Heute habe ich mal wieder mein Homeoffice verlassen und war sowohl einkaufen als auch arbeiten. Also mal so richtg außer Haus. Inklusive fahren im öffentlichen Nahverkehr.
Und ich muss sagen, dass es mir immer besser geht mit der Vorstellung, irgendwann wieder „normal“ zu arbeiten, auch wenn ich es mir in der letzten Woche ja noch nicht so gut vorstellen konnte.
Mein Chef gibt sich aber auch so extrem viel Mühe, es uns schön zu machen. Das zu sehen und diese extreme Wertschätzug zu spüren, indem er wirklich meine Listenidee umsetzt (mehr als ich sogar!) und Ordnung und Struktur für sich schafft ohne mein Zutun, tut wirklich extrem gut.
Wir kennen uns jetzt ca. 8 Jahre… und ich weiß noch ganz genau, wie wir uns das erste Mal begegnet sind (auch wenn es eher strange war…). Damals war er ja noch nicht der Chef, sondern sein Bruder. Und er war eben der Bildbearbeiter…
[6.12.2011]
Es war ein stürmischer Nachmittag, als ich das Haus verließ. Mir blieb nur wenig Zeit, um meine Bewerbung abzugeben. Und dabei wusste ich noch nicht einmal, wo genau ich hin musste. Ich kannte nur den Namen der Firma, ihre Adresse und die ungefähre Richtung.
Im Laufe meiner Busfahrt wurde es immer stürmischer, bis schließlich ein ungemütlicher Schneeregen eintrat. Und obwohl mir beim Aussteigen mittlerweile wieder die Motivation verging, blieb ich am Ball und suchte eifrig nach dem kleinen Betrieb im Industriegebiet. Als ich jedoch das Gefühl hatte, nicht mehr anzukommen, entschloss ich mich, einfach mal jemanden nach dem Weg zu fragen. Dies stellte sich jedoch als sehr problematisch heraus, da in diesem Gebiet einfach gar nichts war und bei diesem Wetter lief auch niemand, der normal im Kopf war, draußen in der Gegend herum. Kurz bevor ich mich erneut zurückbegeben wollte, entdeckte ich an einer Ecke einen Laden für Sicherheitstechnik und trat ein. Mit tat es Leid, den Angestellten enttäuschen zu müssen, der wohl auf einen Kunden in dieser Trostlosigkeit gehofft hatte, aber er brachte mir dennoch ein Tempo, um meine Brille immerhin soweit trocken zu reiben, damit ich wieder etwas sehen konnte. Er wies mir die Richtung und ich betrat wieder die Kälte und den Wind, angetrieben von dem Wunsch, immerhin die Abgabe meiner Bewerbung zu meistern.
Leider erwies sich auch das nicht als richtig oder zu weit weg von meinem Ziel und ich fragte erneut in einer Tankstelle nach, die mir endlich den richtigen Weg wies.
Völlig durchnässt bis auf die Bewerbung stand ich dann also wenige Minuten später vor der Adresse. Gepeitscht von Wind und Wetter klingelte ich. Es summte. Ich trat ein.
Ein ziemlich aufgekratzter Mann empfing mich mit langem Haar und der Statur eines Informatikers: der Bildbearbeiter. Er bot mir einen Kaffee an, redete kurz mit mir und schien nicht sehr erfreut darüber, gestört zu werden. Dies wurde unterstützt von der Bemerkung, dass ich ja selbst raus finden würde. Nun, das tat ich auch, wobei meine Orientierung an diesem Tag bereits überstrapaziert worden ist…
Danach vergaß ich ehrlich gesagt das Ganze wieder und legte es ab unter eine von vielen unausgesprochenen Absagen. Und so war es umso überraschender, dass ich nach wirklich allen Absagen der anderen Betriebe (ca. 30) und dem Reinfall in Offenbach dann ein halbes Jahr später doch noch mal etwas von dem Betrieb zu hören bekam.
Und ich werde auch nie diesen einen Moment der „rettenden“ Mail vergessen… in welchem ich auf Papier schlief (wie das gescheiterte Existenzen Autoren eben so tun), der Laptop aufgeklappt vor mir, der hochprozentiege Cocktail neben mir… und dann dieser Impuls die Augen zu öffnen und verschwommen zu lesen, dass ich eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch im Postfach hatte.
Es war irgenwann im Juli und wahrhaftig meine letzte Chance, dieses Jahr noch irgendwie Fuß zu fassen und ich ergriff sie in Form einer Probearbeit. Ich gab alles und saß wie auf heißen Kohlen, bis ich dann Ende August, kurz vor gängigem Ausbildungsbeginn, doch noch einmal eingeladen wurde. Ein zweites „Vorstellungsgespräch“ sozusagen. Und ich merkte rasch, dass es um meine Psyche ging. Also packte ich einfach alles auf den Tisch. Es hätte nichts genutzt, wenn ich versucht hätte, unzählige kommende Therapietermine zu verschweigen und zu verleugnen was ich war: ein Psycho.
Und hey, sie haben mich trotzdem genommen, ich habe meine Ausbildung als eine der besten bestanden, einen Chefwechsel miterlebt und -gestaltet, bin übernommen worden, habe meine Therapien beendet und mich etabliert zur Photoshopqueen und Struktueschaffenden.
Und das schönste ist, dass ich sein kann wie ich bin und eine Form von Wertschätzung erhalte, die sich nicht in Worte fassen lässt!