, dass ich nicht so mutig wäre über den Weg zu schleichen so ganz ohne Häuschen, in das ich mich verkriechen könnte)…
Nach dem ersten Nachtspaziergang ist mir aber noch etwas anderes bewusst geworden…
Und zwar habe ich mich danach so genervt gefühlt von meinem Macbook und dass es ständig an ist. Ich kam mir vor, als wäre es ein verlängerter Arm wie es bei manchen Smartphonenutzern der Fall ist. Also habe ich es einfach aus gemacht. Nicht nur zugeklappt und unters Bett geschoben wie sonst… nein, richtig AUS!
Anschließend habe ich damit begonnen mich genau wahrzunehmen, denn eine gewisse Unruhe war schon da. Was wenn jemand schreibt? Ich könnte ja schreiben… oder Musik hören… oder kurz mal dies und jenes machen… Ach, und ich wollte doch noch ein Bild machen und verschicken und was ist dann jetzt mit Deutschlandfunk? Ich könnte ja zumindest mal die Nachrichten hören und… NEIN! AUS!
Mit jeder Ausrede, die mir einfiel, um meine gefühlte Abgeschiedenheit von der Außenwelt zu unterbrechen, wurde ich komischerweise immer ruhiger, weil ich sie als Ausreden erkannt und festgestellt habe, dass mein Kopf echt viel Fantasie hat, um eine mir längst bekannte Sucht weiter auszuleben. Und zwar jene, die heutzutage irgendwie so gut wie jeder mal mehr mal weniger mit sich trägt: Die Sucht nach Beschäftigung, Information, Ablenkung.
Wer erträgt auch schon die Stille? Oder anders: Wer sorgt auch schon freiwillig für einen Moment der Stille? Es stimmt schon, dass man den Bedarf danach ja nie wirklich fühlt. Bis es eben zum Overload kommt, wenn einem einfach alles zu viel wird. Aber ist es dann nicht schon zu spät?
Muss ich wirklich immer erreichbar sein oder will ich es? Und macht es das besser? Was steckt wirklich dahinter, wenn ich nicht einfach mal offline sein kann? Warum muss ich mir das jetzt durchlesen/ansehen/anhören? Muss ich da jetzt draufklicken?
Was passiert, wenn ich es nicht mache? Wenn ich alles anscheinend Interessante einfach mal abspeichere „für später“? Wenn ich mich öfter mal bewusst frage, was ich da eigentlich gerade mache und ob ich jetzt wirklich wissen muss, was hinter der Entstehung von einem bestimmten Käse steckt und was das eigentlich mit meiner Ursprungsfrage zu tun hat?
Was habe ich eigentlich davon, meine Zeit so zu verschwenden?
Manchmal ein kurzes Vergnügen. Aber am Ende fühle ich mich oft leer und erschöpft vom Hin und Herscrollen und all dem Klickbaren, das mich anschreit. Überlastet das nicht irgendwann die Aufmerksamkeitskapazität eines jeden Menschen? Es kostet vor allem Lebenszeit! Und auch wenn ich versuche, sie mit überwiegend „intelligenten Inhalten“ zu füllen, macht es die Sucht dahinter nicht besser. Denn Facebook ist ja trotzdem parallel an… könnte ja was Neues passieren.
Ich möchte das komplette Internet jetzt nicht verteufeln… ich finde es nur unglaublich wichtig, sich mal einen sehr langen Moment der Stille zu gönnen. Besonders als Smartphonenutzer ist man anfällig, die Konsequenzen dieses mittlerweile „normalen“ Verhaltens zu unterschätzen. Wie fühlt es sich denn an, wenn das Smartphone aus ist? GANZ AUS? Und das Ergebnis sollte einem vielleicht zu denken geben… bzw. sollte man entscheiden, ob man daran was ändern will oder ob eben egal ist und das für einen sogar zu einem erfüllten Leben dazu gehört.
Mir ist es jedenfalls nicht egal. Ich will so nicht sein. Und darum bleibt der Rechner jetzt öfter aus bzw. „bewusster“ an. Und ein Smartphone kommt mir immer noch nicht ins Haus.