Ich habe meine mittlere Reife auf einer Hauptschule gemacht, d.h. Werkrealschule. Und ich bin ehrlich gesagt stolz drauf…warum, das erkläre ich euch jetzt:
Jeder erlebt einmal eine schwarze Zeit. Ich hatte meine lange genug auf einer Realschule. Ende der achten Klasse bin ich geflogen. Zugegeben. Ich habe das so sozusagen provoziert. Und bis jetzt hat glaube ich noch niemand meinen Rekord mit den fünf Fünfen geknackt…
Auf der Hauptschule sah das dann ganz anders aus. Ich konnte endlich einen Neuanfang starten, ein neues Leben beginnen. Und ich wurde zum Deutschtalent, was ich allerdings einem Zufall, bzw. diesmal halte ich das für Schicksal, zu verdanken habe. Und zwar hatte ich mich dafür eingetragen mittwochnachmittags freiwillig in der Schule zu bleiben und irgendetwas Projektmäßiges zu machen. Nur leider hatte ich vergessen, eines der vielen Projekte auszuwählen. Und da alles belegt war, kam ich in die Schülerzeitung. Ich begann mich mit dem Leben Goethes zu befassen und darüber einen dreiseitigen Artikel zu schreiben – auf einer Hauptschule! Die betreuende Lehrerin haute es vom Hocker. Genauso wie meine Gedichte. Und ich war dankbar für jeden Artikel, den man mir aufband…ich schrieb nie weniger als fünf wobei ich vielen auch bei ihren Artikeln half.
Ein Jahr später wurde ich zur Chefredakteurin und durfte zum ersten Mal mit nach Stuttgart zur landesweiten Preisverleihung. Das war einer der Höhepunkte für mich. Doch es sollte noch ein viel größerer kommen: Berlin!
Und im Berliner Bundesrat wurde dann tatsächlich mein Gedicht vorgelesen…mein allererstes Gedicht, das ich jemals zu Papier gebracht habe.
Ein Jahr später dann wieder Stuttgart…
Weswegen ich das alles hier schreibe ist folgendes: Es gibt eine Schülerzeitung, auch aus V., von einem Gymnasium. Und dort gibt es einen Lehrer, der mich hasst, der froh ist mich nicht mehr auf all diesen Verleihungen sehen zu müssen. Das liegt daran, dass ich gut schreiben kann, obwohl ich Hauptschülerin bin/war. Im Herzen bin ich das auch. Und ich finde das keineswegs schlimm. Wie oft ich höre, dass die von der Hauptschule ja nichts wert seinen. Wie soll man denn schaffen sich zu verwirklichen, wenn einem immer vorgeworfen wird, wie dumm man ist? Zugegeben, einige sind das vielleicht auch. Aber nicht von Natur aus. Einige sind einfach so gestrickt, dass sie keinen Bock auf Schule und Lernen haben, weil sie ja sowieso Hartz4-Empfänger werden… Neulich bei der Maischberg im Fernsehen wurde genau über dieses Thema diskutiert. Und es gibt tatsächlich Schulen, deren Unterrichtsstoff das Ausfüllen von Hatz-4-Bögen beinhaltet. Ich finde das – mit Verlaub – unfassbar!
Wo bleibt die Förderung? Klar, niemand hat Geld…aber seit wann wird man als Lehrer dafür bezahlt, dass man den etwas schwierigeren Kindern sagt, dass sie sowieso nichts drauf haben? Ich weiß, wie diese Extremfälle an Hauptschulen sind. Und ich konnte mich mit den meisten dieser Kinder ganz normal unterhalten, sogar über schwerwiegende Themen! Ich kenne aber auch den ein oder anderen hoffnungslosen Fall, der sich im Unterricht die Nägel lackiert hat und zum Lehrer „Halt die Fresse!“ gesagt hat. Aber bei dem liegt nicht am Hirn, sondern an der Erziehung und dem daraus resultierenden Charakter.
Jeder hat das Zeug was zu lernen. Binomische Formeln und Sinus, Kosinus und Tangens muss so mach einer mit Willen in sich reinprügeln, aber es klappt. Ich bin von einer fünf in Mathe auf eine eins gekommen. Und viel leichter war das auf der Hauptschule auch nicht. Manche Lehrer haben sich nur die Mühe gemacht, alles 500 Mal zu erklären.
Ich finde es aber dennoch nicht schade, dass meine frühere Hauptschule jetzt eine vollkommene Realschule wird. Hauptschulen sterben aus. Klingt traurig, ist aber so. Hauptschüler sind nun mal ärmer dran, und da kann ihr Zeugnis noch so „sehr gut“ sein.
Mir fällt gerade noch etwas ein, wo ich stark gemerkt habe, dass Hauptschulen für manche das letzte sind. Beim Kulturpreis war ich die einzige „Hauptschülerin“ von vier Schülerinnen. Alle anderen waren von verschiedenen Gymnasien. Und ich bin ehrlich gesagt der Frau in dem Büro vom Landratsamt dankbar, dass sie mein Skript nicht in den Müll geschmissen hat. Zugegeben: Die Selbstbeschreibung stand auch ganz am Schluss…
Ein Redakteur von einer Zeitung hat mich dann noch interviewt nach dem Motto: „Ach, du bist ja hier die einzige von einer Hauptschule. WIE KOMMT DENN DAS?!?“